Polizei oft im Einsatz Düsseldorfer Kinderhilfezentrum — Probleme waren bekannt

Düsseldorf · Der Freundeskreis beklagte schon im Dezember eine völlige Überlastung der Einrichtung an der Eulerstraße. Die Polizei ist dort oft im Einsatz. Allein in den vergangenen fünf Tagen soll der Rettungsdienst sieben Mal gerufen worden sein.

Gegen Mitarbeiter des Kinderhilfezentrums gibt es schwere Vorwürfe. Das Jugendamt verspricht Aufklärung.

Gegen Mitarbeiter des Kinderhilfezentrums gibt es schwere Vorwürfe. Das Jugendamt verspricht Aufklärung.

Foto: Anne Orthen

Die Vorwürfe gegen das Kinderhilfezentrum an der Eulerstraße erscheinen für Kenner der Einrichtung nicht überraschend — und auch das Jugendamt hatte bereits vor den aktuellen Vorwürfen Hinweise darauf, dass die Mitarbeiter überfordert sind. "Man konnte die Probleme kommen sehen", sagt die ehemalige Leiterin Sigrun Pach, Mitglied des Kuratoriums der Hilfezentrums-Stiftung.

Die Eskalation der Gewalt wird nun von Polizei und Landesjugendamt untersucht. Allein in den vergangenen fünf Tagen wurde der Rettungsdienst nach Informationen unserer Redaktion sieben Mal gerufen. In drei Fällen ging es um Körperverletzung, mindestens einmal war ein Messer im Spiel. Die örtlichen Behörden beklagen fehlende Information und versprechen Aufklärung.

Die Situation ist hochkomplex. Ein Überblick über die Probleme und die Konsequenzen:

Problem 1: Zu viele Bewohner

Das Jugendamt muss sich seit Sommer um eine stark gestiegene Zahl von minderjährigen Flüchtlingen ohne Begleitung kümmern, überwiegend handelt es sich um männliche Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahre. Aus Platzmangel wurden zwei Besprechungsräume und die Turnhalle zu Schlafsälen umgewidmet. Die Vorsitzende des Freundeskreises der Einrichtung, Helga Welland, beklagt eine "totale Überlastung", weil die jungen Flüchtlinge zusätzlich zu den bis zu 77 teils schwer traumatisierten Kindern und Jugendlichen an der Eulerstraße untergebracht wurden. Bereits im Dezember hätten sie und eine andere Vertreterin des Freundeskreises Sozialdezernent Burkhard Hintzsche und Jugendamtsleiter Johannes Horn darauf hingewiesen. "Es war jedem klar, dass die Situation schwierig ist", sagt Welland.

Problem 2: Zu wenig Personal

Für die zusätzlichen Anforderungen war das Kinderhilfezentrum nicht ausreichend personell ausgestattet. Das Konzept sei "zum Scheitern verurteilt" gewesen, sagt Sigrun Pach. Man dürfe die Schwierigkeiten nicht den vorhandenen Mitarbeiter anlasten. Jugendamtsleiter Horn hielt dem auf Anfrage unserer Redaktion entgegen, das Personal sei sehr wohl aufgestockt worden. Die Betreuung der Flüchtlinge erfolge unter anderem durch Mitarbeiter aus anderen Abteilungen des Amts und 40 Honorarkräfte. Weitere acht Stellen sollen "in Kürze" besetzt werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Einrichtung ohne reguläre Leitung auskommen muss. Die Position ist seit längerem vakant, gerade erst wurde die Neuausschreibung verkündet. Wegen der Vorwürfe hat der stellvertretende Jugendamtsleiter vorerst die Leitung übernommen.

Problem 3: Hoffen auf den Umzug

Die Unterbringung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge soll nur vorübergehender Natur sein. Es war geplant, dass die Betroffenen zum Jahreswechsel in ein ehemaliges Altenheim umziehen. Deshalb nahmen viele an, dass auch die Schwierigkeiten vorübergehender Natur und 2016 bereits gelöst sein würden. Wegen Brandschutzmängeln verzögerte sich aber der Umzug, dies verschärfte die Lage in der beschriebenen Form.

Konsequenz 1: Eskalation der Gewalt

In einem Fernsehbericht, den das ZDF gestern zeigte, beklagt ein unkenntlich gemachter jugendlicher Flüchtling, er sei an der Eulerstraße "oftmals" mit Schlägen und Tritten geweckt worden. Ein ehemaliger Wachmann spricht von übertriebener Härte bei der Fixierung einer Jugendlichen. Ähnliches habe er "immer wieder erlebt".

Konsequenz 2: Es wird ermittelt

Die Polizei ist eingeschaltet wegen des Verdachts auf Missbrauch einer Zwölfjährigen durch zwei Flüchtlinge und wegen der eingangs beschriebenen Gewaltvorwürfe. An den Untersuchungen beteiligen sich andere Behörden. Mitarbeiter des Landesjugendamts haben sich für heute angemeldet.

Die Stadt hatte am Montag den Jugendhilfeausschuss in einer Sondersitzung über die Vorwürfe informiert. Drei Mitarbeiter sind freigestellt. Zwei Honorarkräften wurde gekündigt, einem von ihnen bereits im Januar, weil er alkoholisiert angetroffen worden war. Die Fixierung habe sich in einem Fall als nicht zu beanstanden herausgestellt, ein anderer wird geprüft. Sozialdezernent Hintzsche erklärte, dass die Meldekette nicht eingehalten worden sei.

Warum die Verantwortlichen nach dem möglichen Vergewaltigungsfall vom Januar nicht aktiver wurden, ist noch zu klären.

(RP)
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