Düsseldorf Flexible Arbeitswelten ohne festen Platz

Düsseldorf · Vor fünf Jahren reduzierte Siemens in Düsseldorf die Zahl der Schreibtische. Auch bei Vodafone suchen sich Mitarbeiter ihre Arbeitsorte täglich neu aus.

 Jürgen Brombeis ist Ingenieur bei Siemens. Anfangs musste er sich daran gewöhnen, keinen festen Platz zu haben.

Jürgen Brombeis ist Ingenieur bei Siemens. Anfangs musste er sich daran gewöhnen, keinen festen Platz zu haben.

Foto: David young

430 Schreibtische stehen im Büro der Düsseldorfer Siemens-Niederlassung, 600 Menschen arbeiten für das Unternehmen. Für die meisten von ihnen heißt das: Sie haben keinen festen Arbeitsplatz. Um genau zu sein, kommen 1,3 Menschen auf einen Platz. Siemens hat vor fünf Jahren die flexible Arbeitswelt eingeführt, "mit einer Clean-Desk-Politik", sagt Unternehmenssprecher Georg Lohmann. Fotos vom Hund oder den Kindern gibt es nicht mehr auf den Schreibtischen, sie werden abends geleert, Unterlagen können in einem persönlichen Schließfach untergebracht werden. Wer morgens ins Büro kommt, der sucht sich einen freien Tisch. "Es war eine Umstellung, auf den eigenen Schreibtisch zu verzichten", sagt Ingenieur Jürgen Brombeis. Jetzt aber gebe es kein Chaos mehr, "alles ist an seinem Platz", sagt Brombeis. Einzig ein Bildschirm steht auf der Arbeitsfläche, an den sich die Kollegen mit ihrem Laptop anschließen können.

"Die Situation hier ist eine besondere, weil die Mitarbeiter überwiegend vertrieblich orientiert sind", sagt Lohmann. Das heißt, sie sind viel unterwegs, arbeiten direkt beim Kunden. Vor Einführung des Modells hat das Unternehmen die Bedingungen untersucht, Krankheit und Urlaub der Mitarbeiter berücksichtigt. Schreibtische standen oft leer, "so sind wir auf die Sharing-Quote 1,3 gekommen", sagt der Sprecher. Dass es einmal zu wenig Arbeitsplätze gegeben hat in den letzten fünf Jahren, das ist Lohmann nicht bekannt. Im Gegenteil: "Die Kollegen sind jederzeit in der Lage, im Siemens-Netz ihre Arbeit zu machen." Ob in der Kantine, im Bistro oder draußen, wenn das Wetter mitspielt. Außerdem sei in der Vertriebsvereinbarung festgehalten worden, dass 20 Prozent der Arbeitszeit von zu Hause oder unterwegs erfüllt werden kann.

Christian Dries, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Fresenius, findet das Modell prinzipiell gut, "auch wenn es kein Universalmodell ist". Er selbst ist ein Anhänger moderner Bürowelten, "wir selbst haben Hybridarbeitsplätze." Aber es gebe auch Kollegen, die extra früher kommen würden, um am immer selben Platz sitzen zu können. "Manche Menschen fahren besser mit der Abgrenzung von Arbeitsplatz und Privatleben", sagt Dries. Anderen wiederum sei es wichtig, dass die Welten ineinander übergehen. "Es ist notwendig, dass die Psyche den Arbeitsplatz findet", meint der Professor, eine Arbeitswelt nicht aufgezwungen werde. Und das Privatleben dürfe natürlich nicht leiden.

Auch Vodafone hat vor drei Jahren das Modell eingeführt. "Wir hatten immer leerstehende Büros und Tische", sagt Volker Petendorf, Unternehmenssprecher. Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bringen, das sei den Vodafone-Mitarbeitern wichtig. "Und dafür braucht man heute keine festen Büros mehr."

(RP)
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