So Wohnt Düsseldorf Ein Schatzkästchen in Oberkassel

Düsseldorf · In seinem Haus hat Architekt und Künstler Roderich Schwartze den Jugendstil neu buchstabiert - zu einem Gesamtkunstwerk.

 Ein Haus wie eine Kathedrale der eigenen Kunstträume: Roderich Schwartze übersetzt alte Stile in unsere Zeit - fertig wird er mit diesem Projekt nie, ist er überzeugt.

Ein Haus wie eine Kathedrale der eigenen Kunstträume: Roderich Schwartze übersetzt alte Stile in unsere Zeit - fertig wird er mit diesem Projekt nie, ist er überzeugt.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Eigentlich ist der Mann Architekt. Aber ein Gebäude entworfen hat er schon lange nicht mehr. Hat ihn irgendwann nicht mehr interessiert. Offenbar schlummerten schon lange ganz andere Entwürfe in ihm, die irgendwann raus mussten. Ideen, die zwischen Design und Kunst pendeln, die sich nicht auf bestimmte Kategorien reduzieren lassen, die in der Gotik verwurzelt sind und den Jugendstil neu buchstabieren. Klingt verrückt? Sobald man sein Haus an der Düsseldorfer Straße in Oberkassel betritt, ist man mittendrin: in der Zauberwelt des Roderich Schwartze.

Ein schlichtes Klingelschild, aber gleich unter dem Namen ein erster Hinweis, dass das Auge sich nun auf Neuland fokussieren sollte. "Große Kunst ist dann erreicht, wenn man nichts mehr weglassen kann", steht da. Ein paar Schritte weiter ist die erste Frage, was Roderich Schwartze von "weglassen" hält, schon mal beantwortet: Nichts. Denn für alle Wände und Decken im Eingangsflur und Treppenhaus seines Hauses aus dem Jahre 1904 hat er einen speziellen Cocktail gemixt aus Stilen, Elementen, Symbolen - und vor allem Phantasie. Oder wie er das formuliert: "Ich habe den Jugendstil in unsere Zeit transportiert." Und das alles in verschwenderischer Fülle.

Zunächst das Grundmaterial: braun gelacktes Holz. Daraus hat Schwartze in seiner Werkstatt einzelne Elemente geformt und übereinander geschichtet, so dass daraus so etwas wie Wandreliefs entstanden sind. Diese Elemente enden oft in gotischen Bögen oder mit Flügeln, in deren Mitte - wie ein Auge - eine Öffnung frei bleibt für das Porträt eines seiner geliebten französischen Musiker. Oder für kleine und größere Vitrinen. In der einen findet sich die Büste seiner Muse mit mattweißem Teint und Goldhaar, in einer anderen eine Bombenhülle aus dem Ersten Weltkrieg. Oder ein Rosenkranz, den Schwartze in seinem Keller, der mal ein Bunker war, in einer Nische eingemauert fand.

Das alles fügt sich nun an den Wänden des Treppenhauses zu einem Gesamtkunstwerk wieder, dazwischen über 100 Zeichnungen, die eine große Begabung erkennen lassen. Und Witz. "Tanz der Kneifzangen" heißt eine, "Das Gespräch" eine andere, die zwei eitle Gockel im Disput zeigt. Nichts hier ist Zufall, alles hat eine Bedeutung. Wie sagte Schwartze gleich zu Beginn: "Ich bin ein Symbolist."

Neulich meinte ein Besucher beim Anblick dieses Treppenhauses: "Das ist ja Jules Verne!" Aber diese Utopie hat handfeste Konturen. Tatsächlich steigert sich die Wirkung von Stufe zu Stufe, bis zum ersten und zweiten Stock (im dritten hat Schwartze sein ganz privates Refugium). Auf diesen beiden Etagen verwandeln sich die dunklen Holzreliefs in strahlend weiße Ornamente an den Wänden. Für diese Räume hat Schwartze Lampen und Möbel geschaffen, in denen sich die fließenden Formen aus dem Treppenhaus wieder finden: ein weißer Schreibtisch, eine Anrichte, deren kühne Linien durch Glasflächen Transparenz bekommen.

Eigentlich würde er diese beiden Etagen gern vermieten. Aber an wen? Und als was? "Als Büros oder auch Wohnungen", meint der Schöpfer dieser eigenwilligen Installationen. Er glaubt daran, dass es Menschen gibt, die solche Originalität zu schätzen wissen. "Man muss sie nur finden." Solange bleiben die beiden Stockwerke eben noch eine Weile ungenutzt. Er habe sein Haus sowieso immer eher als Geschichts-Objekt gesehen, Geld, oder wie er sagt "Knete", sei nicht so wichtig.

Wenn Besuchern der Ausruf entfährt: "Das ist ja verrückt", empfindet das Roderich Schwartze als Kompliment - "weil ich ja tatsächlich die Stile verrücke, von einer vergangenen in unsere heutige Zeit." Und was wird er machen, wenn sein Werk vollendet ist? "Ach, ich werde nie fertig", meint er lachend zum Abschied. Dann steht der Besucher wieder draußen vor dem Haus. Der Verkehr rauscht vorbei, und nichts an der schlichten Fassade verrät, welches Schatzkästchen sich dahinter verbirgt. Nur ein leiser Zweifel beginnt sich zu regen: Kann das wirklich wahr sein, was man da gerade gesehen hat?

(RP)
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