"Büdchenblog" aus Düsseldorf Eine Liebeserklärung an das Büdchen

Düsseldorf · Christoph Dohmen gründete den "Büdchenblog". Er erzählt, was das Büdchen dem Zigarrettenautomaten voraus hat. In Düsseldorf jedenfalls trägt seit der Gründung des "Büdchenblogs" vor zwei Jahren die urbane Fankultur um die kleinen Verkaufsstände eine neue Blüte.

 Ein besonderes Büdchen mit großem Angebot: Die Trinkhalle 27 an der Hüttenstraße in Friedrichstadt.

Ein besonderes Büdchen mit großem Angebot: Die Trinkhalle 27 an der Hüttenstraße in Friedrichstadt.

Foto: Endermann, Andreas

Zwölf Jahre ist es her, dass die Kultursoziologin Elisabeth Naumann mit ihrer Doktorarbeit "Kiosk. Entdeckungen an einem alltäglichen Ort" Stehcafés, Trinkhallen und Büdchen aus der Banalität heraus zu Orten mit historischer Bedeutung erheben wollte. Über den Erfolg dieses Versuches lässt sich streiten.

Christoph Dohmen kommt aus Nettetal, seit 2011 wohnt er mit seiner Frau in Düsseldorf. Mit seinem "Büdchenblog" will der 37-Jährige seine Liebe für das Büdchen mit der Welt teilen. Schon als Abiturient habe er sie als soziale Mittelpunkte seiner Heimatstadt erkannt, heute bezeichnet er Büdchen nicht ohne Ernsthaftigkeit als "hyperlokale Kompetenzzentren". "Sie sind der Kitt für die Gesellschaft im Viertel", sagt Dohmen. "Sie stehen und fallen aber mit dem Betreiber." Er kenne Büdchenbesitzer, die Schultern einrenken, bessere Weine haben als jeder Supermarkt und Zweitschlüssel von ihren Stammkunden anvertraut bekommen. Davon, menschliche Zigarettenautomaten zu sein, seien die Büdchen weit entfernt.

Mit dem Blog will Dohmen seinen Lieblingsorten eine Bühne geben. "Früher hätte man vielleicht ein Tagebuch geschrieben, heute schreibt man einen Blog." Er verstehe die kurzen Einträge, in denen er "Moses Trinkhalle" am Brehmplatz oder das "Fortuna-Büdchen" an der Rheinuferpromenade vorstellt, als "Lobbyarbeit". "Man nimmt sie als selbstverständlich hin, sie erfüllen aber einen wichtigen Zweck", sagt Dohmen. Die kleinen Kioske und Trinkhallen bilden einen Gegenpol zur Globalisierung und Monopolisierung, die Sympathie der Betreiber stehen der Schnellabfertigung im Supermarkt entgegen. Für viele Menschen seien Büdchen ein nachbarschaftlicher Stadtteiltreff, an dem man eben auch "Schnubbeltüten" - Süßigkeiten, Bier und Zigaretten bekommt.

Dohmen wurde Ende vergangenen Jahres Vater, arbeitet vier Tage die Woche in Zürich. Sein Herz schlägt jedoch für den Rhein: "Ich sitze am liebsten auf der Mauer vor dem Fortuna-Büdchen an der Tonhalle." Und die "Stammkunden", die nur aus einem Grund kommen? "Klar, es gibt auch Leute, die den ganzen Tag davor stehen und ihre Kännchen reißen", sagt Dohmen. Nicht zuletzt der Alkohol sei es, der die Büdchen der Altstadt zu zukunftssicheren Geschäften mache. Ein gutes Büdchen müsse aber mehr können, um dem Supermarkt um die Ecke einen Schritt voraus zu sein. "Ist es gleichzeitig ein Hermes-Shop? Gibt es dort H&M-Gutscheine? Bekommen die Hunde der Kunden hinter der Theke ein Leckerli?" Für Dohmens Frau sei es sogar wichtig, ob ein Büdchen Prosecco auch in Dosen verkauft.

Beschreibt man Dohmens Büdchen-Projekt, so darf auch das Wort "Entschleunigung" nicht fehlen. Auf einer Seite des Blogs heißt es über ebendiesen: "Der Reiz besteht darin, etwas Sinnloses ohne Aussicht auf monetären Erfolg in einer sich immer schneller drehenden Welt zu etablieren."

Fotos, Erlebnisberichte und Kunstprojekte rund ums Büdchen sollen ihren Weg auf die Seite finden. Dabei sind Dohmens Geschichten allerdings nicht nur auf die Stadt begrenzt, unter "Andere Städte, andere Büdchen" schreibt er über das Schweizer Äquivalent des Düsseldorfer Büdchens, auf der in die Website integrierten Karte steckt auch ein Fähnchen in Meerbusch. Es sei wichtig, "über den Tellerrand" zu schauen, um den Kult hinter dem Büdchen zu erkennen. So stellt Dohmen auch Street-Art-Graffiti auf Büdchenwänden vor und schreibt über die "Trinkhallen-Tour" vieler Musiker, die jährlich in Büdchen, Stehcafés und Kiosks des Ruhrgebiets spielen. Das Büdchen ist Kultur und Lebensinhalt, zumindest für Enthusiasten wie Dohmen, der in seinem Blog schreibt: "Die letzte Konstante im Leben vieler Menschen ist das Büdchen um die Ecke."

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