Flüchtlinge in Düsseldorf Zuflucht in der Schulsporthalle

Düsseldorf · An der Kalkumer Straße in Unterrath leben zehn Flüchtlingsfamilien aus verschiedenen Ländern - und sind schon eine Gemeinschaft.

  Denisa aus Albanien spielt mit ihrem Sohn Ball in der Turnhalle. Die Krankenschwester ist mit Mann und zwei Kindern nach Deutschland gekommen - und möchte hier gerne arbeiten.

Denisa aus Albanien spielt mit ihrem Sohn Ball in der Turnhalle. Die Krankenschwester ist mit Mann und zwei Kindern nach Deutschland gekommen - und möchte hier gerne arbeiten.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Roaa ist erst seit zwei Monaten in Deutschland, aber zählen kann die sechsjährige Syrerin schon perfekt in der neuen Sprache: "Eins, zwei, drei ..." - bis zehn kommt sie, dann muss sie lachen. Ihre Schwester Raxan (5) macht es ihr nach. Und schon toben die Mädchen wieder ausgelassen mit ein paar anderen Kindern aus den Nachbarzelten. Zehn solcher Zelte hat das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in der Turnhalle einer früheren Schule an der Kalkumer Straße in Unterrath aufgebaut. Seit Freitag leben hier 50 Flüchtlinge, etwa die Hälfte davon Kinder. Auch drei Babys sind dabei.

In der Garderobe vor den Damenduschen trocknet Kinderwäsche. An einer Wand hängen die Zeiten für Frühstück, Mittag- und Abendessen aus. "Wir wollen dem Tag eine feste Struktur geben", sagt Dirk Neunzig vom DRK. Er bewegt sich wie ein Mitglied zwischen den Familien, stellt vor einem Zelt eine Tasche mit Decken ab, hört sich vor einem anderen die Sorgen an, tätschelt Kinderköpfe. Tatjana Yurchenko vom Catering-Team, die Russisch und Deutsch spricht, deshalb auch mal übersetzt, hat das Mittagsgeschirr von den Biertischen geräumt. Es gab Kartoffelbrei, Schnitzel, Nudeln und Pudding. Einige Bewohner rauchen im Hof, andere sitzen an den Tischen, die Kinder spielen oder machen Mittagsschlaf. Es wirkt wie eine eingespielte Gemeinschaft. Dabei lebt man erst seit vier Tagen unter einem Dach.

Nadia war im Irak Lehrerin, sie ist mit ihrem Bruder Ahmed (l.) und ihren Söhnen Muhamin und Aws (r.) geflohen.

Nadia war im Irak Lehrerin, sie ist mit ihrem Bruder Ahmed (l.) und ihren Söhnen Muhamin und Aws (r.) geflohen.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Die Familien stammen aus Syrien, Albanien, Tschetschenien, aus der Mongolei, dem Irak und aus Aserbaidschan. Sie gehören zu jenen 150 Flüchtlingen, die Düsseldorf vergangene Woche kurzfristig vom Land zugewiesen wurden. Sie sind in Turnhallen untergebracht worden, die von den Schulen wegen der Ferien derzeit nicht benutzt werden. "Es kann sein, dass es einige Wochen zu Überlappungen mit dem Schulbetrieb kommt", sagt die städtische Flüchtlingsbeauftragte Miriam Koch.

Für die meisten in der Unterrather Turnhalle wäre es dann ein weiterer Umzug von vielen. Roaa und Raxan sind mit ihren Eltern aus Syrien geflohen. Es ist eine dramatische Geschichte, die ihr Vater Mustafa schildert. Vom Libanon aus sei die Familie übers Meer geflohen. Das Boot mit 120 Menschen an Bord kenterte, von einem Schiff eines türkischen Unternehmens seien sie gerettet worden. Seinen vollen Namen will er nicht nennen, sich auch nicht fotografieren lassen. Zu groß ist die Sorge, dass seinen Angehörigen in Syrien Repressionen drohen könnten. Er sei Damenschneider, sagt Mustafa, zückt das Handy und zeigt Fotos: prächtige Abend- und Hochzeitskleider, die auch in Düsseldorfer Boutiquen hängen könnten.

In der Garderobe vor den Damenduschen trocknet die frisch gewaschene Wäsche.

In der Garderobe vor den Damenduschen trocknet die frisch gewaschene Wäsche.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Nadia, die im Zelt gegenüber wohnt, übersetzt ins Englische, was die syrische Familie erzählt. Sie selbst ist Lehrerin, floh mit ihren beiden Söhnen - Aws (4) und Muhamin (16) - und ihrem Bruder Ahmed (24) aus dem Irak. Ahmed ist schwer geschädigt durch ein Trauma, nachdem neben ihm eine Bombe explodiert war. Mit dem Boot kamen sie aus der Türkei nach Griechenland, waren wochenlang zu Fuß unterwegs. Jetzt leben sie in der Turnhalle in einem Zelt mit Stockbetten und ohne Kleiderschrank. Was ihnen fehlt? "Ein Fernseher", sagt Nadia.

Denisa aus Albanien ist mit ihrem Mann und zwei Kindern seit zwei Monaten in Deutschland - und schon viermal umgezogen: Bremen, Bielefeld, Bad Driburg, Düsseldorf. "Ich bin Krankenschwester und möchte in Deutschland arbeiten", sagt sie. Haus, Auto, Geld - "alles haben wir zurückgelassen", sagt Basheva, die mit ihrem Mann und drei Kindern aus Tschetschenien geflohen ist. Jetzt sorgt sie sich um ihren vier Monate alten Sohn, er ist Epileptiker. Neunzig vom DRK verspricht, sich zu kümmern.

Hilfe kommt auch aus der Nachbarschaft. "Wir schauen jeden Tag vorbei, was gebraucht wird", sagt Kristin Granow vom Vorstand des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter, der nebenan seinen Sitz hat. Decken und Windeln habe der Verein nach Rücksprache mit Herrn Neunzig besorgt. Sie sei berührt von der Dankbarkeit, der Offenheit und der Sympathie der Flüchtlinge. "Und auch die Unterrather im Umfeld nehmen das gut an, sind sehr hilfsbereit."

(RP)
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