Doppelmord in Bilk Düsseldorfer Ermittler sagt im Gießener Mordprozess aus

Düsseldorf · Mordermittler Guido Adler sagte am Mittwoch in Gießen zur Polizeiarbeit nach dem Doppelmord in Bilk aus. Die Ermittler waren zunächst von einem erweiterten Suizid ausgegangen.

 Vor dem Gießener Landgericht hat gestern Kommissionsleiter Guido Adler (Mitte) ausgesagt.

Vor dem Gießener Landgericht hat gestern Kommissionsleiter Guido Adler (Mitte) ausgesagt.

Foto: sg

Der unerkannte Doppelmord von der Karolingerstraße wird demnächst Mordkommissionsleiter aus ganz Nordrhein-Westfalen beschäftigen. "Wir stellen den Fall auf der Jahrestagung vor", sagte Guido Adler, der selbst an der fehlerhaften Ermittlung beteiligt war, gestern im Gießener Mordprozess. Die Diskussion mit den Kollegen ist Teil der Aufarbeitung des Falles, in dem es nicht zuletzt Kommunikationsprobleme gab. Darüber habe es inzwischen Gespräche mit Staatsanwaltschaft und Rechtsmedizin gegeben, sagte der Ermittler und versicherte: "So etwas wird nicht noch einmal geschehen."

Seit Wochen hat sich das Gießener Landgericht, das seit Januar über die dreifache Mordanklage gegen die 35-jährige Tuba S. verhandelt, mit den Fehlern der Düsseldorfer Kripo befasst. Vor allem die Vorsitzende Richterin Regine Enders-Kunze und Staatsanwalt Thomas Hauburger hatten aus ihrer Empörung darüber keinen Hehl gemacht, dass der Tod der 86-jährigen Jole G. und ihrer 58-jährigen Tochter Silvia F. als erweiterter Suizid betrachtet und daher etwa auf eine umfassende Spurensicherung am Tatort verzichtet worden war. Tuba S., der auch die Ermordung eines Gießener Rentners zur Last gelegt wird, soll laut Anklage beide Frauen getötet haben.

Die Gründe für eine ganze Reihe falscher Entscheidungen der Ermittler hat das Gericht auch in der gestrigen Verhandlung nicht erfahren. Dennoch hat Guido Adler im Gießener Schwurgerichtssaal "alles wieder in den richtigen Fokus" (Enders-Kunze) gerückt. Der 52-Jährige, seit 22 Jahren Todesermittler, hatte sich vor Beginn seiner Zeugenvernehmung an die Angehörigen der Opfer gewandt und gesagt: "Wir tun immer alles, um den Opfern und ihren Angehörigen gerecht zu werden. Dass in diesem Fall eine kriminalistische Fehleinschätzung dazu führte, dass das nicht geschah, tut mir aufrichtig leid."

Richterin Enders-Kunze, die vor zwei Wochen Adlers Partnerin in der Pannenermittlung mit ungewöhnlicher Schärfe ins Kreuzverhör genommen hat, betonte danach, ihre Kammer wolle die Tötungsdelikte aufklären und nicht über die Düsseldorfer Kripo urteilen. "Aber diese Fehler spielen nun einmal in unser Verfahren hinein."

Adler, der seit 15 Jahren regelmäßig Mordkommissionen leitet, hatte am 10. Mai 2016 mit einer Kollegin die beiden Toten in der Wohnung an der Karolingerstraße untersucht. Die "Arbeitshypothese", wonach die Tochter sich mit Tabletten das Leben nahm, nachdem sie die Mutter mit einem Tuch erdrosselt hatte, sei durch die Auffindesituation entstanden, sagte der Zeuge. Ein handschriftlicher Abschiedsgruß auf einem Rätselheft, eine Menge offener, teils leerer Tablettenpackungen, ein Arztbrief, aus dem die psychische Erkrankung der Tochter hervorging. Der vermeintliche Abschiedsbrief hat sich inzwischen als Fälschung herausgestellt, die fehlenden Tabletten hat Silvia F. nachweislich nicht geschluckt. Doch für Adler und seine Kollegin zählte mehr, was nicht da war: "Wir fanden keine Einbruchsspuren, keine Hinweise auf ein bewegtes Geschehen oder darauf, dass die Wohnung durchsucht worden wäre. Und kein Motiv."

Nach der Obduktion der Toten gab der Ermittler gestern zu, "konnten wir nicht ausschließen, dass ein Dritter in der Wohnung gewesen sein könnte. Da hätten wir spätestens den Tatort aufnehmen müssen." Stattdessen war die Wohnung eine Viertelstunde nach der Obduktion für die Angehörigen freigegeben worden.

Auch das werde sich nicht wiederholen, sagte Adler. Seit kurzem gebe es die Anweisung, beim leisesten Verdacht in einer Todesermittlung eine Mordkommission einzurichten und umfassend zu ermitteln.

(RP)
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