Dickjan Poppema und Fabian Kirner Grey-Rekord: 14 Löwen in Cannes

Düsseldorf · Düsseldorfs größte Werbeagentur hat bei dem angesehensten Wettbewerb der Branche in Cannes so viele Preise gewonnen wie nie zuvor. Trotzdem knapst die Agentur noch an dem Absprung des Großkunden Allianz-Versicherung.

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Herr Poppema, die Löwen in Cannes sind die wohl begehrtesten Preise der Werbebranche. Bislang war es Ihnen kaum gelungen, dort wirklich zu punkten. Wie sieht es dieses Jahr aus?

Poppema Wir haben dieses Jahr 14 Löwen in Cannes gewonnen und wir können bei aller Bescheidenheit sagen, dass das der größte Erfolg war, den wir dort je erreichten. Vieles davon haben wir dem Kreativchef Fabian Kirner zu verdanken, und seinem Team. Es war eine richtige Entscheidung, ihn zu Grey an Bord zu holen.

Herr Kirner, wie viele Löwen hatten Sie in den Vorjahren gewonnen?

Kirner Im vergangenen Jahr hatten wir zwei, davor längere Zeit gar keinen. Wir hatten da sicher Defizite. Aber die haben wir inzwischen wettgemacht. Wir hatten uns vorgenommen, unter den Düsseldorfer Werbeagenturen wieder der Platzhirsch zu werden. Und dass wir dabei auf dem richtigen Weg sind, haben wir jetzt auch in Cannes bewiesen.

Für welche Projekte haben Sie die Löwen 2014 bekommen?

Kirner Die höchste Kategorie, noch vor Gold, Silber und Bronze, ist bei den Cannes-Löwen der Grand Prix. Und einen solchen haben wir für unser Projekt "Berlin Wall of Sound" erhalten. Das ist ein akustisches Mauer-Mahnmal fürs Internet. Das Konzept dazu stammt von den Berliner Grey-Kreativen, die bei der Umsetzung auf den Spieler von Soundcloud zurückgegriffen haben. Dabei nutzen wir die typischen Funktionen von Soundcloud - etwa, um die Form der Berliner Mauer mit ihren Wachtürmen auf akustischer Ebene zu rekonstruieren. Auch Visual Tracks werden verwendet, wobei unterschiedliche Bilder mit der Tonspur synchronisiert werden. Statt mit Nutzer-Kommentaren wurde die Tonspur mit Maueropfern sowie deren genauen Todesursachen markiert. Das Ding ist genau 7:32 Minuten lang - so lang, wie der Schall gebraucht hat, um die ursprünglich 155 Mauer-Kilometer zu umrunden.

14 Cannes-Löwen schön und gut, aber es gibt insgesamt mehr als 1000. Ist die Auszeichnung trotzdem etwas Besonderes?

Kirner Definitiv. Sie müssen bedenken, dass es zwar 1100 Löwen gibt, dazu gab es aber mehr als 40 000 Einreichungen, ungefähr zweieinhalb Prozent der eingereichten Ideen, wurden also überhaupt prämiert. Und nur fünf Prozent der Löwen sind goldene. Wir können zurecht stolz auf uns und unsere Kreativspitze sein. Das ist das beste Ergebnis in 62 Jahren Wettbewerb in Cannes und Grey.

Wo sehen Sie Grey heute?

Poppema Als ich Grey 2013 übernommen habe, war die Agentur im Keller. Damals haben wir unsere Pressekonferenz deshalb demonstrativ in der Tiefgarage hier am Platz der Ideen gegeben. Ich hatte das Ziel ausgegeben, das Grey in die Top 10 der Agenturen aufsteigt. 2014 waren wir schon unter den Top 25. Jetzt sind wir unter den Top 10.

Die Cannes-Löwen sind Kreativpreise, Glückwunsch dazu. Aber sieht Grey wirtschaftlich auch so rosig aus, wie Sie es schildern - nach dem Verlust des Großkunden Allianz?

Poppema Der Verlust von Allianz hat uns hart getroffen, das stimmt schon. Aber es ist uns gelungen, ohne größere Kündigungen diesen Verlust zu kompensieren. Einige der 40 Mitarbeiter, die am Projekt Allianz gearbeitet haben, haben Grey verlassen. Die allermeisten aber sind in anderen Teams intern untergekommen.

Wie ist Ihre Prognose für das laufende Jahr?

Poppema Das Jahr läuft nach Plan. Das heißt konkret: Dieses Jahr wird es kein Wachstum geben. Das ist vor allem dem verlorenen Großkunden Allianz geschuldet. Den mussten wir kompensieren.

Ist Ihnen das gelungen?

Poppema Wir konnten diverse Neukunden akquirieren, herausragend ist die Deutsche Knochenmarkspenderdatei DKMS, die Stammzellspenden an Patienten vermittelt, die an Blutkrebs erkrankt sind. Die Gewinne an Neukunden sind allerdings nicht so groß, dass sie einzeln betrachtet Allianz ersetzen können. Wir arbeiten weiter daran, aber die großen Fische sind leider auch die seltenen.

Eine ganze Zeit lang hatte Grey ein Fluktuationsproblem. Es gingen zu viele Leute und leider auch eher die Guten. Wie sieht es heute aus?

Poppema Fluktuation in einer Werbeagentur ist grundsätzlich erstmal was Gutes. 15 Prozent Fluktuation beim Personal pro Jahr sind gesund. Unter zehn Prozent sind nicht mehr gesund - und mehr als 25 Prozent ebenso. Wir liegen heute bei knapp unter 20 Prozent, das ist noch akzeptabel.

Erklären Sie uns, warum es gesund sein soll, wenn jeder fünfte Mitarbeiter pro Jahr das Unternehmen verlässt.

Kirner Der Wechsel bringt vor allem frische Ideen in die Agentur. Und wenn unsere Leute von anderen Agenturen abgeworben werden, ist das doch ein Zeichen, dass wir gute und begehrte Leute haben. Das ist wie im Einzelhandel. Ein Geschäft, in dem der Ladendiebstahl bei null Prozent liegt, der hat mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Warensortiment, dass nicht mal zum Klauen anreizt.

Wie wird sich die Fluktuation bei Grey dieses Jahr entwickeln?

Poppema Die Personalfluktuation geht dieses Jahr wieder runter. Der Anstieg auf knapp 20 Prozent ist auf die Sache mit der Allianz zurückzuführen, das sind die Nachwehen. Die Hire-and-Fire-Kultur möchte ich nicht. Unsere Mitarbeiter sollen sich auch sicher fühlen, das ist Teil der neuen Grey-Kultur. Das war früher sicherlich anders.

Das Thema digitaler Wandel krempelt gerade nahezu jede Branche auf links. Wie hoch ist heute Ihr digitaler Anteil am Umsatz?

Poppema Darauf lasse ich mich nicht festnageln, weil ich das nicht sagen kann. Wir haben keine Trennung mehr zwischen digitalem und klassischem Geschäft. Natürlich gibt es noch TV-Spots und Printwerbung. Aber im Grunde kommt heute alles aus einer Hand. Digital und Analog sind zusammengewachsen bei Grey. Das würde ich Ihrer Branche übrigens auch empfehlen.

Die Cannes-Löwen waren für Sie ein Meilenstein, das haben wir verstanden. Was ist das nächste Ziel, das sie erreichen wollen?

Poppema In Brüssel werden bald die Euro-Effies verliehen. Das sind angesehene Preise für effektive und effiziente Werbung, die in mindestens drei Ländern erfolgreich war. Wir haben dort drei Einreichungen gemacht. Und ich bin sehr sehr sehr zuversichtlich, dass das zu drei Siegen führen wird (lacht).

THORSTEN BREITKOPF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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