Düsseldorf Gewalt gegen Polizisten — Beamte kritisieren zu lasche Justiz

Düsseldorf · Düsseldorfer Polizisten sehen einen Zusammenhang zwischen nachsichtigen Richtern und der wachsenden Bereitschaft junger Straftäter, Beamte im Einsatz anzugreifen. Der Personalrat kritisiert auch die schlechte Ausrüstung.

 Vor einem Jahr in Oberbilk: Zwei Familienclans kämpften am Josefsplatz erst gegeneinander, dann gemeinsam gegen die Polizei.

Vor einem Jahr in Oberbilk: Zwei Familienclans kämpften am Josefsplatz erst gegeneinander, dann gemeinsam gegen die Polizei.

Foto: Kai Jürgens

Ein 22-Jähriger hat vorvergangene Woche die Gäste diverser Cafés im Bahnhofsviertel aufgehetzt, um die Festnahme eines mutmaßlichen Anabolika-Händlers zu verhindern. Mit dem Mann, der beim Kauf des illegalen Dopingmittels von Polizisten beobachtet worden war, und sich mit massiver Gewalt seiner Festnahme widersetzte, hatte der junge Mann ebenso wenig zu tun wie die rund 50 Personen, die der Einsatztrupp Prios am Ende ebenso in Schach halten musste wie den renitenten Mann im Streifenwagen.

Diese "Solidarisierung gegen die Polizei macht uns immer öfter zu schaffen", sagt Harald Walter, Personalratschef im Polizeipräsidium am Jürgensplatz. Und sie sei auch keineswegs auf das Klientel bestimmter Lokale im Bahnhofsviertel beschränkt. "Die Bereitschaft zur Gewalt gegen Polizei zieht sich durch alle Gesellschaftsbereiche."

"Die Kollegen sind auf die eskalierende Gewalt nicht vorbereitet"

Das bestätigen auch die Beamten, die tagtäglich damit zu tun haben. In der Altstadt sind die Streifen längst nicht mehr zu zweit oder zu viert unterwegs, sondern zu sechst. Denn wenn sie einen Randalierer festnehmen, einen Störer überprüfen oder einen Schläger zu Boden bringen, müssen immer auch Polizisten dabei stehen, die diese Maßnahme gegenüber dem aggressiven Publikum schützen.

Die Gesellschaft sei nicht gewalttätiger geworden, sagt Harald Walter. Aber leichtfertiger im Umgang mit Gewalt. Die unablässige Informationsflut, vor allem die über schlechte Nachrichten, versetze die Menschen in eine Art Dauerstress, der wiederum Gewalt produziere, mutmaßt Walter. Und er sieht auch einen Zusammenhang zwischen der wachsenden Gewaltbereitschaft und "den Menschen, die aus Osteuropa oder noch weiter her zu uns kommen und deren Lebenserfahrung ihnen andere Vorstellungen über den Wert des Lebens und seiner Unversehrtheit vermittelt hat". Man müsse darüber reden, sagt Walter, "weil wir darüber nachdenken müssen."

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Die Polizei werde auf Deeskalation trainiert, doch immer häufiger finde sie sich in Situationen wieder, in denen "das gesprochene Wort nicht verstanden wird". Und: "Die Kollegen sind auf die eskalierende Gewalt nicht vorbereitet." Sie müssten besser ausgebildet und vor allem ausgerüstet sein: "Wie in vielen Bereichen liegt die Polizei auch hinter dieser Entwicklung der Kriminalität weit zurück."

Frust bei den Beamten

Dass sie sich durchsetzen können, daran haben die meisten Beamten auf der Straße keinen Zweifel, auch wenn es wie vor einigen Wochen bei einer Auseinandersetzung mit einer gewaltbereiten Großfamilie schon mal der geballten Unterstützung aus dem Umland bedarf. Was die Polizisten aber mindestens genauso empört wie die Respektlosigkeit, mit der sie geschlagen, getreten, beschimpft und bespuckt werden, ist die Respektlosigkeit der Justiz.

"Nicht die Kollegen, die sich zu viel gefallen lassen, sind unser Problem, sondern Staatsanwälte und Richter, die Verfahren einstellen oder gar nicht erst eröffnen", sagt Walter. Nicht einmal Zahlen kennt der Personalrat der Behörde, die sonst für alles eine Statistik führt. "Gewalt gegen Polizeibeamte wird nicht anders erfasst als andere Körperverletzungsdelikte."

Das frustriert viele Beamte, die einerseits wissen, dass die Schläge nicht ihrer Person, sondern ihrem Amt gelten, und die Folgen dennoch sehr persönlich auszubaden haben. "Gewalt gegen Polizisten sollte ein eigener Paragraf im Strafgesetzbuch sein", sagt ein Streifenpolizist. Und fordert wie die meisten seiner Kollegen vor allem, dass die Justiz nicht die Verletzung eines Polizeibeamten als minderschweres Delikt abtut. "Wenn einer dafür bloß eine Ermahnung oder eine milde Strafe bekommt, ist es doch kein Wunder, wenn er es nächstes Mal wieder tut."

(RP)
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