Gastbeitrag Michael Szentei-Heise "Düsseldorf ist nicht x-beliebig"

Düsseldorf · Der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde und Sprecher der Liga der Wohlfahrtsverbände schreibt über das soziale Düsseldorf 2030.

 Das soziale Düsseldorf ist vielfältig - und feiert die Gemeinschaft mehrmals im Jahr. Wie zum Beispiel beim Weltkindertag im Herbst am Rhein.

Das soziale Düsseldorf ist vielfältig - und feiert die Gemeinschaft mehrmals im Jahr. Wie zum Beispiel beim Weltkindertag im Herbst am Rhein.

Foto: Endermann

Düsseldorf war, ist und wird auch in absehbarer Zukunft eine soziale Stadt sein. Dazu ein kurzer Blick in die Geschichte: Das Dorf am Unterlauf der Düssel war kaum zur Stadt erhoben, da wurde an der Ratinger Straße ein "Gasthaus" errichtet, "um Arme, Kranke, Lahme und Blinde zu speisen und laben".

 Michael Szentei-Heise ist seit mehr als 30 Jahren Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde

Michael Szentei-Heise ist seit mehr als 30 Jahren Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde

Foto: Bretz

Mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert reichte das Gasthaus in der Altstadt nicht mehr aus. An seine Stelle traten Anstalten für Kinder, Jugendliche, Erwerbslose, Obdachlose, Kranke wie auch für "Trunksüchtige, Invaliden und Altersschwache", verteilt über das gesamte Stadtgebiet, getragen von der Kommune, Wohlfahrt oder Stiftungen. Im "Adressbuch der Wohlfahrtseinrichtungen in Düsseldorf" von 1910 sind über 150 öffentliche und private Einrichtungen verzeichnet.

Mit der Ausdifferenzierung der Fürsorge und der Bereitstellung von Hilfeangeboten übernahm die Stadt im sozialen Bereich immer mehr Verantwortung und Aufgaben. Das änderte jedoch nichts daran, dass Düsseldorf zu keiner Zeit auf das Wirken der freien Wohlfahrtsverbände (Paritätischer, Diakonie, Caritas, DRK, AWO, Jüdische Gemeinde) und privater Initiativen (Stiftungen, Vereine, Ehrenamtliche, etc.) verzichten konnte. Ohne die partnerschaftliche und verlässliche Zusammenarbeit der drei Säulen - öffentliche Hand, freie Wohlfahrt und bürgerschaftliches Engagement - wäre Düsseldorf nicht die soziale Stadt, die es trotz aller zu beklagender Unzulänglichkeiten heute ist und auch noch 2030 sein wird.

Und da bin ich sehr zuversichtlich: In Düsseldorf leben 2030 mehrheitlich Menschen, die solidarisch denken und handeln. Sich selbst genügende Wohlstandsbürger, die früher vereinsamt am Rand der Gesellschaft lebten, sind weitgehend wieder in die Stadtgesellschaft integriert.

Die Stadt zeichnet sich dadurch aus, dass hier ein hohes Maß an sozialer Sicherheit für alle verwirklicht ist. Denn die Verantwortlichen der Stadt haben schon Ende der 90er Jahre die Weichen richtig gestellt und wirtschaftlichen Potenziale sinnvoll in die soziale Richtung eingesetzt, um die Stadt noch lebenswerter zu machen. Dazu gehören Kinder-, Jugend- und Familienfreundlichkeit, eine gesicherte Existenz für Erwachsene, ein faires und tolerantes Miteinander, umfassende Beteiligungsmöglichkeiten, physische und psychosoziale Barrierefreiheit, Gesundheitsförderung von frühester Kindheit an - alles weitsichtig abgesichert durch die Rahmenverträge mit den Wohlfahrtsverbänden.

Damit Alteingesessene und Neuhinzugezogene in Düsseldorf das Zuhause finden, das sie suchen, werden jetzt, am Ende der 2010er Jahre, Initiativen ergriffen, um vielfältige und bezahlbare Wohnungen in einem Umfeld mit hoher Lebensqualität anbieten zu können.

Wie aber auch in der Vergangenheit gibt es trotz des eng geknüpften sozialen Netzes auch jetzt Menschen, die in Not geraten und direkte Hilfe benötigen. Ihnen steht wohnortnah ein breites Angebot an institutioneller Hilfe, Beratung und Unterstützung wie auch individueller und bürgerschaftlicher Selbsthilfe helfend zur Seite. Um frühzeitig zu verhindern, dass Notlagen überhaupt erst entstehen, gibt es in Düsseldorf ein weites Spektrum an präventiven Maßnahmen für Jugendliche, Familien, Migranten, Arbeitslose, Senioren und Behinderte.

In den Gesundheits- und Sozialeinrichtungen arbeiten gut ausgebildete Frauen und Männer, die für ihre Tätigkeit adäquat entlohnt werden. Der kurze Boom der Ökonomisierung und Privatisierung sozialer Daseinsvorsorge Anfang der 2000er Jahre ist 2030 bereits Geschichte, hatte sich doch gezeigt, dass die Vergabe von Sozialen Diensten an die Privatwirtschaft im Wesentlichen keine Vorteile bringt.

Im Rathaus ist die Sozialpolitik einer der wichtigen Leitfäden für alle kommunalen Handlungsfelder. Alle wesentlichen Vorhaben der Stadt werden daraufhin überprüft, ob ihre Ausführung und Ausgestaltung sozialverträglich sind, die soziale Balance in der Stadt fördern und Integration ermöglichen. Jeder zweite Euro des städtischen Haushaltes 2030 wird in die Bereiche Kinder, Jugend, Bildung, Gesundheit und Soziales investiert. Gut investiertes Geld - selbst bei zwischenzeitlich knappen Kassen. In der Sozialrangliste unter den deutschen Großstädten rangiert Düsseldorf seit zehn Jahren unter den ersten drei. Düsseldorf hat soziale Leistungen, die andere nicht haben, zum Beispiel den Düsselpass in Gold oder Platin.

Für Düsseldorf - wie für jede Stadt- ist der soziale Zusammenhalt ein konstitutives Element. Wer sich entschieden hat, hier zu leben, der hat die Möglichkeit alle Vorzüge der Stadt zu genießen, andererseits hat er aber auch die Verpflichtung, sich nach seinen Möglichkeiten für die Stadt und das Wohlergehen seiner Bürger einzusetzen. Paralleles Leben führt zu Parallelgesellschaften. Sie sind das genaue Gegenteil von Stadt. Schließlich gibt es nur ein Düsseldorf und nicht x-beliebig viele Städte, die Düsseldorf heißen.

Das soziale Düsseldorf ist allerdings kein Selbstläufer. Es muss gewollt, erarbeitet, letztlich immer wieder neu definiert und errungen werden; so wie das schon seit mehr als 700 Jahren geschieht. Um den aktuellen Herausforderungen des demografischen Wandels, der Zuwanderung und des Umbaus der Sozialsysteme zu begegnen, hat die Stadt Düsseldorf mit den Wohlfahrtsverbänden vor Ort schon 1998 einen Rahmenvertrag zur finanziellen Sicherung vieler sozialer Dienste und Aufgaben geschlossen. Der Vertrag, der Ende des Jahres 2018 ausläuft, wird gerade neu verhandelt.

Allen Beteiligten ist dabei klar, dass die Vision "Soziale Stadt Düsseldorf 2030" nicht Utopie bleiben darf, sondern zur Wirklichkeit werden muß, und deshalb braucht man weiterhin einen tragenden und belastbaren Rahmen. Eigentlich ist dieser Rahmen zum Greifen nah. Denn ein klug verlängerter Rahmenvertrag wird der ideale Rahmen für ein soziales Düsseldorf sein - heute, morgen und auch 2030.

(RP)
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