Düsseldorf Flüchtlingskinder brauchen eigene Klassen

Düsseldorf · CDU und Pädagogen kritisieren Unterricht in Regelklassen bei älteren Schülern. Sie fordern mehr Stellen vom Land.

 Mohammad Amit Islam aus Bangladesch (l.) und Aksum Veliev aus Bulgarien - hier im praktischen Werkunterricht - besuchen das Franz-Jürgens-Berufskolleg. Ihre Klasse, die BG 1.3, besteht aus Flüchtlingen und Zuwanderern.

Mohammad Amit Islam aus Bangladesch (l.) und Aksum Veliev aus Bulgarien - hier im praktischen Werkunterricht - besuchen das Franz-Jürgens-Berufskolleg. Ihre Klasse, die BG 1.3, besteht aus Flüchtlingen und Zuwanderern.

Foto: Anne Orthen

Der Schulbesuch von Flüchtlingen sorgt für Streit. Grund sind die randvollen besonderen Förderklassen, in denen ältere Kinder und Jugendliche aus aller Herren Länder als so genannte Seiteneinsteiger unterrichtet werden. Es geht um junge Menschen, die gar nicht oder noch nicht so gut Deutsch sprechen. Offenbar werden inzwischen einige der jungen Zuwanderer in regulären Klassen versorgt, um ihnen überhaupt einen Schulbesuch zu ermöglichen. In Grundschulen gehört das zum Konzept, in weiterführenden Schulen aber nicht. Dort setzt man auf separate Seiteneinsteiger-Klassen.

"Ein Unding. Der junge Flüchtling bleibt in Regelklassen auf sich gestellt, erfährt nicht die Förderung, die er braucht. Wenn er älter als zehn oder elf Jahre ist, geht er als Einzelner unter lauter Muttersprachlern unter", sagt CDU-Ratsherr Pavle Madzirov. Im Schulausschuss hatte seine Fraktion vor ein paar Tagen deshalb wissen wollen, wie viele Seiteneinsteiger-Kinder inzwischen in Regelklassen unterrichtet werden. Doch Schuldezernent Burkhard Hintzsche, seine Amtsleiterin Dagmar Wandt und die zuständige Beamtin der unteren Schulaufsicht Angela Kirchhoff, blieben eine konkrete Antwort schuldig. "Zu den Seiteneinsteigern zählen auch gemeinsam mit ihren Eltern zugewanderte Kinder aus europäischen Ländern wie Spanien und Griechenland, die noch kein Deutsch können. Flüchtlinge werden nicht eigens ausgewiesen", argumentierten die Beamten. Doch das genügte dem oppositionellen Ratsherrn nicht: "Nennen Sie doch einfach die Gesamtzahl derer, die inzwischen Seiteneinsteiger- beziehungsweise Regelklassen besuchen!"

Tatsache ist: Allein im laufenden Schuljahr wurden 970 Jungen und Mädchen eigenen Seiteneinsteigerklassen beziehungsweise Fördergruppen in Regelklassen (meist an Grundschulen) neu zugewiesen. Demgegenüber stehen aber für Düsseldorf nach derzeitigem Stand nur sieben neue Lehrerstellen für Integrationsspezialisten. Sie gehören zu jenen 300 Integrationsstellen, die Nordrhein-Westfalen bis 2017 für Förderklassen und -gruppen landesweit zusätzlich bereitstellen will. "Ein dramatisches Sparprogramm zulasten der Schulen. Auch wenn das Land ankündigt, darüber hinaus schon vorhandene Stellen umzuwidmen. Die fehlen ja dann woanders", meint Madzirov.

Mit ihrer Kritik stehen die Christdemokraten nicht alleine. Seit Jahren unterrichtet Ariane Heimig Flüchtlinge und andere Zuwanderer zwischen 16 und 22 Jahren am Franz-Jürgens-Berufskolleg in Bilk. 160 junge Frauen und Männer sind das inzwischen. 90 besuchen die sechs Seiteneinsteiger-Klassen, der Rest kann inzwischen so gut Deutsch, dass er in reguläre Klassen wechseln durfte. Meist ist das nach zwei Jahren der Fall. "Für diese Klassen brennt man", sagt die 48-jährige Pädagogin.

Nicht selten haben die Jugendlichen ihre Eltern bereits im Heimatland verloren, oder sie sind von ihrer Familie in einem Akt der Verzweiflung allein auf die gefährliche Flucht geschickt worden und haben Deutschland als "unbegleitete minderjährige Flüchtlinge" erreicht. Eigentlich sollen nicht mehr als 15 Seiteneinsteiger die Erstförderklassen besuchen. "Natürlich werden wir gedrängt, mehr aufzunehmen, weil es an Kapazitäten fehlt", sagt die Pädagogin, die neben Deutsch als Fremdsprache auch Politik und Wirtschaftslehre unterrichtet. Dass ältere Neuankömmlinge nun offenbar auch direkt in Regelklassen unterrichtet werden, findet sie falsch. "Für eine einzelne Politikstunde, in der es um Flucht und Vertreibung geht, kann das Sinn machen. Aber sonst gilt: Diese jungen Menschen brauchen gerade zu Beginn ganz dringend eine eigene Förderung."

Politiker Madzirov fordert nun Konsequenzen: "Die Schulen brauchen sofort mehr Personal. Oberbürgermeister Thomas Geisel sollte die Verantwortlichen im Land in die Pflicht nehmen."

(RP)
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