Prozess gegen Sven Lau Dschihad-Abhärtung im Beerdigungsinstitut

Es war der große Auftritt des Verteidigers von Salafistenprediger Sven Lau: Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf hat erneut Kronzeuge Ismail I. ausgesagt. Laus Anwalt tat alles, um den Zeugen in Widersprüche zu verwickeln.

 Sven Lau mit Anwalt Mutlu Günal (r., Archiv)

Sven Lau mit Anwalt Mutlu Günal (r., Archiv)

Foto: dpa, fg pil

Der Mann mit dem Aktenkoffer aus Aluminium ist an der Reihe, dem Kronzeugen Ismail I. Fragen zu stellen. Der Alu-Koffer ist das Markenzeichen von Sven Laus Anwalt Mutlu Günal. Der Bonner Verteidiger zieht das Gepäckstück immer schwungvoll hinter sich her, und im Gerichtssaal steht er immer neben dem Stuhl des Verteidigers. Nur heute fehlt der Koffer, als der Vorsitzende Richter Frank Schreiber den Prozesstag eröffnet. Ist der Aktenkoffer nicht da, ist auch Günal nicht da. Der Verteidiger verspätet sich etwas.

Anwalt Günal ist in der salafistischen Szene bekannt. Er hat schon mehrere Salafisten verteidigt, unter anderem Ibrahim Abou Nagie, dessen "Lies!"-Aktion der Bundesinnenminister vor zwei Wochen verboten hat. Derzeit verteidigt Günal auch Safia S., die in Hannover einen Polizisten mit einem Messer angegriffen haben soll.

Günal ist ein harter Hund, vor dem Prozess hat er den Zeugen, der am Dienstag im Lau-Prozess geladen ist, als "notorischen Lügner" bezeichnet. Ismail I. könnte Günals Mandanten, dem Salafistenprediger Sven Lau, gefährlich werden. Denn I. ist als Kämpfer nach Syrien ausgereist und hat sich dort einer Kampfeinheit der "Jamwa" angeschlossen, die von Konrad S. geleitet wurde - einem Freund Sven Laus aus Gladbacher Tagen.

"Jamwa" - das bedeutet auf Deutsch "Armee der Ausgereisten und Unterstützer". Die islamistisch-dschihadistische Miliz hat sich 2013 der Terrororganisation IS in Syrien angeschlossen. I. ist seit März rechtskräftig verurteilter Terrorist. Viereinhalb Jahre muss er in der JVA Schwäbisch-Hall absitzen. Auch er weiß genau, mit wem er es zu tun hat.

Am Dienstag sitzen sich also ein verurteilter Terrorist und der Salafisten-Anwalt gegenüber. Und der Salafisten-Anwalt muss versuchen, den Kronzeugen, der schon in der vergangenen Woche umfassend ausgepackt hat, in Widersprüche zu verwickeln. Dafür bieten sich ihm zwei Angriffspunkte: Günal möchte darstellen, dass Lau I. nicht erst zur Syrienreise überreden musste, sondern dass I. von alleine auf die Idee kam, in Syrien als Kämpfer der "Jamwa" zu sterben.

Günal hinterfragt die Motive des Zeugen für seine Aussage gegen Lau. Im Prozess vor dem OLG Stuttgart hatte I. Lau nicht belastet. Nun aber entscheidet das dortige Gericht über eine vorzeitige Haftentlassung und die Aussetzung zur Bewährung der verbleibenden Strafe. I. sitzt schon seit November 2013 in U-Haft. Mehr als drei Jahre hat er also schon hinter sich.

Der Verteidiger will als erstes wissen, wann genau I. und Lau sich getroffen haben. Das sei auf einer Pilgerreise in Saudi-Arabien gewesen. Dort habe Lau über seinen Aufenthalt in Syrien berichtet und ihm Fotos gezeigt. Kurz nach ihrem ersten Treffen sollen sich die beiden schon über eine mögliche Ausreise nach Syrien unterhalten haben. "Einmal hat mich Lau zu einem Beerdigungsinstitut mitgenommen, um mir die Angst vor dem Tod zu nehmen, wie er sagte", erzählt der 26-jährige I. vor Gericht. Dort hätten sie geholfen, Leichen einzubalsamieren und für ein muslimisches Begräbnis bereit zu machen.

Die beiden hätten vereinbart, dass I. sich nach seiner Rückkehr nach Deutschland melde und Lau ihm dann bei seiner Ausreise helfe. Das belegen auch die WhatsApp-Chatverläufe, die an riesige Leinwände im Saal 2 des Hochsicherheitstrakts des Oberlandesgerichts projiziert werden. Am 10. August 2013 schreibt I. Lau eine Nachricht, und da beginnt ein intensiver Kontakt zwischen den beiden. Sie schreiben sich fast täglich.

Innerhalb von zwölf Tagen reiste I. nach Syrien aus

Am 16. August reist I. von seiner Heimatstadt Stuttgart nach Mönchengladbach, am 22. August fliegt er zusammen mit einem anderen jungen Islamisten aus der Gladbacher Szene in die türkische Stadt Gaziantep in der Nähe der syrischen Grenze. Von dort geht es weiter nach Syrien.

I. hatte in der vergangen Woche im Prozess ausgesagt, Lau habe dafür gesorgt, dass er in Stuttgart "keine Wurzeln schlägt", und ihm deshalb angeboten, ihn auf einem Hilfstransport mit seinem Verein "Helfen in Not" mit nach Syrien zu nehmen. Dass es keinen Hilfstransport geben werde, habe Lau ihm erst in Gladbach gesagt, als er sich bereits von seiner Familie verabschiedet hatte.

Günal hakt nach, will wissen, wie Lau I. beeinflusste und wer wen wie häufig anrief oder anschrieb. Die Initiative, so will er anhand von Telefondaten zeigen, sei von I. ausgegangen. Er habe Lau mehrfach angerufen, um die Ausreise zu besprechen. "Um das mal klarzustellen: Ich wollte da runter, und Herr Lau hat es mir ermöglicht", sagt I. da. "Ok, lassen wir mal beiseite, wer wen gestalkt hat", schießt der Verteidiger zurück. "Von Stalking kann keine Rede sein, wir können ruhig sachlich bleiben", antwortet I. schlagfertig. Beide grinsen. "Jetzt sehen wir uns hier an und lachen", sagt I. und lacht.

Inhaltlich geht der Punkt an den Lau-Verteidiger. Doch nach wie vor steht die I.s Aussage im Raum, dass Lau den Kontakt zu einem Schleuser und zu Konrad S. herstellte, dem Leiter der deutschen Kampfeinheit der "Jamwa". Wie das Gericht das bewertet, wird letztlich das Urteil zeigen.

I.s Aussage gegen eine vorzeitige Haftentlassung

Bei der Frage der Entlassung aus dem Gefängnis nach zwei Dritteln der Haft steht es am Ende unentschieden. Günal hält I. vor, er habe bei der Polizei ausgesagt, dass die Aussage gegen Lau sich positiv auf seine Zweidrittel-Regelung auswirken solle. "Das stimmt, aber nicht um den Preis einer Falschaussage, sonst bleibe ich länger im Gefängnis", kontert der Zeuge.

Günal will wissen, ob es eine Absprache zwischen dem Generalbundesanwalt und I. gegeben habe, dass er schneller aus dem Gefängnis komme, wenn er im Lau-Prozess auspacke. "Mir wurde weder von Seiten der Polizei noch von Seiten der Bundesanwaltschaft etwas angeboten", sagt I. Da schaltet sich der Vorsitzende Richter ein: "Die haben ja auch nichts anzubieten. Die treffen schließlich nicht die Entscheidung."

Irgendwann gehen der Verteidigung die Fragen aus. Der Vorsitzende Richter schließt die Verhandlung. I. wird am 6. Dezember noch einmal vor dem Senat aussagen. Und wieder wird der Mann mit Alu-Aktenkoffer die Fragen stellen.

Eine Übersicht aller bekannter Islamisten in der Region finden Sie hier:

(heif)
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