Düsseldorfer Salafist festgenommen Mein Nachbar, der Terrorverdächtige

Düsseldorf · Im Düsseldorfer Stadtteil Bilk hat die Polizei am Donnerstag einen Mann verhaftet, der Verbindungen zu den Attentätern von Brüssel und Paris haben soll. Bilk ist der bevölkerungsreichste Stadtteil Düsseldorfs und besonders bei Studenten beliebt. Ein Porträt.

Anti-Terror-Einsatz in Bilk
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Anti-Terror-Einsatz in Bilk

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Foto: Hans-Juergen Bauer

Den Müll rausbringen kann die Frau noch ohne Probleme. Auf dem Weg zurück in den Gebäudekomplex muss die ältere Mieterin aber ihren Ausweis zeigen, der beweist, dass sie wirklich dort wohnt. Erst dann darf sie weiter. Auch ihr Sohn greift zum Portemonnaie, in dem sein Ausweis steckt.

Für die Polizisten, die gestern die Eingänge zum Hinterhof eines Wohnhauses im Düsseldorfer Stadtteil Bilk bewachen, ist das Routine. Nur die Hausbewohner dürfen an ihnen vorbei. Denn irgendwo dort, in einer Wohnung in der ersten Etage, durchsuchen Beamte seit Stunden die Wohnung eines Mannes, von dem die Behörden vermuten, dass er zum Umfeld der Attentäter von Brüssel gehört.

"Er war sehr in sich gekehrt und still"

Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft bestätigte gestern, dass am späten Donnerstagabend ein polizeibekannter Mann festgenommen wurde, der jetzt in Untersuchungshaft sitzt. Samir E. ist nach Informationen unserer Redaktion 28 Jahre alt, gebürtiger Düsseldorfer und deutscher Staatsangehöriger mit Migrationshintergrund. Er soll im Kontakt mit anderen in der Landeshauptstadt lebenden Salafisten stehen. Samir E. hat sich nach Angaben von Ermittlern widerstandslos festnehmen lassen.

Vor der Tür des Mehrfamilienhauses, in dem Samir E. wohnt, stehen ein Kinderfahrrad, ein verlassener Einkaufswagen und jede Menge Polizisten. Sie lassen niemanden hinein, und das Haus verlassen darf auch keiner. In einer Erdgeschosswohnung nicht weit entfernt, blicken junge Mädchen aus dem Fenster auf das Geschehen, kichern laut und ziehen die Vorhänge wieder zu.

So ziemlich jeder in der Siedlung hat inzwischen die Polizeiautos und den weißen Bus des Landeskriminalamts gesehen, aber noch nicht alle wissen, was es damit auf sich hat. "Wir wissen gar nichts", sagt eine Anwohnerin in einem anklagenden Ton: "Das ist beängstigend." Zwar habe sie von Nachbarn gehört, dass Samir E. festgenommen worden sein soll. "Aber warum?", fragt sie. Ab und zu habe sie ihn auf der Straße gesehen. "Er war sehr in sich gekehrt und still", sagt sie. Dann geht das Fenster ihrer Wohnung wieder zu.

Gegen Samir E. wird wegen Eigentumsdelikten ermittelt

Düsseldorf gilt unter Experten nicht als "Hot-Spot" der Salafistenszene. Laut Angaben des Vereins "Wegweiser", der den Einstieg junger Menschen in die radikal-islamistische Salafisten-Szene verhindern will, sammeln sie sich anders als in Dinslaken oder Solingen nicht offen um eine Moschee, sondern die Szene verkehrt an mehreren Treffpunkten. In einigen Moscheen in den Stadtteilen Bilk und Reisholz wollen sich die Männer nicht zu der Verhaftung äußern. Wenn sie überhaupt etwas sagen, geben sie an, Samir E. nicht zu kennen.

Eine Nachbarin, deren Wohnung näher an der von Samir E. liegt, kennt ihn und seine Familie seit Jahren. Wegen Samir E. sei mehrere Male die Polizei angerückt und habe ihn festgenommen, erinnert sich die Nachbarin. Auch sonst sei er manchmal wochen- oder sogar monatelang weg gewesen.

Gegen Samir E. wird wegen Eigentumsdelikten ermittelt und wegen des Verdachts, dass er gegen den Straf-Paragrafen 89a (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) verstoßen hat. Er soll versucht haben, nach Syrien zu reisen — in ein Land, in dem der Islamische Staat Menschen auch für terroristische Anschläge ausbildet. Allerdings sei der 28-Jährige nicht über die Türkei hinausgekommen.

Nachbarn haben Angst, "dass hier eine Bombe hochgeht"

Ebenso wie der Brüsseler U-Bahn-Attentäter Khalid El Bakraoui soll Samir E. im Sommer 2015 von den türkischen Behörden im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien aufgegriffen worden sein. Weil bei ihm nach einer Verurteilung wegen Bandendiebstahls, die noch nicht rechtskräftig war, Fluchtgefahr bestand, vollstreckte die Polizei den Haftbefehl. Sie untersucht nun den Computer und die Unterlagen des Mannes. In der Wohnung wurde gestern auch nach Fingerabdrücken anderer Verdächtiger gesucht. Anhaltspunkte für eine akute Gefahr, etwa in Form konkret geplanter Anschläge, lägen derzeit nicht vor, heißt es aus Ermittlerkreisen.

Für eine langjährige Nachbarin ist das kaum ein Trost. "Wir haben jetzt schon Angst", sagt sie durch den Türspalt. "Davor, dass hier eine Bombe hochgeht." Die Tochter beschwichtigt: "Die Polizei hat hier doch jetzt alles im Griff."

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