Reinhold Knopp "Die Schätze der Stadt in den Blick nehmen"

Düsseldorf · Die Kapelle der Ulmer Höh wurde durch Brandstiftung schwer beschädigt, andere leerstehende Gebäude in der Stadt verfallen. Der Stadtsoziologe Reinhold Knopp rät zu mehr Aufmerksamkeit.

 Reinhold Knopp mahnt einen achtsamen Umgang mit den baukulturellen Schätzen der Stadt an.

Reinhold Knopp mahnt einen achtsamen Umgang mit den baukulturellen Schätzen der Stadt an.

Foto: Andreas Endermann

Die Ulmer Höh als Gebäude in Landes-Eigentum ist nur ein Beispiel von leerstehenden Bauwerken in der Stadt, die verfallen oder mutwillig zerstört werden. Was sagt das über die Gesellschaft aus, der sie gehören?

Knopp Ich will niemanden anklagen und würde deshalb lieber so antworten: Es gehört zur Stadtkultur, diese Objekte in den Blick zu nehmen und Perspektiven dafür zu entwickeln.

Das ist speziell im Fall der Ulmer Höh geschehen - aber vor vier Jahren.

Knopp Dass ein solcher Prozess so lange dauert und das Objekt nicht angemessen geschützt wird, ist nicht akzeptabel. Stadt und Land haben ja den Anspruch, zu erhalten, was Bestandteil unserer Stadt- und Baukultur ist. Und den erfüllen sie durchaus auch. Es gibt nämlich nicht nur die genannten Negativ-, sondern auch eine Reihe positiver Beispiele wie den Erinnerungsort in unserer Bibliothek an der Hochschule Düsseldorf, das Kulturzentrum Zakk oder das Tanzhaus NRW.

Meinen Sie mit "in den Blick nehmen" das unbedingte Erhalten oder teilweise Integrieren in Neues?

Knopp Nein, nicht unbedingt. Man muss abwägen: Ist das Objekt wichtig als Repräsentant für unsere Stadtkultur? Ist es wirtschaftlich zu erhalten, und vor allem: Gibt es eine gute Idee dafür? "In den Blick nehmen" bedeutet eben, sich damit zu beschäftigen. Am Ende kann die Entscheidung durchaus auch für einen Abriss stehen. Oder dafür, ein Objekt mit konkreten Auflagen für einen Teilerhalt an einen Investor zu geben. Auch dafür gibt es gelungene Beispiele in Düsseldorf wie den Bunker in Bilk. Solche Diskussionen und Entscheidungen gehören aber in die städtische Öffentlichkeit, denn der Umgang mit unserer historischen Baukultur ist ein Thema für die gesamte Stadtgesellschaft.

Aber was nützt das, wenn dann gar nichts passiert?

Knopp Man kann über Zwischennutzungen nachdenken. Auch dafür gibt es gute Beispiele, etwa das BouiBoui in Bilk. Wenn sich etwas tut an einem solchen Objekt, ist es auch vor Vandalismus geschützt.

Apropos Vandalismus: Bei Industriegebäuden wie der alten Papierfabrik im Hafen liegt die Zuständigkeit aber nicht bei der Stadt.

Knopp Das stimmt. Aber die Industrie gehört zur Geschichte der Stadt, ebenso wie ihr Rückzug. Und deshalb liegt der Umgang mit den Relikten auch in der Verantwortung einer Stadt. Die muss dann notfalls auch darauf drängen, dass ein Objekt gesichert und über seine Zukunft nachgedacht wird. Auch an der Ulmer Höh wäre besser gewesen, auf die ersten Anzeichen von Verwüstung sofort zu reagieren. Hier ist zwar das Land Eigentümer, aber die Stadt muss sich für solche Objekte einsetzen und auch Druck machen.

Die Verantwortung liegt also bei den Baubehörden?

Knopp Nicht ausschließlich. Städtische Öffentlichkeit besteht einerseits aus Stadtpolitik und Verwaltung, andererseits auch aus der Bürgerschaft, die es zu beteiligen gilt. Man könnte beginnen, ein Kataster von solchen Objekten zusammenzustellen, die leerstehen oder demnächst leerstehen werden und mit den Bürgern in einer öffentlichen Diskussion Ideen und Prioritäten entwickeln. Es ist dabei wichtig, auch die direkte Nachbarschaft einzubeziehen. Mit einem solchen öffentlichen Handeln kann ein Stück weit die Aufmerksamkeit und Wertschätzung für solche Gebäude als kulturelle Schätze der Stadt sichergestellt werden. Der Brand in der Ulmer Höh ist in Folge ein schlimmer Verlust an städtischer Baukultur. Aber wenn er jetzt zum Anlass genommen würde, um den Umgang mit solchen Objekten zu verändern, wäre das eine positive Perspektive.

(RP)
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