Düsseldorf Am Hauptbahnhof will man einfach nur weg

Düsseldorf · Niemand hält sich gerne lang am Hauptbahnhof auf. Ein Besuch am unweihnachtlichsten Ort der Stadt.

 Der Hauptbahnhof in Düsseldorf.

Der Hauptbahnhof in Düsseldorf.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Im Ruhrgebiet sind die Menschen bodenständig und familiär. Das hat Peter Lange erst so richtig gemerkt, als er am Düsseldorfer Hauptbahnhof angekommen ist. Er verteilt in der Eingangshalle gegen Spende blaue Christbaumkugeln, auf die man sich Sprüche wie "Für Beate" gravieren lassen kann. Der Erlös geht an die Elterninitiative Kinderkrebsklinik. Vom Stand aus blickt Lange auf die glitzernden Weihnachtssterne, die die Bahn über der Tafel mit den Abfahrtszeiten aufgehängt hat. Aber die hat Lange noch gar nicht bemerkt, obwohl er schon den ganzen Tag hier steht.

Mit seinem Stand ist er auf den Hauptbahnhöfen in der Region unterwegs und kennt die Unterschiede. In Bochum hat ihm sofort jemand die Tür aufgehalten, als er den schweren Tisch hereingetragen hat, so kennt er das auch aus anderen Städten. In Düsseldorf hingegen stand er allein mit dem schweren Tisch in der Tür. Die Menschen nutzten die Gelegenheit, durch die offene Tür zu huschen. Geholfen hat ihm niemand. Vielleicht, so vermutet Lange, weil dieser Hauptbahnhof auch für einen Hauptbahnhof so riesig und anonym ist.

Peter Lange ist nicht der einzige, der über den Düsseldorfer Hauptbahnhof wenig lobende Worte findet. Zumindest wenn man davon absieht, dass die Menschen in Düsseldorf vergleichsweise viel Interesse an seinen Christbaumkugeln zeigen. Genau genommen findet man so schnell niemanden, der etwas Positives zu berichten hat. Keinem, den man so anspricht, fällt ein Lieblingsort im Bahnhof ein, niemand kann sich an ein schönes Erlebnis erinnern - wenn man mal von der Ankunft geliebter Menschen absieht, aber mit denen verbringt man anschließend auch nicht mehr Zeit als nötig in der Station. Auch wenn die Bahn sogar einen Christbaum auf das Vordach gestellt hat: Der Hauptbahnhof ist der unweihnachtlichste Ort der Stadt.

Der Verkäufer in einem Stand für Süßwaren findet schon die Frage reichlich seltsam, ob ihm dieser Ort gefällt. "Ich bin hier ein paar Wochen zum Geld verdienen, dann bin ich wieder weg", sagt er. Sonst zieht er mit seinem Stand über die Kirmesplätze, auch nicht immer angenehm. Aber hier? "Immer dieselben kaputten Leute, die Stress machen."

Eine Frau, die vor dem Ausgang zum Konrad-Adenauer-Platz bettelt, beklagt sich, sie werde häufig fast umgerannt, so schnell schießen die Leute weiter. Mag sie etwas am Hauptbahnhof? Sie verneint. "Zu viele kaputte Leute", sagt auch sie.

Die Verkäuferin in einer Bäckerei fragt sich, woher die Horden von Menschen kommen, die jeden Morgen bei ihr anstehen und ihr Frühstück kaufen. Die Bäckereien im Hauptbahnhof machen immer mehr Kassen auf, die Schlangen werden trotzdem nicht kürzer. "Es scheint niemand mehr Brot zu Hause zu haben", meint die Verkäuferin. Sie arbeitet nicht gern hier. "Viele Kunden sind unfreundlich."

Nirgendwo in der Stadt kommen so viele Menschen an. An jedem Tag sind es mehr als 250.000, an besonderen Tagen wie Karneval sogar mehr als 300.000 - immerhin die Hälfte der Einwohnerzahl von Düsseldorf. Trotzdem ist der Bahnhof kein Ort, an dem irgendwer ankommt. Alle eint offenbar ein Wunsch: schnell wieder weg.

Gisela Niedzwetzki brät Würste bei "Meister Bock" und blickt täglich auf den Menschenstrom. Sie sieht Leute mit Koffer, mit Fahrrad, mit Hund, mit Cello, fast alle mit schnellen Schritten unterwegs. Eine Damenrunde mit blinkenden Weihnachtsmützen ist kichernd auf dem Weg in die Altstadt, zwei Bundespolizisten sprinten am Stand vorbei und überholen noch die Sprinter, die den Zug bekommen wollen.

Niedzwetzki arbeitet seit elf Jahren am Hauptbahnhof und meint, es sei früher angenehmer gewesen. Damals habe es noch mehr richtige Läden gegeben. Heute verkauften die Bäckereien und die Imbiss-Buden direkt auf dem Gang, weil die Kunden sich nicht lange aufhalten wollen. "Dadurch ist es hektischer geworden." Immerhin: Ihr fällt etwas ein, was sie wirklich gerne mag. Die Stammkunden. Manche kommen fast jeden Tag für eine Currywurst zu ihr. Sie bleiben sogar in Ruhe an der Theke stehen, bis sie aufgegessen haben.

(arl)
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