Kolumne Mein Düsseldorf Heimat ist, wo man Empfang hat

Düsseldorf · Zuhause kann sich Düsseldorfer auf der Kö oder in der Altstadt fühlen, im Brauchtum - und da, wo WLAN verfügbar ist.

 Der vertraute Blick auf die Innenstadt (hier vom Quartier Central) mit dem GAP 15 (rechts im Bild), dem Sparkassen-Hochhaus und der Marienkirche (links).

Der vertraute Blick auf die Innenstadt (hier vom Quartier Central) mit dem GAP 15 (rechts im Bild), dem Sparkassen-Hochhaus und der Marienkirche (links).

Foto: Andreas Endermann

Wenn wir von unserem Zuhause sprechen, meinen wir einen Ort - meist Haus oder Wohnung. Aber was ist Heimat? Eine Adresse? Oder doch mehr ein Gefühl? Zu trennen ist das Eine vom Anderen freilich nicht - wer Heimat sagt, denkt an eine Stadt, eine Region, eine Landschaft, womöglich auch an ein ganzes Land. So oder so - die Definition ist regional unterschiedlich. Kommt der Kölner über die A4 aus Richtung Olpe nach Hause und sieht vor dem Kreuz Köln-Ost in der Ferne die beiden Türme des Doms, geht ihm das Herz (und einigen sogar der Tränenkanal) auf. Etwas Vergleichbares gibt es für den Düsseldorfer garantiert nicht, falls er aus Richtung Wuppertal kommend aus der Höhe noch weit entfernt die Spitze des Rheinturms erkennt. Der Kölner denkt: Wie schön! Der Düsseldorfer: Hoffentlich ist am Hildener Kreuz kein Stau. Dennoch: Beiden ist ihre Stadt sicher lieb und teuer, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

In der Landeshauptstadt ist die Verbundenheit bei sehr vielen Menschen eine weniger tief verwurzelte, das Gefühl ist dort ein flüchtigeres, für viele austauschbar und flexibel, was sicher auch an der hohen Fluktuation der Bewohner liegt. Das macht die Emotion individuell nicht weniger bedeutsam, im Gegenteil: Weil sie differenzierter empfunden wird, kann sie voller Glücksempfinden und mit der Gewissheit verbunden sein, einen Ort gefunden zu haben, an dem es einem selbst und der Familie besser geht als vorher.

Immerhin lockt Düsseldorf aus diesem Grund pro Jahr einige tausende Menschen an, und wenn man die etliche Monate nach ihrem Zuzug befragt (was regelmäßig geschieht), ist der überwiegende Teil sehr zufrieden. Heimat, das ist eine enorme Bandbreite, auch zwischen Kaiserswerth und Benrath: Schützenverein oder Karnevalsgesellschaft, Altstadt oder Szeneviertel, Kö-Glamour oder gemütliches Viertel, Fortuna oder DEG, Rheinufer oder Aaper Wald, Schauspielhaus und Oper oder Theater an der Kö und Komödie, Pizza von Luigi oder Hummer von Jean-Claude, Fahrrad oder Range Rover, H&M oder Dior, Alt oder Brunello, Reisholz oder Bilk, Wittlaer oder Lörick, Urdenbach oder Flingern.

Neuerdings kommen, je nach Alter verschieden intensiv erwünscht, noch Qualität des Handy-Empfangs und WLAN-Verfügbarkeit hinzu - kein Handy, kein WLAN? Das gibt mindestens Abzüge in der A-Note und gilt als No-go-Area. Eine Garantie für ständige Erreichbarkeit gehört in diesen Zeiten dazu wie vor einigen Jahren der Balkon in Südwest-Lage.

Wer seinen Freundeskreis, seine Buchführung, Briefe, Bankverbindungen, die Liste aller Telefonnummern und tausende Fotos nicht mehr daheim hortet, sondern auf dem Smartphone in der Tasche mit sich herumträgt, für den misst sich Qualität der Heimat auch an der Zahl der Balken im Handy-Display. Weil sie ihm signalisiert, Verbindung zum Rest der Welt zu haben. Denn das Gegenteil davon würde ihn abschneiden von einem Dasein, das er als normales Leben betrachtet - vermutlich würde er sich, nun ja: heimatlos fühlen. Immer mehr vor allem jungen Menschen ist das eine Horror-Vision. Für sie gilt: Heimat ist da, wo ich online bin. Am liebsten per Flatrate.

(RP)
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