Educon-Prozess Angeklagte sollen Kinder stundenlang gequält haben

Düsseldorf/Hilden · An grausige Details aus einem Folterlager erinnerte gestern die Verlesung der Anklage gegen fünf ehemalige Erzieher der Hildener Kinder- und Jugendeinrichtung Educon: Über Monate hinweg sollen sie autistische Kinder in ihrer Obhut gequält haben.

 Das Unternehmen Educon gehörte früher zur Graf-Recke-Stiftung.

Das Unternehmen Educon gehörte früher zur Graf-Recke-Stiftung.

Foto: dpa, mg cu tig

Einer Leiterin (43) von zwei Wohngruppen und vier Ex-Mitarbeitern (40 bis 55 Jahre alt) wird vor dem Landgericht angelastet, fünf behinderte Kinder in ihrer Obhut nicht umsorgt oder gefördert zu haben, sondern die autistischen Kinder (damals neun bis 15 Jahre) über Monate hinweg gequält, verletzt, erniedrigt, verhöhnt und durch manchmal stundenlanges Martyrium misshandelt zu haben.

Angeklagte schweigen zu den Vorwürfen

Die Anklage umfasst den Zeitraum von Mitte Juli 2006 bis Ende Mai 2008. Die Educon, eine Einrichtung der Graf-Recke-Stiftung, wurde inzwischen aufgelöst und in die Stiftung integriert. Zu Prozessbeginn hat keiner der fünf Angeklagten, darunter zwei Frauen, das Wort ergriffen und zur Anklage Stellung bezogen.

Der Alltag in den Wohngruppen "Räuberhöhle" und "Lernfenster" war laut Anklage geprägt vom permanenten Horror der Kinder vor der sogenannten Teppich-Runde. So wurde ein Bestrafungs-Ritual bezeichnet, bei dem sich ein Kind auf einen Stuhl setzen musste, dann samt Stuhl von einem Erzieher umgeworfen wurde, direkt wieder aufstehen, den Stuhl aufrichten und sich wieder darauf setzen musste, bevor die Prozedur von vorne begann. Bis zu acht Stunden lang soll dieser Vorgang wiederholt worden sein — bis zur völligen Erschöpfung der Kinder, die dabei oft Kopfverletzungen erlitten haben sollen.

Andere Kinder sollen über Tage hinweg mit Essensentzug bestraft worden sein. Ein Kind soll zehn Kilogramm in sieben Wochen verloren haben. Die Kinder wurden laut Anklage von Betreuern auch im schmerzhaften Polizeigriff durch ein Möbelhaus oder einen Supermarkt geführt, in der Einrichtung festgebunden oder festgehalten worden sein, damit sich einer der Betreuer auf sie setzen konnte. In anderen Fällen sollen die Betreuer ihre Schützlinge angespuckt, angeschrien, verhöhnt, ihnen immer wieder Handtücher um den Kopf gewickelt haben, um ihnen jede Orientierung zu nehmen, sollen ihnen Wasser in Nase, Augen oder Ohren gespritzt haben. Ein Kind soll mit seinem eigenen Erbrochenen gefüttert, einem anderen Kind soll der Verzehr von Unkraut angeboten worden sein.

Urteil erst Anfang 2017

Als Folge dieser Kette von Misshandlungen, Demütigungen, Provokationen, Freiheitsberaubungen und Körperverletzungen sollen die Kinder laut Staatsanwaltschaft Blutergüsse, Prellungen, Schmerzen und erheblichen Gewichtsverlust erlitten haben und zusätzliche psychische Schäden. Gegen sechs weitere Ex-Educon-Mitarbeiter soll wegen ähnlicher Vorwürfe demnächst gesondert verhandelt werden. Für das Hauptverfahren gegen die fünf Betreuer sind 30 Prozesstage bis Anfang 2017 eingeplant. Das Verfahren geht am 21. Juli weiter.

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