Spektakulärer Fall in Düsseldorf Erstklässler geohrfeigt: Lehrer unter Druck

Düsseldorf · Der Fall eines Aushilfspädagogen, der sich von Erstklässlern beschimpft und verfolgt fühlt und deshalb einen sechsjährigen Jungen ohrfeigt, sorgt für Diskussionen. Die zentrale Frage: Wie gehen Lehrer korrekt mit Mobbing und Angriffen um?

 Provokationen gehören zum Schulalltag.

Provokationen gehören zum Schulalltag.

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Der Fall war spektakulär, bis heute erhitzt er die Gemüter rund um die Golzheimer Gemeinschaftsgrundschule an der Rolandstraße. Ein Pädagoge, aushilfsweise in der Nachmittagsbetreuung eingesetzt, fühlt sich bedroht. Er wird nicht ernst genommen, gehänselt, beschimpft, angeblich sogar bespuckt und geschlagen. Dann rutscht ihm selbst die Hand aus. Er ohrfeigt einen der i-Dötze. Dass diejenigen, die ihn, den Erwachsenen, die Autoritätsperson, seiner Einschätzung nach drangsalierten, gerade einmal das ABC lernen, ficht den 48-Jährigen nicht an. Er spricht von "Notwehr". Doch das Gericht sieht das anders. Der Mann wird wegen Körperverletzung zu einer Geldbuße verurteilt. Auch an der Schule arbeitet der Betreuer längst nicht mehr.

Ein schlagender Lehrer - ist das ein extremer Einzelfall oder doch nur die Spitze eines Eisberges aus steigender Aggressivität, Mobbing und Psychoterror? "Körperliche Übergriffe von Lehrern sind heute absolute Ausnahmefälle. Außer an den jetzt öffentlich gewordenen Fall kann ich mich an keinen anderen erinnern", sagt Stefan Drewes, Leiter des städtischen Zentrums für Schulpsychologie.

Unbelastet sei das Verhältnis Schüler-Lehrer deshalb freilich nicht in jedem Fall. So steige der Bedarf nach Beratung von außen in den Düsseldorfer Lehrerkollegien. "Im vergangenen Jahr fragten mehr als 300 Lehrer nach einem Coaching und einer Supervision. 2013 waren es 220." Nicht jeder dieser Pädagogen habe gleich ein gravierendes persönliches Problem. "Trotzdem zeigen die Zahlen, dass Belastungen eher zunehmen." Dabei spielten neben der Aggressivität im Klassenraum mit Machtproben und Provokationen auch Lehrer-Bewertungsportale im Internet und die Sozialen Netzwerke eine Rolle. Und Eltern, die immer weniger Dinge einfach so akzeptierten.

Dabei müssten sich die Lehrer, so Drewes, mit zwei für sie belastetenden Entwicklungen herumschlagen: Väter und Mütter, die immer gleich mit dem Anwalt drohten. "Und solchen, die es in ihrem eigenen Umfeld gewöhnt sind, Konflikte konfrontativ und aggressiv zu lösen. Da wird dann auch schon mal laut geschrien", sagt der Psychologe.

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Und wer von den Pädagogen läuft Gefahr, zu dem zu werden, was Schüler heutzutage "Opfer" nennen? Margret Rössler, Leiterin der Dieter-Forte-Gesamtschule, kennt die typischen Fallen. Leise Stimme, gebückter Gang, unklare Aufgabenstellung: Alles, was Unsicherheit offenbare, sei für den Lehrer riskant. "Schüler testen aus, wie weit sie gehen können, und sie sind perfekt darin, jede noch so kleine Schwäche zu erkennen und auszunutzen", sagt die erfahrene Lehrerin, die ihren Berufsstand auch auf Landesebene vertritt. Die Direktorin weiß, wovon sie redet. Ihre rund 1100 Schüler kommen zu etwa zwei Drittel aus Einwandererfamilien. "Aber Düsseldorf ist nicht Berlin-Neukölln. Schüler, die Lehrer schlagen und umgekehrt, das gehört hier nicht zum Schulalltag."

Doch was kann ein Lehrer oder Nachmittagsbetreuer tun, wenn er merkt, dass er auf dem Schulhof, im Klassenzimmer oder im Netz immer wieder "Opfer" ist? Sind Charisma und natürliche Autorität überhaupt lernbar? "Teilweise", sagen Rössler und Drewes. Vor allem junge Pädagogen müsse man konsequent anleiten, die Spielräume im Lehrer-Schüler-Verhältnis richtig zu bemessen. Freilich gebe es auch aussichtslose Fälle.

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"Ich habe Referendaren schon sagen müssen, dass sie ungeeignet für den Lehrerberuf sind und ich das auch genau so in die Bewertung hineinschreiben muss", sagt Rössler. Klar müsse indes sein: Wer jenseits der gesetzlichen Notwehr-Vorschriften schlage, habe seinen Beruf verfehlt. "Solche Kollegen haben in einem Klassenzimmer nichts mehr verloren."

(RP)
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