Interview mit Berater Patrick Föhl "Düsseldorf fehlt eine Kulturvision"

Der Berliner Berater Patrick Föhl sollte dabei helfen, Düsseldorfs Kulturszene zu stärken. Er spricht zum Abschluss über die Ideen für die Zukunft, die neue Bibliothek – und sein Unverständnis über die harte Kritik der CDU.

 Patrick Föhl im Düsseldorfer Medienhafen. Der Berliner Kulturberater führte Tausende Gespräche mit Kulturschaffenden in Düsseldorf.

Patrick Föhl im Düsseldorfer Medienhafen. Der Berliner Kulturberater führte Tausende Gespräche mit Kulturschaffenden in Düsseldorf.

Foto: Andreas Bretz

Der Berliner Berater Patrick Föhl sollte dabei helfen, Düsseldorfs Kulturszene zu stärken. Er spricht zum Abschluss über die Ideen für die Zukunft, die neue Bibliothek — und sein Unverständnis über die harte Kritik der CDU.

Herr Föhl, die wichtigsten Ergebnisse des Kulturentwicklungsplans stehen im Internet. Ganz ehrlich: Das ist harte Lektüre. Braucht man wirklich so sperrige Begriffe wie "digitale Sichtbarkeit" oder "dauerhafte Kommunikationsanlässe", wenn man über Kultur sprechen möchte?

Patrick Föhl Ich weiß, was Sie meinen. Der Bericht richtet sich in seiner jetzigen Form in erster Linie an Kulturakteure, Politik und Verwaltung, dafür nutzen wir die gängigen Vokabeln. Die Öffentlichkeit wird auf anderen Wegen mitgenommen.

Wir können ja mal eine Übersetzung versuchen. Sie haben mit Künstlern, Politikern und vielen anderen Bürgern geredet. Sie sollten herausfinden, wie sich die Kulturlandschaft stärken lässt. Welche Probleme haben Sie am häufigsten gehört?

Föhl Eines der großen Probleme ist sicher der schlechte Zustand vieler Kulturbauten. Es gibt einen Sanierungsstau, der dringend aufgelöst werden muss. Wir schlagen daher einen "Masterplan Kulturbauten" vor, der alle Arbeiten auflistet.

Es ist doch seit langem bekannt, dass Oper, Schauspielhaus und viele andere Kulturbauten saniert werden müssten. Was bringt der Plan?

Föhl Die Politik spielt bislang häufig Feuerwehr. Da wird auf lange Sicht womöglich mehr Steuergeld ausgegeben. Lieber einmal richtig sanieren und langfristige Lösungen finden. Ich weiß, dass das nicht leicht ist, weil man nur schwer Beschlüsse für große Summen bekommt. Für eine ehrliche Diskussion braucht man erst mal Transparenz, auch darüber, welche zukünftigen Anforderungen an Kulturbauten gestellt werden, zum Beispiel im Hinblick auf ihre Zugänglichkeit. Das ist übrigens ein Phänomen, das uns aufgefallen ist: Die Düsseldorfer Kulturpolitik ist häufig zu sehr mit Einzelfragen beschäftigt. Dadurch wird das große Ganze aus den Augen verloren.

Was ist denn das "große Ganze"?

Föhl Es gibt wichtige Themen, die alle Akteure betreffen. Jeder Bürger merkt doch, dass sich unsere Gesellschaft rasant verändert. Die Interessen verändern sich. Die Kultur muss neue Wege finden, sich mitzuteilen und die Menschen mitzunehmen.

Nennen Sie ein konkretes Beispiel.

Föhl Die Digitalisierung. Die Menschen sind überfordert von der Fülle an Informationen. Für viele Kultureinrichtungen ist es gar nicht zu leisten, im Internet - zum Beispiel auf YouTube - vorzukommen oder digitale Entwicklungen kuratorisch zu verarbeiten. Frankfurt am Main betreibt daher ein gemeinsames Internetportal für die Museums- und die Kulturlandschaft. Das soll nun auch in Düsseldorf entstehen. Wir schlagen zudem vor, eine Kulturprojekteagentur zu gründen.

So etwas gibt es bereits in Berlin. Diese Agentur organisiert im Auftrag des Senats zum Beispiel Bildungsprogramme oder Kulturevents für die gesamte Kulturlandschaft.

Föhl Ja. Beispiele sind die Berliner Art Week, Webportale für Künstler, spezielle Führungen oder die Lange Nacht der Museen. Solche gemeinsamen Anlässe sind ein Gewinn für alle, da sie Kultur als gesellschaftliches Wirkungsfeld sichtbar stärken.

Ich habe den Eindruck, dass diese Erkenntnis oft auftaucht: Die Kulturakteure sollten mehr kooperieren.

Föhl Das stimmt. Leider haben wir festgestellt, dass das in Düsseldorf auf vielen Ebenen nicht einfach ist. Häufig ist das Vertrauen in die Politik verloren gegangen. Wir mussten erst einmal Vertrauen schaffen.

Es gab also viel Redebedarf.

Föhl Ja. Ich persönlich habe neben vielen Treffen über 3000 Kontakte per Telefon und E-Mail gehabt. Das habe ich in einem solchen Prozess noch nie erlebt.

Die kleinen Museen haben es auch nicht leicht. Es wird Druck gemacht, dass sie sich modernisieren sollen.

Föhl Ja, sie sind seit Jahrzehnten Reformobjekt. Das ist eine zentrale Herausforderung in der Politik: Man will verordnen und dann passiert am Ende des Tages wenig Konstruktives. Das liegt daran, dass die Betroffenen nicht mitgenommen werden.

Ich hätte als Museumsleiter Angst, dass ich am Ende weniger Geld bekomme, wenn ich Synergien erzeuge.

Föhl Das kann ich nachvollziehen. Aber ich sehe es dennoch anders: Wenn man gemeinsam erfolgreich etwas auf die Beine stellt, dann kann sich die Stimmung ändern. Die Debatte wird ja nur so hart geführt, weil die Politik den Museen teilweise unterstellt, sie seien nicht mehr relevant. Sie müssen in die Lage versetzt werden, aus dieser Falle herauszukommen. Dann bin ich mir sicher, dass konstruktiver diskutiert wird. Es braucht nur jemanden, der den Knoten durchschlägt.

Sie haben ja als Berater in vielen Städten gearbeitet. Wo sehen Sie Düsseldorf im Vergleich?

Föhl Erstmal: Wir sprechen gerade viel über Defizite. Die Stadt hat ein riesiges Potenzial, was man in diesem Umfang nicht erwartet. Denn Düsseldorf ist nach außen aus meiner Sicht viel zu plakativ dargestellt.

Sie meinen die Klischees: reich, behäbig, Rheinlage, Altstadt, Kö...

Föhl Ja. Düsseldorf hat zum Beispiel sehr urbane Ecken und neben den großen öffentlichen Kultureinrichtungen eine ausgeprägte freie wie private Kunst- und Kulturszene. Deshalb ist die neue Zentralbibliothek in einem Gebäude mit Forum Freies Theater, Theatermuseum und hoffentlich noch anderen im Bahnhofsviertel für mich ein mutiges Transformationsprojekt. Man muss zudem weiter an einer Orientierung arbeiten. Es fehlt an einer gemeinsamen Kulturvision.

Sie hatten keinen leichten Stand. Der Prozess wurde immer wieder kritisiert. Gehen Sie mit gutem Gefühl?

Föhl Ganz ehrlich: Ich gehe mit gemischten Gefühlen. Der Prozess wird inzwischen von einem Großteil der Mitwirkenden positiv getragen. Aber es gibt einige, die nicht daran glauben, was ihr gutes Recht ist, aber überproportional die öffentliche Wahrnehmung mitbestimmen. Mich hat zum Beispiel die Rolle einiger Akteure der CDU irritiert. Sie haben viel dafür getan, den Plan kaputt zu reden. Da wurde gesagt, das sei ein Plan für die Freie Szene. Das stimmt nicht. Er ist vor allem auch ein Bekenntnis zu den großen öffentlichen Einrichtungen. Dass man Kultur so sehr politisiert, habe ich noch nie erlebt. Das hat vielen Leuten die Zuversicht genommen, dass sich etwas bewegen wird. Ich bin dennoch hoffnungsvoll, dass man sich nun zusammenrauft.

Wer soll denn die Ergebnisse umsetzen, wenn Sie nicht mehr da sind?

Föhl Ich baue zum Beispiel auf den "Rat für die Künste", den wir angeregt haben. Das ist ein Gremium aus Künstlern und Kulturschaffenden, das dauerhaft die kulturellen Interessen gegenüber der Politik vertreten wird. Ich baue auf die Koordinatorin im Kulturamt, die hoffentlich auch die Umsetzung betreuen wird. Worauf ich auch sehr hoffe: Das Ampel-Bündnis aus SPD, Grünen und FDP muss sich nun zu dem Plan verhalten. Es braucht jetzt eine klare Haltung und Mut.

(RP)
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