Düsseldorf "Handy hat mich krankgemacht"

Düsseldorf · Seit Juni weiß Marc T., dass er einen Hirntumor hat. Der gebürtige Düsseldorfer telefoniert berufsbedingt seit 20 Jahren täglich intensiv mit seinem Mobiltelefon und ist sicher, dass die Strahlen die Ursache dafür sind. Experten streiten über die Gefahren der Handynutzung.

 Marc T. glaubt, dass das Handy der Grund für seinen Hirntumor ist.

Marc T. glaubt, dass das Handy der Grund für seinen Hirntumor ist.

Foto: dapd, dapd

Es war ein lauer Abend, an diesem Freitag, dem 21. Mai 2010. Marc T. wartete am Nollendorfplatz in Berlin auf seine U-Bahn. Der aus Düsseldorf stammende TV-Journalist war bestens gelaunt: Vor drei Tagen hatte er sein Abendstudium in Marketing- und Kommunikation mit einem 1,4-Diplom abgeschlossen und in zwei Tagen würde er seinen 44. Geburtstag feiern.

An das, was dann passierte, hat er keine Erinnerung mehr. Von Augenzeugen erfährt er später, dass er plötzlich getorkelt und von Krämpfen geschüttelt auf die Gleise gestürzt sei. "Der ist ja besoffen", wurde am Bahnsteig gelästert. Weil Marc T. aus einer Platzwunde am Kopf blutete, wurde ein Krankenwagen gerufen. Tage später die Schock-Diagnose: Er hatte einen epileptischen Anfall, ausgelöst durch einen Hirntumor. "Der sitzt über dem linken Ohr", sagt er. "Mir ist auch klar, warum."

20 Jahre lang war Marc T. als Reporter unterwegs — für Radiosender und TV-Stationen, erst im Rheinland, später in Berlin. "Ich habe unentwegt mit dem Handy telefoniert", berichtet er. "Auch schon, als die Geräte noch große, dicke Klötze waren." Und stets telefonierte er links, um mit der rechten Hand Notizen machen zu können. Sein Hirntumor ist ein "Astrozytom dritten Grades" (vier ist der höchste) und inoperabel. Kein körperhafter Tumor mit klar abgegrenzten Umrissen, sondern ein spinnennetzartiger, verzweigter. Er sitzt im Sprach- und Bewegungszentrum.

Fünf Milliarden Handys sind weltweit "on". Wie gefährlich ihre Strahlung für den Menschen ist, darüber streiten die Experten. Forscher aus USA, England und Schweden führten kürzlich eine internationale Meta-Studie durch. Fazit: "Es gibt keine überzeugenden Beweise für einen Zusammenhang zwischen Handy-Nutzung und Krebserkrankung." Fast 13 000 Personen waren über zehn Jahre befragt und beobachtet worden. "Das erbrachte keine stichhaltigen Nachweise." Anderer Ansicht ist da seit Kurzem die Weltgesundheits-Organisation WHO: "Es ist nicht auszuschließen, dass Handystrahlung krebserregend ist."

Davon geht auch Elektrosmog-Experte Peter Nießen (54) vom EMF-Institut in Köln aus: "Die Strahlenwerte vieler Geräte sind grenzwertig, liegen knapp unter der gesetzlich zugelassenen Menge, die im Körpergewebe gelagert werden darf — zwei Watt pro Kilo. Wer viel telefoniert und das mit Gerät am Ohr, setzt sich sehr wohl einer Gefahr aus."

Im Juni 2010 führten die Ärzte in der Charité eine Biopsie bei Marc T. durch, bohrten ein kleines Loch in den Schädel, entnahmen Gewebeproben. Da allerdings konnte der Tumorverdacht, beruhend auf Aufnahmen aus der CT-Röhre (Computertomographie) zunächst nicht bestätigt werden. Marc T.: "Es ist sehr schwer, bei einem Astrozytom exakt das feine Netz zu treffen, belastetes Gewebe und damit den Tumorbeweis zu bekommen."

Ein Jahr lang lebt der Düsseldorfer mit dem schrecklichen Verdacht. Immer wieder erleidet er neue Anfälle. Einen im Wartezimmer eines Arztes — plötzlich zuckt sein rechter Arm, Teile des Körpers sind taub, er kann nicht sprechen. Den zweiten im Mai 2011 auf dem Campus der Freien Universität Berlin, wo er den "Hirntumor-Informationstag" besuchen wollte. Diesmal war's ein "Grand Mal", ein großer, den ganzen Körper betreffender epileptischer Anfall.

Nun, im Juni, die zweite Biopsie. Das Loch, das man ihm in den Schädel bohrt, ist so groß wie eine 2-Euro-Münze. Und diesmal gelingt der Tumorbeweis. "Das war zwar eine Schock-Nachricht, aber nach einem Jahr bloßem 'Verdacht' hatte ich nun endlich Gewissheit", sagt Marc T. Inzwischen macht er eine Chemotherapie in Tablettenform, arbeitet nur alle zwei Tage, oft mit stundenlangen Pausen, in denen er heimfährt und schläft.

Aber nicht nur sein Alltag, auch vieles "tief in mir drin" hat sich verändert: "Ich bin gläubig geworden. Und viel bescheidener und gelassener. Ich rege mich über fast nichts mehr auf!" Das Handy am Ohr ist tabu. Und das schnurlose Telefon bei ihm zu Hause ist jetzt ein strahlenarmes. "Darauf sollte jeder beim Kauf achten", mahnt er. "Und wenn schon Handy, dann mit Headset."

Ein Hirntumor-Patiententag findet am Samstag in der Heinrich-Heine-Uni, Konrad-Henkel-Saal, statt (9.30 bis 18 Uhr).

(RP)
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