Kolumne die Woche im Rathaus Geisel macht Gags übers Geld

Düsseldorf · Der Oberbürgermeister schießt gegen die Schuldenfreiheit, weil er eine Mehrheit für neue Kreditaufnahmen benötigt.

 Oberbürgermeister Thomas Geisel ist es egal, ob am Rathaus eine Schuldenuhr läuft. "Die Stadt war nie wirklich schuldenfrei", sagt er.

Oberbürgermeister Thomas Geisel ist es egal, ob am Rathaus eine Schuldenuhr läuft. "Die Stadt war nie wirklich schuldenfrei", sagt er.

Foto: A. Endermann

Die Jahre nach dem Jahrtausendwechsel waren für Düsseldorf gute Jahre. Die wirtschaftliche Schuldenfreiheit hat dazu wesentlich beigetragen. In den neunziger Jahren hatte sich der Stadtkämmerer noch vor die Politiker gestellt und beklagt, jeden Tag eine Million Mark für den Schuldendienst der Stadt ausgeben zu müssen. Was hätte man mit dem Geld nicht alles anfangen können! Aber nein, es gab Schulden abzutragen und obendrein dafür Zinsen zu bezahlen. Aber dann, nach dem Verkauf von Stadtwerke-Anteilen und RWE-Aktien sowie der Entschuldung, stand dieses Geld tatsächlich für neue Investitionen zur Verfügung: Düsseldorf nahm nicht mehr Kredite auf, sondern bezahlte Schulrenovierungen und neue Museen etc. aus dem Portemonnaie.

Der amtierende Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) hat von Anfang an diese Schuldenfreiheit denunziert. Er gibt sich jetzt alle Mühe, dies in NRW und bundesweit zu tun. Jüngst grantelte er im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger, ihm sei egal, ob die Schuldenuhr am Rathaus laufe. Und der Süddeutschen Zeitung sagte er jetzt: "Die Stadt war nie wirklich schuldenfrei. Das war vor allem ein Marketing-Gag meiner Vorgänger."

Ein Marketing-Gag? Wenn man nur halbwegs der Wahrheit die Ehre gibt, dann ist die Startetappe der Tour de France in Düsseldorf ein Marketing-Gag, die Herstellung der wirtschaftlichen Schuldenfreiheit aber war vor allem politischer Kampf und Kärrnerarbeit, die vor allem einer geleistet hat: Joachim Erwin (CDU). Im Fall Stadtwerke gab es harte Widerstände, ein Bürgerentscheid war zu gewinnen und obendrein, als die zweite Tranche der Anteile verkauft werden sollte, die Belegschaft der Stadtwerke zu düpieren. Da war die Grenze des moralisch Vertretbaren überschritten. Erwin hatte jedoch nicht die Scheu, sich die Finger schmutzig zu machen, und er war - zurückhaltend ausgedrückt - im Umgang teils schwierig. Aber: Er war durchsetzungsstark, hatte viel Kompetenz und Gestaltungswillen. Ertrag und Vorteile seiner Regierungszeit (1999-2008) überstrahlen die Fehlentscheidungen deutlich.

Thomas Geisel hat Erwin zu einem Vorbild erklärt, und in einigem ähnelt er ihm auch. Fleiß und Agilität sind ihm ebenso eigen, mit Jura- und Politikstudium sowie Master in öffentlicher Verwaltung ist er sogar besser ausgebildet. Aber politisch kann er ihm das Wasser noch lange nicht reichen. Die wirtschaftliche Schuldenfreiheit als Marketing-Gag zu bezeichnen, ist eine kommunalpolitische Bankrotterklärung. Dafür hat sie der Stadt zu viel ermöglicht und die Lebensqualität zu deutlich erhöht. Die soziale, sportliche und kulturelle Infrastruktur konnte auf ein bis dato nicht gekanntes Niveau gehoben werden. Die Gratis-Kita ist dafür ein gutes Beispiel.

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Foto: Hans-Jürgen Baue

Geisels Kritik am Begriff Schuldenfreiheit war eigentlich zunächst akademisch, eben weil die Rheinbahn ein städtisches Tochterunternehmen ist und für neue Straßenbahnen oder Busse Schulden aufnimmt. Die Befürworter haben darauf hingewiesen, dass die "wirtschaftliche Schuldenfreiheit" den städtischen Kernhaushalt mit den vielen laufenden Ausgaben meint, die die Stadt zu bewältigen hat. Mit Blick darauf war der Begriff ein Instrument, mit dem sich die Politiker selbst disziplinierten. Denn sie können ja eines besonders gut: Wünsche anmelden, den Bürgern viel versprechen und sich für ihre Wohltaten feiern lassen. Es hatte die Konsequenz, dass nicht nur die CDU, sondern auch FDP und Grüne - heute Mitglieder der Ampel-Kooperation - kurz vor der Kommunalwahl im Stadtrat gemeinsam für die Schuldenbremse stimmten.

Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte schafft kurz- und mittelfristig Gestaltungsräume, langfristig schränkt sie sie ein. Als das Rheinstadion abgerissen wurde, waren die Kredite für den Bau gerade erst abbezahlt. Geisel aber schwärmt geradezu von neuen Schulden. Die Botschaft, die er aussendet, lautet: Kredite sind okay, die Zinsen sind niedrig, wir schaffen Werte. Das ist zu wenig für einen Oberbürgermeister, abgesehen davon, dass ihm mit dem angekündigten Ausstieg der FDP im Fall neuer Schulden die Ratsmehrheit verlustig geht. Geisel kritisiert zu Recht, dass die Rücklagen von fast 600 Millionen Euro in den letzten Jahren aufgebraucht wurden, aber er hat nun eine andere Aufgabe: Er muss einen Plan für die nächsten zehn Jahre entwerfen, der klarmacht, wie er investiert und langfristig Handlungsspielräume erhalten will. Dazu gehören unangenehme Botschaften, das ist klar. Aber dies hilft mehr (auch finanziell), als städtische Töchter auszupressen und dort die Geschäftsführungen zu drangsalieren. Der OB muss nun selbst Konzepte vorlegen - und keine Gags.

(ujr)
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