Düsseldorf Ein Patent auf vier Töne

Düsseldorf · Unternehmen gehen neue Wege, um ihre Innovationen vor Nachahmung zu bewahren, sie lassen nun auch den Kundennutzen schützen. Patentanwälte begleiten sie dabei.

 Patentanwalt Gottfried Schüll sagt, dass Patente keine Auszeichnungen für Erfinder, sondern ein Marketing-Instrument sind.

Patentanwalt Gottfried Schüll sagt, dass Patente keine Auszeichnungen für Erfinder, sondern ein Marketing-Instrument sind.

Foto: Anne Orthen

Der Sound ist einzigartig: Ganz zum Schluss, wenn alles fertig gewogen, geschnibbelt, gemixt und gekocht ist, erklingen vier Töne - ein Ohrwurm, den schon Kleinkinder erkennen. Diese ansteigende Tonfolge ist das Erkennungssignal eines Gerätes, das aus der Region stammt und sich zu einer Kultmarke entwickelt hat: der Thermomix von Vorwerk. Das Unternehmen gilt als Paradebeispiel dafür, das Patentrecht in allen Facetten zu nutzen und seine Produkte anders zu schützen, als es bisher üblich war. "Es lässt den Nutzen patentieren, den seine Kunden haben - nicht die Technik", erläutert Gottfried Schüll, Patentanwalt von Cohausz & Florack.

Aus der Erfinderstadt Düsseldorf werden jedes Jahr rund 2000 Patente von Firmen und Instituten, Wissenschaftlern und Tüftlern angemeldet. Meist soll eine technische Innovation, ein neues Produkt oder Verfahren vor Nachahmern bewahrt werden. Patentkanzleien wie Cohausz & Florack begleiten ihre Mandanten auf diesem Weg, formulieren Patentanträge und vertreten Unternehmen vor Gericht, wenn es zu Streitigkeiten kommt. "Ein Patent ist kein Nutzungsrecht, sondern ein Verbotsrecht, es untersagt einem anderen etwas zu nutzen", so Gottfried Schüll.

Dabei würden viele Unternehmen zu stark auf die technische Seite einer Erfindung achten, obwohl sich längst erwiesen habe, dass es in der Regel nicht kaufentscheidend sei, welche Technologie in einem Produkt steckt. Wie beim Thermomix, dem Alleskönner in der Küche. Vor rund zehn Jahren habe sich bei Vorwerk, ein Mandant der Düsseldorfer Patentanwälte, die Erkenntnis durchgesetzt, dass immer mehr Küchenmaschinen auf den Markt drängten - und die Exklusivmarke wackelte.

Normalerweise erfindet ein Unternehmen ein Produkt und meldet dann ein Patent darauf an. In einem langen Prozess entwickelte Vorwerk eine neue Strategie, die die bisherige Reihenfolge auf den Kopf stellte: Ein Team untersuchte jeden einzelnen Aspekt, der für Kunden wichtig sein könnte, wenn er einen Thermomix nutzt: wie die digitalen Rezeptchips, die Schritt für Schritt per Anleitung auf dem Display durch die Zubereitung eines Gerichts führen. Oder die "Gelinggarantie", die auch Menschen zum Kauf überzeugen soll, die nicht gut kochen können.

Kaum jemand wäre früher auf die Idee gekommen, für solche Eigenschaften ein Patent zu beantragen. Doch Vorwerk hat zusätzlich auch Funktionen schützen lassen, die Sicherheit und Zeitersparnis versprechen. Der unverwechselbare Sound, der das Ende des Kochvorgangs signalisiert, gehört ebenfalls dazu. Insgesamt meldete das Unternehmen über 150 Patente an, Experten sprechen von einem "Schutzwall", der die Konkurrenz auf Distanz hält. Gottfried Schüll sieht dahinter eine grundsätzliche Überlegung, von der auch andere Unternehmen profitieren könnten: "Patente sind keine Auszeichnungen für Erfinder, sondern ein Marketing-Instrument." Technikern würde diese Erkenntnis allerdings oft schwer fallen. Außerdem habe sich nach seiner Einschätzung in Unternehmen noch zu wenig durchgesetzt, dass Entwicklungs- und Vertriebsabteilungen Hand in Hand arbeiten sollten. Gemeinsam müssten sie abschätzen, wie ein Wettbewerber den Kundennutzen eines Produkts nachahmen könnte - und diesen Versuch durch ein Patent blockieren.

Bei Vorwerk ist die Strategie offenbar aufgegangen: Die Lieferzeit für einen Thermomix beträgt zurzeit sieben Wochen.

(RP)
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