Norbert Wesseler "Grand Départ hat Spaß gemacht"

Düsseldorf · Der Großeinsatz beim Start der Tour der France wird aber nicht der Maßstab für andere Veranstaltungen in der Stadt sein, sagt Düsseldorfs Polizeipräsident.

 Ab und zu kann man sich einer Herausforderung wie dem Grand Départ schon mal stellen, sagt der Polizeipräsident.

Ab und zu kann man sich einer Herausforderung wie dem Grand Départ schon mal stellen, sagt der Polizeipräsident.

Foto: Andreas Bretz

Ein gutes halbes Jahr hat sich die Polizei auf den Einsatz beim Grand Départ vorbereitet. Hat sich der Aufwand gelohnt?

Norbert Wesseler Tatsächlich fingen unsere Vorbereitungen schon im vergangenen Jahr an. Da waren Kollegen in Bern, um sich eine vergleichbare Etappe der Tour de France dort anzuschauen. Die gründliche Vorbereitung war sehr wichtig, und im Nachhinein kann man als Polizist auch durchaus stolz darauf sein, das alles so gestemmt zu haben.

Im öffentlichen Fokus stand vor allem die mögliche Terrorgefahr bei der Tour. Zu Recht?

Wesseler Ich denke ja. Die Tour de France ist ein Weltsportereignis, der Start in Düsseldorf verknüpfte Frankreich und Deutschland - ein Anschlag am ersten Tag der Tour in Düsseldorf hätte einem Terroristen einen weltweiten Hype garantiert.

3500 Beamte waren sichtbar im Einsatz, dazu noch mal etliche in Zivil oder im Hintergrund. Waren das zu viele?

Wesseler Ich glaube nicht. Rückblickend lässt sich so etwas immer leicht sagen. Aber bei allem, was wir vorher wussten, war unser Einsatz angemessen.

Der neue NRW-Innenminister hat dieser Tage von 211 bekannten sogenannten Gefährdern in NRW gesprochen. Wie viele musste die Düsseldorfer Polizei denn während der Tour im Auge behalten?

Wesseler Alle. Wir waren als Behörde federführend für den Einsatz im ganzen Land, also für den Streckenverlauf durch ganz NRW - folglich waren wir auch für sämtliche Gefährder zuständig.

Und die wurden alle beschattet?

Wesseler Ein gutes Dutzend wurde tatsächlich überwacht, andere hatten Meldeauflagen.

Wer entscheidet so etwas?

Wesseler Wir standen ja schon im Vorfeld auch mit unserem Verfassungsschutz und Bundesbehörden in Verbindung, die wiederum internationale Erkenntnisse sammeln - ich will und werde da nicht ins Detail gehen, aber wir waren gut informiert.

Das klingt nach einem immensen Aufwand vor allem für den Staatsschutz.

Wesseler Das war es auch. Für die Überwachung des genannten Dutzends an den drei Tagen waren allein 400 Beamte im Einsatz. Die eigentliche Herausforderung bestand aber darin, flexibel für ungeplante Aufgaben zu bleiben.

Wie die am Tag der Präsentation, als die Spezialeinheit an der Rheinkniebrücke Verdächtige gestoppt hat?

Wesseler Zum Beispiel. Das war ein Fahrzeug, das ein unter Beobachtung stehender Mann steuerte, der stand. Was er und seine vier Mitfahrer, unter denen ein weiterer bekannter Gefährder aus Rostock war, genau vorhatten, wissen wir nicht. Wohl aber, dass sie definitiv in dem "roten Bereich" waren, in dem wir sie nicht haben wollten.

Was ist aus den Männern geworden?

Wesseler Sie hatten angegeben, zur Arbeit zu wollen - das haben wir nicht widerlegen können. Also blieb es bei dem Bereichbetretungsverbot ohne weitere juristische Folgen - sie hatten ja keine Straftat begangen.

Haben die französischen Kollegen den Staatsschutz unterstützen können? Die sind ja in Sachen Terror leidgeprüft.

Wesseler Tatsächlich lag deren Schwerpunkt beim Grand Départ in Düsseldorf eher weniger auf Terror-Abwehr, sondern mehr auf der Streckensicherheit, also auf verkehrlichen Dingen.

Sie sprachen gerade von einem "roten Bereich". Was ist das?

Wesseler Wir hatten sozusagen um den gesamten Streckenverlauf in NRW eine gedachte rote Linie gezogen, hinter der wir bestimmte Personen nicht haben wollten. Wir hatten immer Mobile und Spezialeinsatzkommandos in der Nähe, um das notfalls durchzusetzen. Auch das überwachte der Staatsschutz.

Bloß gut, dass Sie die Abteilung kürzlich aufgestockt haben.

Wesseler Wir haben 14 zusätzliche Stellen für den Staatsschutz bekommen, das ist richtig. Leider wurden uns drei davon aber nach einer Neuberechnung des Ministeriums wieder weggenommen. Das ist vor allem deshalb bedauerlich, weil die Arbeit des Polizeilichen Staatsschutzes für uns auch unabhängig von der Tour de France ein Schwerpunkt ist.

Ist das wirklich notwendig?

Wesseler Es gibt viele Bezüge bekannter Terroristen nach Düsseldorf und in unsere Region. Denken Sie an den Attentäter von Manchester, der über Düsseldorf reiste, oder Anis Amri, der in Kleve lebte, bevor er den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt verübte. Gerade verhandelt das Oberlandesgericht über die Pläne zu einem auf unsere Altstadt geplanten Attentat, vor einigen Jahren gab es die so genannte Düsseldorfer Zelle, die in Bilk konkrete Vorbereitungen zu einem Anschlag traf. Wir müssen uns selbstverständlich darauf einstellen, dass potenzielle Attentäter auch hierher kommen.

Heißt das, die rote Linie zieht der Staatsschutz künftig um jede Großveranstaltung? Gab es die auch bei der Kirmes?

Wesseler Nichts gegen die Kirmes, aber das Gefährdungspotenzial bei der Tour de France, das ich eben beschrieben habe, ist sicher um ein vielfaches höher als beim Schützenfest. Die Kirmes haben wir durch andere Maßnahmen gesichert.

Lkw-Sperren, mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten - bleibt das künftig so?

Wesseler Wir werden für jede Veranstaltung immer neu entscheiden, was wie nötig ist. Und natürlich kann man auch über andere Lösungen nachdenken, etwa versenkbare Lkw-Sperren, die bei Bedarf hochgefahren werden können. Dann sieht das alles vielleicht auch nicht mehr so bedrohlich aus. Ich möchte aber auch ganz ehrlich sagen, dass ich mir schon wünsche, dass wir das alles auch mal wieder etwas zurückfahren können.

Zurück zu Veranstaltungen ohne Sicherheitskonzept?

Wesseler Die Sicherheitskonzepte sind ja nicht wegen terroristischer Bedrohungen zur Pflicht geworden, sondern durch das Unglück bei der Love Parade. Und sie sind seitdem immer besser geworden - wir lernen aus jedem Ereignis, und wir lernen sehr schnell. Beispiel Japantag: Da gab es 2016 Probleme, weil es einfach zu voll war. Daraufhin wurden die Wegführungen verändert, und dieses Jahr funktionierte es dann wieder richtig gut.

Das macht aber nicht die Polizei alleine.

Wesseler Im Gegenteil. Verschiedene städtische Ämter, Feuerwehr, Rheinbahn - da sind viele mit im Boot. Und wir haben hier in Düsseldorf eine sehr gute Gesprächskultur sowohl bei der Vor- als auch bei der Nachbereitung solcher Einsätze. Das garantiert, dass neu Gelerntes auch in die nächste Planung einfließt.

Jetzt haben alle Tour de France gelernt - sollen wir die dann auch öfter machen?

Wesseler Man muss nicht jedes Jahr jedes Ereignis der Welt in Düsseldorf haben. Aber dieser Einsatz war natürlich eine große Herausforderung, die auch Spaß macht. Und der man sich durchaus ab und zu stellen kann.

Stefanie Geilhausen und Uwe-Jens Ruhnau führten das Gespräch.

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