Düsseldorf Herr Klewe und die Durchbrandsperre

Düsseldorf · Seit neun Jahren streiten sich ein Erfinder aus Düsseldorf und eine Firma aus Straelen um Kerzen, Patente und Geld. Trotz der langen Zeit beschäftigt der Konflikt weiter das Gericht.

 Herbert Klewe und seine BSS-Kerzen aus dem Hause Müller: Im Streit ums Patent droht dem 76-Jährigen eine Ordnungsstrafe.

Herbert Klewe und seine BSS-Kerzen aus dem Hause Müller: Im Streit ums Patent droht dem 76-Jährigen eine Ordnungsstrafe.

Foto: Anne Orthen

Drei Regalmeter nehmen die Aktenordner ein, in denen der Konflikt dokumentiert ist. Herbert Klewe lagert sie im Arbeitszimmer, im Schlafzimmer und im Keller. Der 76-Jährige hat nicht mehr so viel Platz wie früher, da er sein Haus verkaufen und in eine Wohnung ziehen musste. "Wegen des Streits", wie er betont.

Der Streit - das ist ein mittlerweile neun Jahre währender juristischer Konflikt zwischen Klewe und der Firma Müller Kerzen: Im Wesentlichen geht es darum, wer die sogenannte BSS-Kerze erfunden hat, deren Besonderheit eine im Kerzenfuß eingelassene Aluminiumscheibe ist. Wenn die Kerze heruntergebrannt ist, erlischt der Docht auf dieser Scheibe ohne darunter befindliches Material, etwa Tischdecken oder Tannengrün, zu entzünden.

Klewe betrachtet sich als alleinigen Erfinder dieser Kerze mit Durchbrandsperre. Er habe die Idee gehabt und den Prototypen gefertigt. Mitte Januar 2006 sei das gewesen, erinnert er sich: "An einem Freitag, das weiß ich deshalb so genau, weil die Kerzenpressen schon aus waren." Klewe arbeitete damals als freiberuflicher Kerzendesigner für seinen jetzigen Kontrahenten, die Firma Müller. "Ich habe sofort Handmuster gemacht. Die Aluminiumscheiben habe ich aus Näpfen zum Farbenmischen geschnitten." Über das Wochenende habe er diese Muster mit nach Hause genommen: "Dort habe ich sie brennen lassen, um sicherzustellen, dass das Aluminium für empfindliche Oberflächen nicht zu heiß wird." Am folgenden Montag habe er ausprobiert, ob die Aluminiumscheiben bei der Produktion mit der Kerzenpresse haften bleiben: "Was sie taten." Gut einen Monat später habe Müller dann mit der Serienproduktion von BSS-Kerzen begonnen.

Die Rechte an seiner Erfindung hatte Klewe noch im selben Jahr an die Firma Müller übertragen. Der Erfindungsübertragungsvertrag ermöglichte es Müller, die Durchbrandsperre als Patent eintragen zu lassen und er gestand Klewe gleichzeitig 0,2 Cent pro verkaufter BSS-Kerze zu.

Schon bald aber verdächtigte Klewe die Firma Müller, ihm zu wenig Geld auszuzahlen: "Deshalb habe ich immer wieder nach Abrechnungen gefragt - wahrscheinlich habe ich sie damit in die Enge getrieben." Schließlich eskalierte der Konflikt: Müller stellte die Zahlungen an Klewe ein, und Klewe erwirkte einen Rücktritt vom Erfindungsübertragungsvertrag wegen Nichterfüllung. Daher verlangt Klewe von Müller sowohl die ausstehenden Zahlungen - seiner Ansicht nach eine mittlere sechsstellige Summe - als auch die Übertragung des Patents.

Karl-Peter Schulz, Mitglied des Aufsichtsrats der Firma Müller, bestreitet die Vorwürfe und weist die Forderungen zurück: Klewe habe ordnungsgemäße Abrechnungen erhalten und sei vertragsgerecht bezahlt worden. Vor allem aber widerspricht Schulz der Aussage Klewes, alleiniger Erfinder zu sein: "Das Patent, auf dem die BSS-Kerze beruht, basiert auf Beiträgen von Herbert Klewe und Martin Winnen. Beide sind deshalb als Miterfinder im Patentregister eingetragen worden. Beide haben ihren Anteil jeweils mit separatem Vertrag an die Firma Müller übertragen."

Die Nennung des mittlerweile verstorbenen Winnen als Miterfinder empört Klewe: "Das ist total falsch!" Er sieht sich diesbezüglich auch durch einen Artikel in der Rheinischen Post vom Februar 2006 bestätigt, in dem über die Erfindung der BSS-Kerze berichtet wurde - dort wird Martin Winnen, damals Geschäftsführer der Firma Müller, so zitiert: "Unter Federführung unseres langjährigen freien Mitarbeiters Herbert Klewe aus Düsseldorf hat ein Team diese Lösung ausgetüftelt."

Zu diesem Zitat sagt Karl-Peter Schulz: "Dass der leider viel zu früh verstorbene Martin Winnen in der ihm eigenen Bescheidenheit seine Rolle nicht so herausgestellt hat, sondern dem schon immer mehr die Öffentlichkeit suchenden Herbert Klewe den Vortritt gelassen hat, war rückblickend vielleicht ein Fehler. Im Unternehmen wussten aber alle um den wesentlichen Beitrag von Martin Winnen."

Juristisch zu klären, ob der verstorbene Winnen zu Recht oder zu Unrecht als Miterfinder geführt wird, ist schwierig - vorher jedoch ist eine Übertragung des Patents an Klewe unwahrscheinlich.

Trotzdem behauptete Klewe Ende Dezember 2017 in einem Schreiben an eine Supermarktkette, die von der Firma Müller mit BSS-Kerzen beliefert wird, dass er bald der alleinige Inhaber des Patents sein werde. Damit verstieß er nach Ansicht der Anwälte der Firma Müller gegen eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf, die es ihm untersagte, gegenüber Kunden von Müller zu behaupten, dass die Firma keine BSS-Kerzen mehr herstellen oder vertreiben dürfe. Die Anwälte beantragten deshalb Mitte Januar beim Landgericht "ein empfindliches Ordnungsgeld, nach Ermessen des Gerichts zu verhängen und für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festzusetzen."

Klewe glaubte eigentlich, in seinem Schreiben an die Supermarktkette die ihm verbotenen Worte vermieden zu haben. Deshalb bringen ihn die drastischen Formulierungen und die angedrohten Konsequenzen in dem Anwaltsschreiben ziemlich aus der Fassung: "Geld habe ich keins, also wird es wohl die Haft."

(bjn)
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