Düsseldorf Die Natur heilt sich selbst

Düsseldorf · Ein Jahr nach dem Orkan Ela lässt sich ein Phänomen beobachten: Grün überwuchert den Kahlschlag in den Wäldern. Deswegen müssen nur 20.000 Bäume gepflanzt werden. Ursprünglich war die doppelte Menge geplant.

Soldaten starten mit den Aufräumarbeiten
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Foto: Bretz, Andreas

Die Natur ist immer für eine Überraschung gut. Genau heute vor einem Jahr hat Orkan Ela im Düsseldorfer Stadtwald schwere Verwüstungen angerichtet, nun lässt sich allerorten ein Phänomen beobachten: Umgestürzte Bäume, riesige Wurzelballen, kahl geschlagene Schneisen und die Reifenspuren von schweren Räumfahrzeugen werden von jungem Grün überwuchert. "Es ist nicht zu glauben, welche enormen Selbstheilungskräfte die Natur entwickelt", wundert sich Paul Schmitz, Leiter der Forstabteilung im Gartenamt. Doch bei einem Rundgang durch den Grafenberger und Aaper Wald sind an vielen Orten noch deutliche Wunden zu sehen, die das Farnkraut nicht zudecken kann. Noch nicht.

In keinem Waldgebiet hat der Orkan schlimmer gewütet als im Grafenberger und Aaper Wald - fast 15.000 Bäume wurden hier zerstört. Paul Schmitz: "Insgesamt beträgt die zerstörte Fläche 55 Hektar, das entspricht einer Größe von 55 Fußballfeldern." Nachdem zuerst Straßen, dann Wege von umgestürzten Bäumen frei geräumt waren, wurde der Wald am 1. September 2014 wieder für Spaziergänger frei gegeben - "wir waren die erste der betroffenen Städte, die das geschafft hat", so Schmitz.

Vorher-Nachher: Ein Jahr nach Sturm Ela in Düsseldorf
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Foto: Andreas Endermann

Gleichzeitig begann das große Aufräumen. Ein Kraftakt, der ohne die Hilfe von Spezialunternehmen kaum zu schaffen gewesen wäre, zumal allen Beteiligten klar war: "Am 1. März, rechtzeitig zu Beginn der Brutsaison, müssen wir fertig sein." Von den insgesamt 15 000 Kubikmeter Holz, die in den Wäldern gesammelt wurden, sind nach Angaben des Düsseldorfer Gartenamtes 90 Prozent mittlerweile abtransportiert - das entspricht in etwa 1000 Lkw-Ladungen.

Forstabteilungsleiter Paul Schmitz geht zügig den Bauenhäuser Weg aufwärts, biegt nach links in einen schmalen Weg ein (mit "D" gekennzeichnet). "Hier lassen sich sowohl die Spuren des Orkans erkennen, aber auch die Perspektive für die Zukunft", sagt Schmitz. Positive Aspekte in dieser kahl geschlagenen Fläche, in der ein paar nackte Stämme stehen wie Ausrufezeichen in der Natur, wie Mahnmale? "Täuschen Sie sich nicht", meint Schmitz, "in diesen toten Bäumen steckt Leben."

Der Forstabteilungsleiter spricht von Biotopbäumen, die Tieren neuen Lebensraum bieten. Erst fliegen Insekten auf das Totholz und zersetzen es allmählich, dann folgen Hirschkäfer, die dort ihre Larven ablegen und Spechte, die die Stämme nach Larven abklopfen und die morschen Bäume als Nesthöhlen nutzen. "Die bewohnen den Baum wie ein Hochhaus mit verschiedenen Etagen", sagt Schmitz. Und schließlich finden auch noch Fledermäuse hier Unterschlupf. So erklärt sich, dass viele tote Bäume, Reisighügel (sie werden vom Zaunkönig geschätzt) und umgestürzte Wurzelreste im Wald liegen geblieben sind - als Herberge für die Tierwelt.

Außerdem ließe sich gerade an den Orten mit dem heftigsten Kahlschlag erkennen, dass sie für die Natur "Verjüngungsflächen" sind, so der Experte. Denn nun ist da plötzlich viel Platz für eine neue Generation von Grün, für Himbeeren und Brombeeren, für Springkraut und die unzähligen winzigen Buchen und Erlen, die da aus dem Boden sprießen, gerade mal so hoch wie eine Tulpe. Auch wenn das alles kein Ersatz ist für eine 200-jährige Buche, deren Krone der Orkan abrasiert hat. "Wir beobachten ganz genau, was hier passiert", erläutert Schmitz, "und warten zumindest bei kleineren Flächen erst mal ab."

Bei den größeren aber wird in diesem Herbst das Aufforstungs-Programm beginnen: Etwa 20 000 junge Bäume, gerade mal 1,50 Meter hoch, werden dann von vielen fleißigen Händen in den Wäldern gepflanzt, vor allem Buchen, Trauben- und Stieleichen, aber auch Wildkirsche und Winterlinde. Ursprünglich war die doppelte Menge geplant, doch da hatten die Stadtgärtner die Selbstheilungskräfte der Natur unterschätzt. Schmitz: "Aber wo es nötig ist, da unterstützen wir sie."

(RP)
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