Düsseldorf Geisels als Wollersheims in der Kritik

Düsseldorf · Die Gleichstellungsbeauftragte von Köln findet es "unmöglich", dass ein Oberbürgermeister sich nach den Silvester-Ereignissen als Zuhälter verkleidet. Ihre Düsseldorfer Amtskollegin sieht das Kostüm als Werbung fürs Milieu.

Karneval 2016: Impressionen von der TV-Sitzung in Düsseldorf
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Was Karnevalskostüme angeht, zeigen sich Oberbürgermeister Thomas Geisel und seine Frau Vera äußerst kreativ: Sie waren schon als Quasimodo und Esmeralda, als Karl Lagerfeld und Musenkätzchen, als Charlie Chaplin und Marlene Dietrich (als Blauer Engel) unterwegs. Doch über keine ihrer Verkleidungen wurde so kontrovers diskutiert wie über die zur WDR-Fernsehsitzung am vergangenen Freitag: Geisel ging als Düsseldorfer Rotlichtgröße Bert Wollersheim, seine Gattin als offenherzige Sophia - mit künstlichem drallen Dekolleté.

Karneval in Düsseldorf 2015: TV-Sitzung mit Brings und Prinz
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Karneval in Düsseldorf 2015: TV-Sitzung mit Brings und Prinz

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Foto: Anne Orthen

Das wurde selbst in der Karnevalshochburg rheinaufwärts zum Thema: Im Hauptausschuss, der zu den Vorfällen in der Silvesternacht im Kölner Rathaus tagte, fand die Gleichstellungsbeauftragte Christine Kronenberg klare Worte. Es sei "unmöglich", dass ein Oberbürgermeister sich einige Tage nach den massenhaften sexuellen Übergriffen als Rotlichtgröße verkleide und seine Frau Plastikbrüste trage. Kronenberg machte den Politikern klar, dass als Konsequenz aus den Übergriffen in jener Nacht nicht die Frauen ihr Verhalten, sondern die Täter - vornehmlich Männer aus dem nordafrikanischen Raum - ihre Einstellung gegenüber Frauen ändern müssten.

"Das müssen wir nicht nur in deren, sondern in alle Köpfe bringen", sagt Kronenberg im Gespräch mit unserer Redaktion. Und das fange mit dem Frauenbild in der Öffentlichkeit an. Sie ärgere sich über Plakate eines Düsseldorfer Sauna-Clubs in Köln, das "100 Girls von 11 bis 5 Uhr anbiete". Das suggeriere, dass Frauen käuflich, also Ware seien. Ein als Ex-"Manager" solcher Etablissements verkleideter Rathaus-Chef und Gattin transportierten ein solches Bild.

Ähnlich argumentiert auch Kronenbergs Düsseldorfer Kollegin, die städtische Gleichstellungsbeauftragte Elisabeth Wilfart. Grundsätzlich sei im Karneval alles erlaubt. Aber Wollersheim habe Bordelle betrieben, da gehe es um Prostitution und Frauenhandel. "Das ist ein verabscheuungswürdiges, grausiges und trauriges Geschäft", sagt Wilfart, deren Chef Geisel ist. "Dafür sollte man nicht Werbung machen." Sie weiß, wovon sie spricht, hatte sie doch zehn Jahre lang in Dortmund die Beratungsstelle für Prostituierte geleitet. "Das hat mit bieder nichts zu tun", man müsse sich aber dessen bewusst sein, dass man auch mit einem solchen Kostüm Werbung für dieses Gewerbe mache.

"Das ist unpassend und unangemessen, gerade in der jetzigen Situation", sagt Mari Uhlig, Geschäftsführerin des Frauenforums. Eine solche Verkleidung berge die Gefahr, dass die Problematik der Prostitution nicht ernst genommen werde. Geisel habe erst vor kurzem ein sehr gutes Statement zum europäischen Plan für Chancengleichheit in Düsseldorf abgegeben. Umso erstaunlicher sei für sie gewesen, dass er mit der Wahl des Kostüms so wenig Fingerspitzengefühl zeige.

Luzia Kleene von der Frauenberatungsstelle sieht das deutlich gelassener: "Die Frage ist doch, wie streng die political correctness im Karneval bleiben muss." In dieser Zeit schlüpfe man in Rollen; wichtig sei nur, dass man danach wieder aus der Rolle herausfinde. "Ich sehe keinen Grund für Aufregung", sagt Kleene. Weil das Thema derzeit aber sensibel sei, könne es natürlich bei manchen falsch ankommen.

"Der moralische Zeigefinger ist im Karneval nicht angebracht", sagt auch FDP-Chefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. "Jeder muss dann aber mit den Reaktionen leben." Ordensschwestern seien sicherlich auch zutiefst betroffen, wenn Männer als Nonnen verkleidet durch die jecke Zeit liefen. Wenn man beginne, darüber zu diskutieren, müsse man den Karneval abschaffen. "Oder wir gehen alle nur noch als Clowns verkleidet. Das ist unverfänglich."

(dr)
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