Nebenan.de Den Nachbarn mit dem Mehl gibt es wirklich

Düsseldorf · "Oh Schreck, oh Schreck, mein Mehl ist weg." Zettel mit Reimen wie diesem hängen derzeit an vielen Laternen, Haltestellen und Bäumen im Düsseldorfer Süden. Doch wer ist der Nachbar, der hier auf der Suche nach Backzutaten ist?

 Zettel wie diese hat das Online-Netzwerk www.nebenan.de an mehreren Straßen im Düsseldorfer Süden aufgehängt.

Zettel wie diese hat das Online-Netzwerk www.nebenan.de an mehreren Straßen im Düsseldorfer Süden aufgehängt.

Foto: Laura Sandgathe

"Wir können uns gegenseitig helfen, tauschen, die besten Laufpartner oder die zuverlässigsten Babysitter finden, das Ei zum Backen leihen und vieles, vieles mehr", heißt es auf dem Zettel weiter. "Von Nachbarn für Nachbarn." Klingt gut.

Aber: Den netten Nachbarn, der per gereimter Botschaft auf Din-A-4-Zettel hier Backzutaten sucht, gibt es nicht. Und gleichzeitig gibt es ihn doch. Er wohnt in den Straßen, an deren Laternen die Zettel hängen. Mehr ist über ihn nicht bekannt, noch nicht.

Hinter den Zetteln steckt ein Berliner Start-Up

Die Zettel, die durch ihre simple Aufmachung so wirken, als stammten sie von "echten" Nachbarn und nicht von einem professionellen Unternehmen, haben Mitarbeiter der Online-Plattform www.nebenan.de aufgehängt. Das Netzwerk, hinter dem das Berliner Start-Up-Unternehmen Good Hood GmbH steckt, möchte Nachbarn untereinander vernetzen. Sprich, den Nachbarn mit dem Mehl und den Nachbarn, der welches braucht, zusammenbringen. "Wir glauben, dass in einer Nachbarschaft ganz viel Potenzial steckt, von dem die Nachbarn oft gar nicht wissen", sagt Ina Brunk. Sie ist Mitgründerin von nebenan.de und verantwortlich für Marketing und Kommunikation. Vor etwa einem Jahr hat sie gemeinsam mit fünf Mitstreitern die Plattform in Berlin gegründet.

Die Idee ist aber schon älter und kam Mitgründer Christian Vollmann, als dieser in eine neue Nachbarschaft zog. Um die Leute in seiner Straße kennen zu lernen, ging er von Haustür zu Haustür - und klingelte. Viele Nachbarn reagierten überrascht, hatten sie doch eher den DHL-Boten erwartet als den neuen Nachbarn. Doch dann kamen gute Gespräche und Bekanntschaften zustande, und Vollmann kam die Idee, eine Online-Plattform aufzubauen.

Nur Klarnamen erlaubt

Nebenan.de ist anders als zum Beispiel die "Nett-Werke" bei Facebook. "Wir verbinden Menschen, die räumlich schon sehr nah zusammen leben", sagt Brunk. Eine Nachbarschaft in dem Netzwerk umfasst nur einige Straßen, niemals ganze Städte. Zugang haben nur Menschen, die auch wirklich in der Nachbarschaft leben. Das wird mit einer Verifizierung der Adresse bei der Registrierung abgesichert. Den Zugangscode kann man sich unter anderem per Postkarte zuschicken lassen. Das, was innerhalb der Nachbarschaft geschrieben wird, kann von außen nicht gelesen werden.

Jeder muss sich mit seinem echten Namen anmelden, "so, wie er auf dem Klingelschild steht". Außerdem soll das Netzwerk fest im "echten Leben" verankert sein, statt sich nur online abzuspielen. "Bei nebenan.de kann man einen Nachbarn finden, der einem eine Bohrmaschine leiht. Doch dann muss man hingehen, die Bohrmaschine abholen, und dabei ein Schwätzchen halten", sagt Brunk. Sie beobachte bei den Nutzern der Plattform aber sowieso, dass diese das Bedürfnis haben, sich auch im echten Leben zu begegnen. Die Gruppe ist bunt gemischt, "vor allem melden sich aber Familien mit kleinen Kindern und Leute im Alter 50 plus an", sagt Brunk.

Pempelfort ist Vorreiter

Anders als Facebook und Co. achte nebenan.de auch strikt auf den Datenschutz. "Wir sind ein deutsches Unternehmen und halten uns an die deutschen Datenschutzrichtlinien", sagt Brunk. Die Daten der Nutzer werden den Betreibern zufolge nicht weitergegeben. Die Mitgliedschaft bei nebenan.de ist für Privatpersonen kostenlos. Finanziert wird die Plattform derzeit über Investoren, in Zukunft sollen kleine Gewerbetreibende aus der Nachbarschaft mit ins Boot geholt werden. "Wir bieten ihnen die Möglichkeit, sich mit den Menschen auszutauschen, die ihre erste Zielgruppe sind", sagt Brunk.

In Düsseldorf gibt es bislang 20 Nachbarschaften, in denen jeweils 100 Nachbarn verbunden sind. Die größte ist in Pempelfort-Mitte, andere sind in Golzheim, der Altstadt, in Flingern oder im Zooviertel. Im Düsseldorfer Süden ist die Karte noch weiß. Deshalb die Zettel. "Wir wollen den Nachbarn eine Starthilfe geben", sagt Brunk. Die Betreiber der Plattform erstellen nur dann eine Nachbarschaft, wenn dort auch wirklich Leute sind, die mitmachen wollen. Zehn müssen es mindestens sein.

Ob auf die Zettel im Düsseldorfer Süden tatsächlich genug Nachbarn reagieren, damit auf nebenan.de eine Nachbarschaft entsteht, bleibt abzuwarten. In Städten wie Berlin oder München ist das Netzwerk jedenfalls schon erfolgreich. Am Donnerstag wird ihm der Preis "Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen 2016" der Bundesregierung verliehen. Gefeiert wird mit einem Nachbarschaftsfest in Berlin.

(lsa)
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