Analyse 1. Mai - Arbeiterkundgebung oder bunte Party?

Düsseldorf · Einst kamen mehr als 30.000 Demonstration zur politischen Maikundgebung. "Samstags gehört Vati mir" oder Gehaltszahlung bei Krankheit waren die Forderungen. Mit dem Wohlstand nahm der Zulauf ab, auf wenige 1000. Heute hat der Tag der Arbeit auch in Düsseldorf "Eventcharakter".

 Demonstrationszug am 1. Mai 2007. Die Polizisten trugen damals andere Uniformen als heute. Die Forderungen der IG Metall sind verblüffend aktuell.

Demonstrationszug am 1. Mai 2007. Die Polizisten trugen damals andere Uniformen als heute. Die Forderungen der IG Metall sind verblüffend aktuell.

Foto: C. Göttert

Der Anfang des Maifeiertages ist gar nicht so weit entfernt von dem, was Arbeitnehmer sich heute wünschen. Anfang 1886 ruft die US-Arbeiterbewegung zur Durchsetzung des Acht-Stunden-Tags zum Generalstreik am 1. Mai auf. Die Tradition des "Tags der Arbeit" wollen die Düsseldorfer nach dem Zweiten Weltkrieg so schnell wie möglich wieder aufleben lassen. Und so gelingt es den wieder legalen Arbeiterverbänden am 1. Mai 1946, ihre Mitgliederschaft zu mobilisieren. Düsseldorf und viele öffentliche Plätze liegen noch unter Trümmern, so entscheidet man sich, die erste Maikundgebung auf den Rheinwiesen zu organisieren - da, wo heute im Sommer die Kirmes gefeiert wird.

Das Düsseldorfer Gewerkschaftswesen entwickelt sich schnell in den Wiederaufbaujahren. Immer mehr Menschen sind wieder in Lohn und Brot. In den frühen 1950er Jahren steht die Mitbestimmung im Vordergrund. "Die Demonstranten jener Jahre wollten Mitbestimmung, und zwar paritätische Mitbestimmung", sagt Düsseldorfs DGB-Regionalsekretär Klaus Churt heute.

Das scheint auch zunächst mit dem Montanmitbestimmungsgesetz 1951 in Zechen und Stahlkonzernen auch zu gelingen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind in den Aufsichtsräten gleich stark vertreten. 1952 kommt das Betriebsverfassungsgesetz. Die 1950er Jahre sind die Hochzeit der Maifeiertage. "30.000 Menschen und mehr kamen alljährlich zu den Rheinwiesen", sagt Churt. Mit wachsendem Wohlstand wachsen auch die Forderungen der Arbeiterbewegung. "In den späten 1950er Jahren ist der Maifeiertag am Rhein geprägt von den berühmten Plakaten mit dem Satz ,Samstags gehört Vati mir'", sagt Churt. Die Fünf-Tage-Woche ist das Ziel, das bald erreicht werden soll. Die Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall, heute selbstverständlich, damals revolutionäres Gewerkschaftsziel, setzt die IG Metall relativ brutal mit einem sechs Wochen langen Streik durch.

Mit der Vollbeschäftigung in den 1960ern sinkt die Beteiligung am Tag der Arbeit um zwei Drittel auf 10.000 Menschen. "Teilhabe am Reichtum ist das Ziel vieler Industriearbeiter, die in den Fabriken von Mannesmann, dem Stahlwerk in Oberbilk, den Vereinigten Kesselwerken, bei Rheinmetall und in der Gerresheimer Glashütte in der Stadt noch viel stärker als heute vertreten sind." Splittergruppen wie die Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten entstehen in den hochpolitischen 70ern und geraten in Zwist mit dem DGB. "Weil es immer wieder zu Störungen der Düsseldorfer Maikundgebungen kommt, wird überlegt, die Feier in einen Saal zu verlegen", sagt Churt. Die Pläne werden aber verworfen.

Unter Düsseldorfs DGB-Kreisvorsitzendem Hans Reymann (1971 bis 1988) gibt es eine Wende. Die Maikundgebung wird 1978 in den Hofgarten verlegt. Ein neues Konzept kommt. Neben der Kundgebung gibt es Stände von befreundeten Organisationen wie dem CDU-Arbeitnehmerflügel CDA, der Awo, Umweltinitiativen und später den Grünen. Die Teilnehmerzahlen kann das nicht nach oben bewegen, sie sinken in den 70er und 80er Jahren auf 6000 bis 8000 Menschen. Um die Maikundgebung wird es immer ruhiger. Vom Feiertag der Arbeitnehmer wird das Fest mehr und mehr zu einem der organisierten Gewerkschafter. 2013 nahmen nur noch 2000 an der Kundgebung teil, 5000 etwa besuchten die Stände.

Für die DGB-Funktionäre der Zeitpunkt zum Umdenken. Sie beschließen unter internen Protesten, die Maifeier vom Hofgarten zur Rheinpromenade zu verlegen. Manche Organisationen ziehen nicht mit. Doch der Umzug wird ein Erfolg. Viele Düsseldorfer nutzen den Feiertag, um am Rhein spazieren zu gehen und bleiben so bei den vielen Ständen quasi hängen. Die Besucherzahlen steigen wieder, wenn auch nur leicht.

Am Sonntag um 11 Uhr startet wieder der Demozug vor dem Gewerkschaftshaus an der Friedrich-Ebert-Straße, der dann durch die Stadt zum Rheinufer zieht. Diverse Rheinbahnlinien fallen aus, es wird geraten, in der Zeit U- und S-Bahnen zu nutzen, die nicht betroffen sind. Ab 12 Uhr startet die Kundgebung am Horionplatz mit DGB-Chefin Sigrid Wolf, OB Thomas Geisel und IG-Metall-Vorsitzendem Jörg Hofmann.

Der Maifeiertag hat sich verändert. "Wir sind eine politische Organisation und kein Partykomitee", sagt Churt. Und doch spielen morgen am Nachmittag Bands, erstmals gehen die Maifeiern bis 17 statt bis 15 Uhr. Aus der großen Kundgebung mit mächtigen Worten ist eine feine, bunte Fete am Rhein geworden.

(tb.)
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