Düsseldorf Ein Leben ohne Handy und Computer

Düsseldorf · Der Künstler Michael Sichelschmidt empfindet den Verzicht auf moderne Medien als "ein Stück Freiheit".

 Künstler Michael Sichelschmidt in seinem lichtdurchfluteten Atelier. Ein Handy gibt es nicht, aber ein Telefon mit Wählschiene.

Künstler Michael Sichelschmidt in seinem lichtdurchfluteten Atelier. Ein Handy gibt es nicht, aber ein Telefon mit Wählschiene.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Ein Leben ohne Handy, Computer und Fernseher. Was sich wie die Ausgangslage für eine Doku-Soap anhört, und sicherlich ein Horrorszenario für viele Menschen darstellt - und sei es nur für einen Tag - ist für den Düsseldorfer Künstler Michael Sichelschmidt und seine Frau Maria seit 26 Jahren der ganz gewöhnliche Alltag. "Für mich bedeutet das Glück und ein Stück Freiheit", sagt Sichelschmidt.

Der Verzicht auf die Medien war zunächst kein fester Entschluss, sondern hat sich nach und nach entwickelt. "1990 wollten wir in der Fastenzeit auf etwas verzichten und da wir dem Süßigkeitenalter entwachsen waren, haben wir das Fernsehen gewählt." Schnell habe sich herausgestellt, dass dies eigentlich gar keinen spürbaren Verzicht bedeutet. "Wir haben total das Interesse am Fernsehen verloren, hatten überhaupt nicht das Gefühl, etwas zu verpassen und haben uns nach relativ kurzer Zeit gar nicht mehr vorstellen können, die Kiste wieder einzuschalten." Die gewonnene Zeit nutzt Sichelschmidt nun beispielsweise für Spaziergänge, zum Lesen oder für Kinobesuche.

Alternativ informiert sich das Ehepaar über die Tageszeitung und das Radio. "Ich höre gerne Hörspiele. Da wird viel mehr die Fantasie gefragt. Und eine Fußballreportage im Radio ist ein Traum. Super spannend und lebendig." Zudem besitzt der Künstler eine große Bibliothek und ein Archiv. Dort finde er eigentlich alles, was er für seine Arbeit benötige. Zugeben muss Sichelschmidt allerdings, dass er sich öfter nicht an Unterhaltungen beteiligen kann. "Wenn im Freundeskreis über Serien und Filme gesprochen wird, sind wir raus. Aber die Aufregung darum kann ich eh nicht nachvollziehen."

Als der ständige Gebrauch von Handys und Computern Alltag wurde, haben die Sichelschmidts diese Entwicklung erst gar nicht mitgemacht. "Meine Frau ist Apothekerin und nutzt lediglich zu beruflichen Zwecken einen Computer. Ansonsten kommen wir gut ohne aus", sagt der 61-Jährige. Das Umfeld des Ehepaars hat lange gebraucht, um dessen Lebensstil zu akzeptieren. Jahrelang hätten Bekannte versucht, sie zu bekehren und dafür Horrorgeschichten von Unglücken aufgetischt, die ohne Handy übel ausgegangen wären. Das hörte irgendwann auf, doch als etwas Besonderes sehen die Freunde das Ehepaar weiterhin an. "Wenn wir auf einer Party mit den Worten vorgestellt werden 'Das sind Maria und Michael, die ohne Handy leben', komme ich mir schon manchmal wie der dreibeinige Affe im Zoo vor."

Ein Leben mit Handy kann sich Sichelschmidt gar nicht vorstellen. "Ich telefoniere sowieso nicht gerne und möchte nicht ständig verfügbar sein. Das ist für mich eine freiwillige Versklavung." Seine Briefe schreibt er mit der Hand oder einer Schreibmaschine. "Das geht, auch wenn das für viele nicht mehr vorstellbar ist." Das Leben ohne Computer werde aber immer mehr erschwert. Die Möglichkeiten zum Beispiel Bankgeschäfte zu erledigen, würden immer mehr eingeschränkt. Sichelschmidt befürchtet, dass solche Alltagsdinge auf Dauer ohne Computer schwieriger werden.

Sein Lebensstil ist für den Künstler keine feste Doktrin. "Ich kann mir zwar keine Situation vorstellen, durch die ich etwas ändern würde, aber es kann ja immer eine Neubelebung erfolgen." Er ist froh, dass er mit seiner Frau über den Verzicht auf die Medien einig ist. "Ich bin mir durchaus des Privilegs bewusst, eine Beziehung führen zu können und einen Beruf zu haben, mit dem ich nach diesen Vorstellungen leben kann. Ich finde das beneidenswert."

(brab)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort