Annegret Lodewick Hilfe für Schwangere in Not

Düsseldorf · Der Verein Hisko bietet werdenden Müttern Rat und Ausstattung fürs Baby. Die Frauen müssen dabei selber aktiv werden.

 Annegret Lodewick ist Diplom-Sozialpädagogin und Geschäftsführerin beim Verein Hisko. Hier zeigt sie einen Kinderwagen und eine Erstausstattungsbox für Neugeborene, hinten hängen Fotos von Babys ihrer Klientinnen.

Annegret Lodewick ist Diplom-Sozialpädagogin und Geschäftsführerin beim Verein Hisko. Hier zeigt sie einen Kinderwagen und eine Erstausstattungsbox für Neugeborene, hinten hängen Fotos von Babys ihrer Klientinnen.

Foto: H.J. Bauer

In dem schmalen Raum liegen wahre Schätze - aus Sicht mancher schwangeren Frau. In einer Kiste sind Strampler, in einer anderen Söckchen, ein Regal ist mit Schnullern und Spielzeug bestückt, es gibt gestrickte Mützchen, auf einem Ständer hängt Schwangerenkleidung. Es duftet nach frisch gewaschener Wäsche, ein wenig auch nach Baby. An einer Wand hängt eine Weltkarte, Dutzende Stecknadelköpfe zeigen die Herkunftsländer der Frauen, die hier Beratung suchten. Kuba, Brasilien, Senegal, Angola, mehrere aus Nordafrika, Indien, England und Russland, Japan und Tschechien - nahezu die gesamte Welt ist vertreten. Im anderen Raum sind Fotos von Babys zu sehen, auf einem feiern Zwillinge, mit Anzug und Krawatte fein gemacht, ihren ersten Geburtstag. Auch Dankesbekundungen der Eltern an den Verein "Hilfe im Schwangerschaftskonflikt" (Hisko e.V.), der seit 1988 schwangere Frauen in schwierigen Situationen berät und ihnen hilft, nach der Geburt zurechtzukommen, sind dabei. Annegret Lodewick, Geschäftsführerin und Diplom-Sozialpädagogin, ist seit 1993 zuständig für die Beratung.

Frau Lodewick, was denken Sie, wenn Sie auf die Babyfotos blicken?

Lodewick Dass sich unser Engagement wirklich lohnt. Wir sind in dem Moment zur Stelle, wenn es darum geht, in einer schwierigen Lage eine positive Stabilisierung zu geben.

Sind es Kinder, die ohne Ihre Hilfe nicht zur Welt gekommen wären?

Lodewick Nein. Wir stellen ja nicht Beratungsscheine nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches (Schwangerschaftsabbruch, Anm. d. Red.) aus. Solche Klientinnen verweisen wir an entsprechende Beratungsstellen. Andersherum schicken die Frauen zu uns, wenn es um Hilfe oder die Erstausstattung für das Baby geht. Die meisten Frauen, die zu uns kommen, haben also entschieden, das Kind zu bekommen. Wir sind nicht die so genannten Lebensschützer, aber haben eine positive Grundhaltung zum ungeborenen Kind und helfen auch mit Blick auf Geschwisterkinder.

Was sind es für Frauen, die Ihre Beratung suchen?

Lodewick Viele haben keinen Partner, keine Wohnung, sind verschuldet. Eine Frau war mit Zwillingen schwanger und von ihrem Mann verlassen worden. Es gibt viele, die sich vereinsamt oder abgelehnt fühlen oder nicht mehr in ihren sozialen Rahmen passen, weil sie noch zur Schule gehen oder studieren.

Was raten Sie denn so jungen Frauen?

Lodewick Nicht allzu lange die Ausbildung zu unterbrechen, sondern im Lernrhythmus und bei dem zu bleiben, das vor der Schwangerschaft ihr Ziel war.

Kommen auch Flüchtlingsfrauen?

Lodewick Etwa ein Drittel der Frauen hat einen Migrationshintergrund, der Anteil ist in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen, dieses Jahr sogar extrem.

Wie verändert das Ihre Arbeit?

Lodewick Wir brauchen für diese Frauen verstärkt Sachspenden, um direkt Hilfe geben zu können. Denn diese Frauen sind in der Regel nicht erst in der 20., sondern bereits in der 32. Schwangerschaftswoche.

Gibt es Unterschiede zu Ihren anderen Ratsuchenden?

Lodewick Viele gehen gelassener mit der Schwangerschaft um. In manchen Kulturen ist es ein Status, Mutter zu werden. Oft kommt hinzu, dass die Frauen auf der Flucht schlimme Erfahrungen gemacht, Verfolgung und große Not erlebt haben, Gewalt ausgesetzt waren. Da sind eine Schwangerschaft und Geburt nicht so einzigartig. Manche sind auf der Flucht von Schleusern vergewaltigt und dadurch überhaupt erst schwanger geworden.

Und sie wollen das Kind trotzdem behalten?

Lodewick Teils ist Sex der Preis für die Schleusung. Das wird dann gar nicht als Vergewaltigung empfunden, sondern ist eben geschehen. Es ist schwierig, damit umzugehen. Viele gehen positive Frauenbande ein, um das durchzustehen und sich gegenseitig zu unterstützen. Da kommt man als Beraterin nicht oder nur wenig rein.

Nehmen Sie diese traumatischen Geschichten nicht mit nach Hause?

Lodewick Ich bin selbst Supervisorin, hole mir aber auch eine Fallsupervisorin, wenn es mich zu sehr belastet, damit umzugehen.

Wie ist die Altersspanne Ihrer Klientinnen?

Lodewick Die bisher Jüngste war zwölf Jahre alt, vergangenes Jahr war es eine 14-Jährige - übrigens eine Deutsche. Die älteste Klientin 2014 war 42 Jahre alt.

Wie läuft eine Beratung konkret ab?

Lodewick Zunächst wird geklärt, wie der Kontakt zustande gekommen ist und ob die Frau bereits Hilfe bekommt. Dann erstellen wir einen Hilfeplan. Dafür frage ich systemisch, wie deren Situation ist, wirtschaftlich und sozial, wo der Konflikt, welche Art der Unterstützung sie brauchen, was wir leisten können und was andere leisten müssen. Nach dem Erstgespräch stelle ich die Fälle dem Vorstand vor. Dann wird verteilt, was im Topf ist, oder wir organisieren, was fehlt. Dabei sind Spenden wichtig. Die Frauen können sich die Sachen dann abholen.

Gehört das zum Konzept?

Lodewick Unser Ziel ist, dass die Frauen möglichst viel selber machen, sie sollen anrufen, kommen, sich erkundigen. Wichtig ist, deren Fähigkeit, sich zu organisieren, zu unterstützen und nicht die Unmündigkeit zu fördern. Wer zwei Termine nicht einhält oder Sachen nicht zurückbringt, bekommt Grenzen gesetzt.

Die Sachen bleiben im Umlauf?

Lodewick Ja, das Ganze basiert auf einem Tauschverfahren. Wir vergeben Sachspenden und schreiben die Stückzahlen auf. Wenn die Frauen etwas nicht mehr brauchen, bringen sie es zurück und können die gleiche Zahl anderer Sachen mitnehmen.

Wie finanzieren Sie das alles?

Lodewick Wir bekommen eine Förderung über die Stadt, es gibt Mitgliedsbeiträge, und der Vorstand ist auch aktiv beim Akquirieren von Spenden. Wir haben einen guten Ruf, deshalb haben wir Stammspender wie die Gesellschaft Reserve der Schützen. Sie helfen vor allem bei den Starter-Boxen, die Windeln, Erstausstattung, Pflegeprodukte und Ähnliches enthalten. Schützen sind also mehr als Brauchtum. Auch Soroptmisten oder unsere Nachbarn von Flingern mobil unterstützen uns, um nur einige zu nennen. Wir brauchen aber mehr Spenden, weil wir mehr Nachfrage haben.

Was brauchen Sie am dringendsten?

Lodewick Zurzeit haben wir einen großen Bedarf an Erstlingswäsche, die kleinsten Größen 50 und 56 werden als Sachspende benötigt, außerdem Geschwisterwagen.

DENISA RICHTERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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