Wehrhahn-Linie in Düsseldorf Der Meister der Röhre

Düsseldorf · Die neue U-Bahn bedeutet für Projektleiter Gerd Wittkötter den Höhepunkt seiner Karriere - zu dem es beinahe nicht gekommen wäre.

Ruhig wie immer, gerührt wie selten: Gerd Wittkötter kurz vor der Jungfernfahrt der Wehrhahn-Linie

Ruhig wie immer, gerührt wie selten: Gerd Wittkötter kurz vor der Jungfernfahrt der Wehrhahn-Linie

Foto: Andreas Bretz

Samstag, 20. Februar, Bürgerfest zur U-Bahn-Eröffnung: Auch Menschen, die Gerd Wittkötter kennen, sind nicht sicher, ob es wirklich er ist, der da auf der Bühne am Schadowplatz spricht. Der Mann, dessen Bild im Lexikon zum Begriff rational gezeigt werden könnte, klingt auf einmal anders: "Ihr habt das mit Bravour gemacht, ich bin stolz, ein Mitglied eures Teams zu sein", ruft er seinen Mitarbeitern zu.

Anfang und Ende des Berufslebens von Gerd Wittkötter sind eng mit Tunneln verbunden. Seine Diplomarbeit schrieb er über Schildvortrieb beim U-Bahn-Bau in Bukarest, nun, mit 67, ist er nach zehn Jahren als Projektleiter mit der Wehrhahn-Linie am Ziel. Zwischen Anfang und Ende liegen 30 Jahre als Ingenieur in der freien Wirtschaft und Bauprojekte aller Art, von Hochhäusern am Seestern bis zum Lötschbergtunnel in der Schweiz.

2005 meldet sein damaliger Arbeitgeber Insolvenz an. Der in München lebende Wittkötter will fortan kleine Projekte als beratender Ingenieur begleiten. Als ein Vertreter der Stadt Düsseldorf anruft und fragt, ob er das Projekt Wehrhahn-Linie leiten möchte, sagt Wittkötter erst einmal Nein. "Die wird doch eh nicht gebaut, die Diskussionen laufen doch schon so lange", schiebt er zum Glück hinterher, und da kann der Anrufer auf einen Ratsbeschluss und erste konkrete Pläne hinweisen.

Nach Düsseldorf zu fahren, ist nie verkehrt, denkt Wittkötter, er war ja schon bis 1993 dort. Er trifft die junge Leiterin des Amts für Verkehrsmanagement, Andrea Blome, wie er aus Ost-Westfalen, und beide merken, dass sie ähnliche Vorstellungen davon haben, wie man Großprojekte umsetzt: Zuständigkeiten müssen gebündelt sein, in diesem Fall bei Blomes Amt ("Das gibt es so bei keiner anderen Stadt"), Entscheidungen brauchen kurze Wege. Bald sitzen alle Beteiligten in einem unscheinbaren Gebäude an der Heinrich-Heine-Allee.

Heute ist Wittkötters Büro dort geprägt von den vielen Terminen der letzten Tage. Seit zwei Wochen hat er nur noch "eingestapelt", sagt er ein typisches Wittkötter-Wort, das gleichermaßen Struktur und Improvisation bedeutet. Seine Mitarbeiter berichten unisono, dass er sehr genau weiß, was wo in diesem vermeintlichen Chaos liegt. Hinter ihm hängt ein mannshohes Bild vom neuen Tunnel. "Ich bin kein Romantiker, aber es gibt Kunst von Künstlern, Kunst von Architekten und eben auch Kunst von Ingenieuren - die man dann nur meistens leider nicht mehr sieht."

Wo der Rheinländer sagt "Et hätt noch immer jot jejange", sagt Gerd Wittkötter: "Man kriegt das meiste in den Griff, man muss nur die Ruhe bewahren." Acht Jahre U-Bahn-Bau in Düsseldorf haben den Satz bisweilen auf die Probe gestellt, aber nie ins Wanken gebracht. Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs im März 2009 war eine solche Probe, vor allem, als im Februar 2010 bekanntwurde, dass Männer, die auf Kölner U-Bahn-Baustellen wichtige Eisenbügel gestohlen haben, auch in Düsseldorf tätig waren - und offenbar auch Protokolle manipuliert haben. Und auch die unerwartete Entdeckung von Überresten des jüdischen Friedhofs unter der Kasernenstraße erfordert einen Wittkötter-Satz: "Die Hosenträger haben wir schon, jetzt legen wir uns noch einen Gürtel zu." Heißt frei übersetzt: Es gab bisher schon Lösungen für alle denkbaren Probleme - jetzt muss die neue Lage eben auch gelöst werden. Und so blieb der Friedhof unangetastet (er wurde einfach noch mal untertunnelt), und so wurde beim Ausbau der Bahnhöfe jede Schlitzwand noch einmal auf womöglich fehlende Eisenbügel hin untersucht.

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Foto: Bretz, Andreas (abr)

Wie es mit ihm weitergeht, dafür hat er keinen Plan. Wittkötter weiß nicht einmal, wie lange sein Vertrag läuft. "Ich gehe, wenn die Arbeit getan ist - das gilt für jeden einzelnen Tag und auch für das gesamte Projekt." Zur Familie an den Tegernsee wird er vorerst weiterhin vor allem am Wochenende fahren, seine Wohnung in der Carlstadt behält er erst einmal. Ob er ein neues Projekt beginnt, ist offen. Wenn, dann sollte es "mehr Rat und weniger Tat bedeuten. Ich müsste das Gefühl haben, dass die Strukturen so sind, dass mein Rat nicht verpufft, sondern wirklich hilft. Für alles andere waren die Bedingungen hier in Düsseldorf einfach zu gut."

Sonntag, 21. Februar, Betriebsstart der Wehrhahn-Linie: Gerd Wittkötter zeigt seiner Frau die neue Station "Heinrich-Heine-Allee". Sie fahren mit der langen Rolltreppe hinunter, Wittkötter erläutert, wo die Töne herkommen. Am Fuß der Rolltreppe streckt ihm ein Mann die Hand entgegen: "Herzlichen Glückwunsch, Herr Wittkötter", sagt er. "Ist schön geworden, oder?", sagt der Meister der Röhre.

(hdf)
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