Wenig Platz und kleine Geschenke So erleben Flüchtlinge in Düsseldorf Weihnachten

Düsseldorf · Wie ist Weihnachten, wenn man die Familie in Syrien zurücklassen musste, das Geld für Geschenke fehlt und im Zimmer kein Platz für Weihnachtsgäste ist? Wir haben mit Flüchtlingen gesprochen, die die Weihnachtszeit in Düsseldorf erleben.

 Ardit, Katina und Azba Vangjeli aus Albanien haben in dem Zimmer, in dem sie zu Dritt leben, wenig Platz für Weihnachtsgäste.

Ardit, Katina und Azba Vangjeli aus Albanien haben in dem Zimmer, in dem sie zu Dritt leben, wenig Platz für Weihnachtsgäste.

Foto: Laura Sandgathe

"Klar feiern wir dieses Jahr Weihnachten!”, sagt Ardit Vangjeli. "Wir sind zwar Moslems, aber zuhause in Albanien haben wir auch immer Weihnachten gefeiert. Dort sind Christen und Moslems Freunde und feiern zusammen." Doch anders als zuhause, wo sie immer mit den Nachbarn gefeiert haben, werden Vangjeli, seine Frau Katina und ihre Tochter Azba dieses Jahr wohl unter sich bleiben. Sie leben zu dritt in einem Zimmer, viel Platz für Gäste gibt es dort nicht. "Ich weiß noch nicht, ob jemand zu Besuch kommt. Aber wir würden uns freuen”, sagt er.

Weihnachten auf der Flucht. Was für viele Deutsche unvorstellbar ist, ist Realität für tausende Menschen, die in diesem Jahr zu uns gekommen sind. Wie erleben sie die Weihnachtszeit in Deutschland, und hat das Fest überhaupt eine Bedeutung für sie?

 Endrit Hyskaj aus Albanien findet, dass Wünsche zu Weihnachten eigentlich nur etwas für Kinder sind.

Endrit Hyskaj aus Albanien findet, dass Wünsche zu Weihnachten eigentlich nur etwas für Kinder sind.

Foto: Laura Sandgathe

Deutlich wird das beim internationalen Frühstück im Evangelischen Familienbildungszentrum in Düsseldorf: Hier kommen Flüchtlinge zusammen, um Deutsch zu lernen und sich auszutauschen. In der Woche vor Weihnachten geht es in den Gesprächen allerdings nicht so sehr um die Pläne für die Feiertage. Viele erinnern sich vielmehr daran, wie sie zuhause Weihnachten gefeiert haben, und wen sie dieses Jahr vermissen werden.

Ardit Vangjeli aus Albanien gefällt es, dass die Deutschen schon Wochen vor dem Fest in Weihnachtsstimmung sind - er mag das, wie so vieles in Deutschland. "Hier haben wir ein anderes Leben, das ist gut." Pläne für Weihnachten haben die Vangjelis auch schon gemacht. Zu Essen soll es Kartoffeln geben, und Ardit will noch ein Geschenk für seine Tochter Azba kaufen. Seine Eltern werden ihm fehlen, sagt er. "Sie sind alleine in Albanien, das ist ein Problem.” Auf die Frage, ob er an Weihnachten lieber in Deutschland oder zuhause wäre, antwortet er nicht.

Auch Ludmila Tamrazyan denkt zu Weihnachten an ihre Familienangehörigen, die in der Ferne wohnen. Die 56-Jährige kommt aus Armenien. "Zuhause feiern wir kein Weihnachten, sondern Silvester”, sagt sie. Zu Zeiten der Sowjetunion war es in Armenien verboten, Weihnachten zu feiern, "und deshalb haben wir damit aufgehört". Dafür wird Silvester viel größer gefeiert als in Deutschland. "Es gibt Geschenke und gutes Essen, ein traditionelles Gericht sind Dolma, gefüllte Weinblätter. In der Nacht des 31. Dezember besuchen sich die Familien und Nachbarn gegenseitig. Erst die Eltern, dann die Nachbarn, dann die Freunde. Wir gehen die ganze Nacht von Haus zu Haus." Bis zum 5. Januar wird Silvester gefeiert, dann folgt das orthodoxe Weihnachten am 6. Januar. "Aber hier möchten wir es machen wie die Einheimischen, also feiern wir schon am 24. Dezember", sagt Tamrazyan.

 Hussein Shamdin vermisst zu Weihnachten seine Eltern. Sie leben noch in Syrien.

Hussein Shamdin vermisst zu Weihnachten seine Eltern. Sie leben noch in Syrien.

Foto: Laura Sandgathe

Seit Januar lebt sie mit ihrem Mann in Deutschland, ihre zwei verheirateten Töchter sind in Armenien geblieben. Tamrazyans jüngster Enkel ist einen Monat alt. Doch auch an Weihnachten wird sich die Familie nicht treffen, stattdessen über Skype telefonieren. "Natürlich vermisse ich sie”, sagt Tamrazyan. "Aber wir dürfen das Land nicht verlassen. Es ist eine komplizierte Situation." Ähnlich geht es dem Syrer Hussein Shamdin. Der 45-Jährige will Weihnachten zusammen mit seiner Frau und seinen zwei Kindern feiern. "Ich würde mir wünschen, dass auch meine Eltern bei uns sein könnten”, sagt er. Aber Shamdins Eltern sind noch in Syrien.

Endrit Hyskaj dagegen wird seine Eltern an Weihnachten wiedersehen. "Sie kommen am 23. Dezember. Dann sehen sie zum ersten Mal ihre Enkelin”, sagt er lächelnd. Hyskaj ist mit seiner Frau vor zehn Monaten aus Albanien nach Deutschland gekommen, seine Tochter wurde hier geboren. Auch er ist Moslem, feiert aber zuhause Weihnachten, wie Ardit Vangjeli.

Ob er und seine Familie dieses Jahr feiern, weiß Hyskaj noch nicht. "Es wird sehr eng in unserem Zimmer", sagt er. Hyskaj lebt mit seiner Frau und seiner Tochter in einem Hotelzimmer, das der Hotelier für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt hat. Dort sollen dann für die kommenden Wochen auch noch seine Eltern unterkommen. "In Albanien habe ich ein großes Haus", sagt Hyskaj. Dort stellt die Familie jedes Jahr zu Weihnachten einen Tannenbaum auf. Den wird es dieses Jahr nicht geben.

Auch Geschenke hätte es in diesem Jahr nicht gegeben - wenn nicht ein netter Nachbar vor ein paar Tagen mit zwei Paketen vor der Tür gestanden hätte, wie Hyskaj erzählt. "Wir haben uns sehr gefreut. Aber meine Frau hat sich nicht getraut, Danke zu sagen, weil sie noch nicht so gut Deutsch spricht." Auf die Frage, ob er denn einen Wunsch zu Weihnachten hat, schüttelt Hyskaj zunächst den Kopf. "Das ist doch nur was für die Kinder.” Doch dann sagt er: "Ich wünsche mir, hier bleiben und arbeiten zu dürfen. Und einen Kinder-Hochstuhl für meine Tochter”. Hyskaj hat zwei Ausbildungen, als Krankenpflger und als Physiotherapeut. Seit zehn Monaten wartet er auf einen Bescheid von den Behörden, ob er in Deutschland bleiben darf.

Auch Linda Bazerkan denkt an Weihnachten vor allem an ihre Kinder. "Ich mag Weihnachten hier sehr”, sagt die muslimische Syrerin, die seit etwa anderthalb Jahren in Deutschland lebt. "Die Stadt sieht so schön aus, überall ist Weihnachtsschmuck. Ich sehe, wie glücklich die Kinder sind, wie glücklich meine Kinder sind”, sagt sie. Mit ihren Kindern hat sie kleine Geschenke für die Freunde in der Schule gekauft, "eine Tasse mit einem Weihnachtsbaum darauf und Schokolade”.

In Syrien hat die Familie früher auch Weihnachten gefeiert. "Die Menschen gingen in die Kirche, es wurde gesungen und auf zentralen Plätzen in der Stadt wurden Weihnachtsbäume aufgestellt. Einige Familien gingen zum Essen ins Restaurant, andere feierten zuhause. Aber jetzt wird in Syrien nicht mehr viel gefeiert, wegen des Krieges, sagt Bazerkan. Ihr Mann Said Gahzi sagt, dass sie, wenn der Krieg in Syrien vorbei ist, in das Land zurückkehren möchten - wenn auch nur für einen Besuch. "Aber wir sind froh, in Deutschland zu sein. Die Leute sind sehr nett, und hier sind wir frei."

Wer die Flüchtlingsarbeit der Evangelischen Familienbildung unterstützen will, tut dies am besten mit einer Spende, mit deren Hilfe die kostenfreien Deutschkurse finanziert werden. Auch ehrenamtliche Helfer werden noch gesucht. Wer helfen will, kann sich an den Geschäftsführer Curt Schulz, Telefonnummer 0211/60028218 wenden.

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(lsa)
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