Flüchtlingsunterkunft in Düsseldorf Großbrand: Was wir wissen und was nicht

Düsseldorf · Vier Tage nach dem Großbrand in einer Lagerhalle an der Messe Düsseldorf, die als Flüchtlingsunterkunft diente, sind einige Hintergründe geklärt. Doch viele Fragen sind noch offen. Ein Überblick.

Brand an der Messe Düsseldorf: Bilder vom Flüchtlingsheim
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Große Rauchwolke nach Brand in Flüchtlingsunterkunft

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Foto: Patrick Schüller

Was wir wissen

Die Tat Ein Bewohner der Unterkunft hat am Dienstagmittag hochprozentigen Schnaps über ein Bett geschüttet und angezündet. Die Flammen griffen rasend schnell um sich, zerstörten mit den Habseligkeiten der Flüchtlinge am Ende die gesamte Lagerhalle der Messe. Die Justiz geht von besonders schwerer Brandstiftung aus, dafür drohen zwei bis 15 Jahre Haft.

Der Schaden 28 Flüchtlinge und ein Betreuer erlitten Rauchvergiftungen, ein Feuerwehrmann wurde im Einsatz verletzt. Die wenigen Besitztümer der Flüchtlinge - vieles davon waren Spenden - sind zerstört. Den Sachschaden schätzen Experten auf zehn Millionen Euro. Die Lagerhalle ist versichert. Ob sie wieder aufgebaut wird, hat die Messe noch nicht entschieden.

Die Vorgeschichte Mehrfach hat es Streit ums Essen in dieser Unterkunft gegeben. Der mündete sogar in Schlägereien und Polizeieinsätze. Am Dienstagmittag drohte ein Bewohner den Betreuern: "Wenn sich nichts ändert, passiert etwas, das ihr nicht wollt." Kurz danach stand die Halle in Flammen.

Brand in Flüchtlingsunterkunft: Halle abgerissen
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Brand in Flüchtlingsunterkunft: Halle abgerissen

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Foto: dpa, mg fdt

Die Täter Adel D., mutmaßlich der eigentliche Brandstifter, ist Algerier, 26 Jahre alt, seit Oktober 2015 in Düsseldorf und einmal wegen Ladendiebstahls aufgefallen. Mohamed B., ebenfalls 26, ist Marokkaner, reiste im Januar 2015 ein und ist bislang unbescholten. Er gilt als dominante Persönlichkeit, soll in der Unterkunft den Ton angegeben haben. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft vor, D. und andere aufgehetzt zu haben, etwa einen 21-jährigen Algerier, der seit seiner Ankunft in Düsseldorf im Oktober bereits zwei Mal vor Gericht stand, wegen schweren Diebstahls aktuell eine Bewährung offen hatte. Für 30 Autoaufbrüche gilt er als verdächtig, sie wurden ihm aber nicht nachgewiesen. Zu der Gruppe um Mohamed B., der sich während des Brandes mit der Tat gebrüstet haben soll, gehören ein 16-jähriger Marokkaner und ein 24-jähriger Syrer. Was alle verdächtig macht: Sie hatten schon vor dem Feuer ihre Habseligkeiten eingepackt.

Die Ermittlungen Die Verdächtigen bestreiten die Vorwürfe. Befragungen gestalten sich schwierig, weil bei Beschuldigten wie Zeugen Dolmetscher nötig sind. Den beiden Inhaftierten werden Pflichtverteidiger bestellt.

Die Unterkunft Bis zu 300 alleinreisende Männer wurden in der Lagerhalle, die eigentlich als Reserve gedacht war, untergebracht. Sie stammen aus unterschiedlichen Ländern, sind unterschiedlichen Glaubens. Diese Situation ist nicht einzigartig, auch an der Ulmenstraße leben alleinstehende Männer. Der Unterschied zur Lagerhalle der Messe: Die Männer an der Ulmenstraße leben dort in Zelten, sie haben aber eine Küche und versorgen sich selbst. Und die Unterkunft ist halb so groß wie die Messehalle.

Die Folgen Alle Bewohner der abgebrannten Unterkunft wurden auf andere, insbesondere an der Rossstraße verteilt. Die ist nun überfüllt. Bis Ende kommender Woche will die Flüchtlingsbeauftragte eine Lösung finden. Bis dahin kommen keine Neuzugänge nach Düsseldorf. Neue Wohnmodule mit mehr Privatsphäre werden frühestens im zweiten Halbjahr fertig.

Brand in Düsseldorf: Löschung des Feuers in der Flüchtlingsunterkunft
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So wurde das Feuer in der Düsseldorfer Flüchtlingsunterkunft gelöscht

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Foto: dpa, ve kno

Was wir nicht wissen

Das Motiv Aus den Reihen der Betreuer wird kolportiert, Mohamed B. habe Schokoladenpudding gewollt und nicht bekommen, anderen Quellen zufolge soll es um Nutella fürs Ramadan-Frühstück gegangen sein. Schokolade als Auslöser für eine Tat, die den Tod von mehr als 100 Menschen riskiert? Schwer vorstellbar.

Die Identitäten Mohamed B. hat sich in der Düsseldorfer Unterkunft unter einem Aliasnamen gemeldet. Auch andere Beschuldigte lebten dort unter anderen als den Namen, die sie bei der Registrierung angegeben haben. Welche korrekt sind, ist nicht sicher. Zumal es auch Registrierungen in anderen europäischen Ländern gegeben haben kann - unter wieder anderen Namen. Auch Mohamed B. soll sich früher bereits in Italien als Flüchtling registriert haben. Internationale Abgleiche gibt es nicht, einer Fingerabdruck-Datei für die Flüchtlinge steht der Datenschutz entgegen.

Die Konsequenzen Im Fall einer Verurteilung könnten die nordafrikanischen Täter abgeschoben werden - vor oder nach Verbüßung der Strafe. Ob das tatsächlich geschieht, ist unklar; die Abschiebepraxis läuft längst nicht so wie politisch gewollt. Auch die Dauer der Asylverfahren für Flüchtlinge ohne Chance auf Anerkennung ist noch immer zu lang - sonst wären die nordafrikanischen Verdächtigen gar nicht erst in das städtische Quartier gekommen. Ob die Düsseldorfer Brandstiftung den Druck auf die Bürokratie erhöht, ist ungewiss. Und das Schlimmste: Die Auswirkungen der bösartigen Tat einer kleinen Gruppe auf das Ansehen der Schutzsuchenden in der Stadtgesellschaft, sind nicht absehbar.

(sg)
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