Düsseldorf Ein Hauch Schwarz-Gelb beim NRW-Unternehmertag

Beim alljährlichen Treffen der NRW-Wirtschaft bekamen die Gäste einen Eindruck von der künftigen Landesregierung.

NRW-Unternehmertag in der Rheinterrasse
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NRW-Unternehmertag in der Rheinterrasse

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Foto: Endermann, Andreas

Die Unternehmertage in NRW sind politische Veranstaltungen, insbesondere wenn sie mitten in die Koalitionsverhandlungen fallen. Entsprechend lag der Fokus bei dem Treffen ranghoher Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Verbänden am Dienstagabend auf der Frage, wie geht es weiter in NRW?

Gastgeber Arndt Kirchhoff gab da gleich mal die Richtung vor: Es müsse Schluss sein mit zu viel investitionshemmender und wirtschaftsfeindlicher Regulierung und Bürokratie im Land, kritisierte der Präsident von Unternehmer NRW. "Die neue Landesregierung kann vieles besser machen, aber das wird kein Spaziergang", sagte Kirchhoff. Er habe selten bei Unternehmern und Beschäftigten eine solche Sehnsucht verspürt, dass das Land nicht mehr als Sozialfall der Republik oder als Sitzenbleiber wahrgenommen werde. Wie der Aufbruch gelingen könne, dafür lieferte der Unternehmer-NRW-Präsident gleich mehrere Vorschläge mit: NRW benötige ein starkes Wirtschaftsministerium mit mehr Kompetenzen — unter anderem für die Digitalisierung, Fragen der Raumordnung sowie die Energie- und Klimapolitik. Bildung und Infrastruktur müssten wieder mehr Prioritäten eingeräumt werden. Und eben der verlangte Bürokratieabbau in die Tat umgesetzt werden.

FDP kündigt Entfesselungsgesetz

Entsprechend dürften Kirchhoff und die anwesenden Unternehmer frohlockt haben, als RP-Chefredakteur Michael Bröcker mit viel Beharrlichkeit den Verhandlern der wohl künftigen Regierungsfraktionen, vertreten durch Lutz Lienenkämper (CDU) und Joachim Stamp (FDP), einige Details entlocken konnte. So erklärte Stamp, man werde "den bürokratischen Schwamm wegputzen" mit einem sogenannten Entfesselungsgesetz für die Wirtschaft. Schließlich habe das Land eine Sehnsucht nach einem Abbau des Bürokratismus.

Konkret nannte der FDP-Politiker die Abschaffung des Tariftreue- und Vergabegesetzes und der Hygiene-Ampel. Lienenkämper kündigte unter anderem eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren an: "Wir schauen uns an, in welchen anderen Bundesländern Genehmigungen schneller erteilt werden, obwohl prinzipiell das gleiche Recht gilt. Wir wollen hier in NRW so schnell genehmigen wie der Schnellste in Deutschland", sagte er. Zur Frage, wie Schwarz-Gelb es mit der Braunkohle halte, sagte Stamp: "Wir werden nicht alles, was Rot-Grün gemacht hat, zurückdrehen. Wir sind keine Retro-Koalition."

Grüne verteidigen ihre Wirtschaftspolitik

Grünen-Politiker Arndt Klocke nannte die Schul- und Bildungspolitik als Hauptgrund für das schlechte Wahlergebnis seiner Partei. Zugleich verteidigte er die grüne Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre. Zwar habe man nicht alles richtig gemacht. Man habe aber die Idee verfolgt, NRW in Sachen Klimapolitik und Umweltwirtschaft zur Vorreiterregion zu machen. SPD-Fraktionschef Norbert Römer kündigte an, in seiner Partei müsse künftig wohl lebhafter gestritten werden.

Da nach der Landtagswahl vor der Bundestagswahl ist, hatten die NRW-Unternehmer Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer gewinnen können, um den großen Bogen zur Bundespolitik zu schlagen. Der lobte in seiner Rede zunächst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für ihre harte Haltung gegenüber den USA nach dem G7-Treffen in Italien: "Individuelle Rücksichtslosigkeit Freunden und Partnern gegenüber darf allein kein Maßstab für die Zukunft sein. Mit solchen Situationen müssen wir umgehen und müssen uns darauf einstellen, dass es in den nächsten Jahren schwieriger wird." Eine Abschottung mache alle ärmer. Kramer berichtete von einer vor wenigen Wochen unternommenen Reise nach Washington. Dabei hätten sich auch "sehr, sehr konservative Republikaner die Haare gerauft und empfehlen uns, dran zu bleiben und auf später zu setzen".

Mit Blick auf den anstehenden Bundestagswahlkampf kritisierte Kramer, die SPD habe unter dem Deckmantel der sozialen Gerechtigkeit Zerrbilder des deutschen Arbeitsmarktes an die Wand gemalt. Er warnte davor, die Agenda-Politik wieder zurückzudrehen.

Stattdessen müsse die Politik in mehreren anderen Gebieten tätig werden: beispielsweise beim Abbau von Bürokratie, die etwa durch die Arbeitsstättenverordnung, das Entgeltgleichheitsgesetz oder das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit entstünden. Zudem müssten die demografischen Probleme des Landes angegangen werden und zwar durch den Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit, der Abkehr von der Frühverrentung und durch den Zuzug von mehr ausländischen Fachkräften. Kramer verlangte zudem eine Arbeitszeitordnung, die den Anforderungen einer zunehmend digitaleren Arbeitswelt genüge. Der Arbeitgeberpräsident verlangte, die EU dort, wo es wirtschaftlich notwendig sei, handlungsfähiger zu machen. Außerdem müsse das deutsche Bildungssystem aus der Durchschnittlichkeit zur Weltspitze aufsteigen.

(maxi)
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