Probleme in der Altstadt Die "sündige Meile" als Vorbild für Düsseldorf

Düsseldorf · Die Stadt Hamburg investiert 1,9 Millionen Euro in die Erneuerung von St. Pauli. Ob das auch für die Düsseldorfer Altstadt funktionieren könnte?

 Quartiermanagerin Julia Staron zeigt die vielbeachtete Maßnahme entnervter Anwohner auf St. Pauli: Speziallack, der (Körper-)Flüssigkeiten abprallen lässt

Quartiermanagerin Julia Staron zeigt die vielbeachtete Maßnahme entnervter Anwohner auf St. Pauli: Speziallack, der (Körper-)Flüssigkeiten abprallen lässt

Foto: dpa

Werbefachmann Frank Schrader hat schon bei seinem Amtsantritt als Chef der Düsseldorf Marketing und Tourismus deutlich gemacht, wo er Inspiration und Orientierung sucht: Hamburg macht vor, was auch für Düsseldorf interessant sein könnte. Von der Markenpositionierung bis zum Briefpapier - die Hansestadt hat (sich) in den vergangenen Jahren einiges geleistet, was als durchaus vorbildlich gelten kann.

Nun kann man sicher nicht den Medienhafen mit den Landungsbrücken vergleichen und muss (zum Glück) auch nicht Gemeinsamkeiten von Tonhalle und Elbphilharmonie suchen. Aber wo Düsseldorf und Hamburg ganz ähnlich ticken, das ist das Nachtleben. Jeweils ein guter halber Quadratkilometer beider Städte ist weltberühmt für Amüsement und Alkohol.

Der gravierende Unterschied: Während die Altstadt seit Jahren vergeblich gegen den Ballermann-Effekt kämpft und bei den Düsseldorfern vermehrt auf Widerwillen stößt, ist die Reeperbahn seit den späten 1990ern im stetigen Aufwind auch bei den Einheimischen. Kein Wunder also, dass Schrader und die Altstadtwirte schnell übereinkamen, sich selbst von Hamburgs Strategien ein Bild zu machen. Mit dem DMT-Chef und Kürzer-Wirt Hans-Peter Schwemin verschafften sich gestern auch der Polizeipräsident und der Leiter der Altstadtwache ebenso wie die städtischen Ordnungsbehörden einen ersten Eindruck. Den fasste Ordnungsdezernent Stephan Keller so zusammen: "Der ganzheitliche Ansatz aus Ordnung, Sicherheit, Stadtplanung, aber auch Marketing, mit dem bereits jetzt die Reeperbahn attraktiver gemacht werden konnte, macht dieses Projekt so spannend."

Das Projekt ist der 2014 ausgerufene Business Improvement District Reeperbahn +, den die Interessengemeinschaft im Stadtteil schon seit 2008 gefordert hat. Zum Innovationsviertel gehören zwei Quartiersmanager und 1,9 Millionen Euro, von denen vom Reinigungsdienst über ein Marketingkonzept bis zu städtebaulichen und sicherheitstechnischen Projekten zahlreiche Maßnahmen finanziert werden. Am meisten Aufsehen hat zweifelssohne die im vergangenen Jahr gestartete "St. Pauli pinkelt zurück"-Kampagne erregt. Eine Profi-Agentur hatte im Internet in Szene gesetzt, wie Anwohner des Vergnügungsviertels mit einem flüssigkeitsabweisenden Speziallack Wildpinklern die Schuhe nass machen. Aber es gehört natürlich eine Menge mehr dazu, vom Abriss der berühmten Esso-Hochhäuser samt der noch berühmteren Tankstelle und der von Bürgern mit geplanten Neubebauung des Areals bis hin zu einem Sicherheitskonzept, das sich von dem der Düsseldorfer Altstadt hauptsächlich durch ein dauerhaftes Waffen- und Glasflaschenverbot unterscheidet.

Unterschiede gibt es auch im Marketing-Bereich: Während im Norden für die Reeperbahn geworben wird, ohne die Schattenseiten auszuklammern ("Natürlich gibt es auch mal Streit, das ist bei der täglichen Masse an Besuchern in ihren jeweiligen Zuständen nicht zu verhindern"), zeigt Düsseldorfs offizieller Imagefilm von der Altstadt nur sonnige Terrassenbilder und einen Blick in eine Hausbrauerei. Von heißen Partynächten an der längsten Theke der Welt ist auch auf der Homepage keine Rede. Und während in St. Pauli das "Wir"-Gefühl ausdrücklich auch für die Reeperbahn gilt ("Man muss sie nicht lieben, aber man muss sie einmal mit jemandem gesehen haben, der sie liebt"), werben Altstadtführungen in Düsseldorf vor allem mit schönen Kirchen, alten Häusern und Kunst-Adressen, als wäre die Altstadt nicht auch die längste Theke der Welt.

Eine Interessengemeinschaft wie in Hamburg gibt es auch in der Altstadt, aber längst nicht alle Club- und Kneipenbetreiber sind tatsächlich am Gesamtkonzept interessiert, für das sich etwa die Altstadtwirte einsetzen. Ob das Reeperbahn-Konzept auch für sie spannend ist, bleibt abzuwarten - die 1,9 Millionen Euro haben dort die Grundstückseigentümer aufgebracht.

(RP)
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