Rund ums Rathaus Die Nadelbaum-Verschwörung

Düsseldorf · Die Tanne vor dem Rathaus kommt diesmal nicht aus Lillehammer - der Bürgermeister der norwegischen Stadt reiste trotzdem an. Und eine Rotfichte aus Angermund wehrte sich mit allen Zweigen dagegen, vors Kanzleramt zu kommen.

 Nicht aus Norwegen: Die Tanne, vor der sich hier Zeynep, Maira und Sehar (v. l.) fotografieren, stammt aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis.

Nicht aus Norwegen: Die Tanne, vor der sich hier Zeynep, Maira und Sehar (v. l.) fotografieren, stammt aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis.

Foto: Andreas Endermann

Auch wenn es langweilig scheinen mag, ist es wichtig, dass es noch Dinge gibt, die sich einfach nicht ändern. Das Prozedere bei der Eröffnung des Weihnachtsmarkts vor dem Rathaus gehört seit Jahren dazu. Oberbürgermeister wechseln, die Lillehammer-Tanne aber bleibt. So war das 35 Jahre lang: Das jeweilige Stadtoberhaupt der norwegischen Stadt schickte in der Vorweihnachtszeit ein prächtiges Nadelbaum-Exemplar aus dem heimischen Forst in die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen und reiste persönlich hinterher, um beim ersten Erleuchten des Geschenks dabei zu sein.

Und nun? Aus. Vorbei. Vor dem Rathaus steht zwar eine beeindruckende Nordmann-Tanne. Und wir waren uns wirklich sicher, den typischen Lillehammer-Style wiederzuerkennen, schließlich war alles wie immer: Lillehammers Bürgermeister Espen Granberg Johnsen war angereist, um sie mit seinem Düsseldorfer Amtskollegen Thomas Geisel zu entzünden. Auch Geisels früherer Boss, Eon-Vorstandschef Johannes Teyssen, war in seiner Rolle als Königlich Norwegischer Honorargeneralkonsul dabei. Nichts deutete darauf hin, dass hier mit einer jahrzehntelangen Tradition gebrochen wurde. Doch man hätte sich nicht von den Weihnachtsliedern einlullen lassen, sondern mehr auf die Zwischentöne achten sollen. Denn die Norweger haben diesmal nur noch die Patenschaft für die Tanne übernommen, was nicht zwingend heißt, dass der Baum aus Norwegen stammt.

Recherchen ergaben, dass diese Tanne im Rheinisch-Bergischen Kreis gefällt worden und von der Delegation symbolisch dem Rathaus-Chef übergeben worden ist. Einen ähnlichen, weitaus verschwörerischen Fall hatte es bereits vor einigen Jahren gegeben. Damals war die Lillehammer-Tanne nicht mehr taufrisch und nahezu abgenadelt in Düsseldorf angekommen, klammheimlich sollte sie durch ein heimisches Exemplar ersetzt werden. Doch das Ganze flog schließlich auf, Düsseldorf hatte den ersten Nadelbaum-Skandal. Der Beginn einer Serie? Denn unklar sind auch jetzt die genauen Hintergründe für den Ausstieg der Norweger. Es gehe um Nachhaltigkeit, heißt es. Ob damit Lillehammers Haushalt gemeint ist - oder doch die Umwelt? Den Baumschützern wird es am Ende egal sein, wo ein Baum dieser Größe nicht mehr steht.

Die Fällung eines Exemplars auf Düsseldorfer Boden konnten sie jedenfalls nicht verhindern. Da halfen selbst Appell-Briefe an Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht. Denn für sie und ihr Kanzleramt war die 40 Jahre alte und 13 Meter hohe Rotfichte aus den Ländereien rund um Schloss Heltorf in Angermund bestimmt. Einen gewissen Einfluss scheinen die Düsseldorfer Ressourcenschützer, die sich gegen Kahlschlag und für "Lebende Weihnachtsbäume" einsetzen, allerdings doch zu haben: Denn die Fichte hing offenbar sehr an ihrer Heimat und wehrte sich wirklich mit allen Zweigen, Düsseldorf gegen das Berliner Kanzleramt zu tauschen. Zumindest verlief der Transport alles andere als reibungslos.

Bereits kurz nach dem Fällen durch die Spee'sche Forstverwaltung ging nichts mehr. Der bestellte Autokran war einen halben Meter tief im Schlamm stecken geblieben. Erst mit deutlicher Verspätung verließ die Fichte also Düsseldorfer Boden. Der Widerstand blieb aber ungebrochen, selbst nach fast neunstündiger Fahrt im fernen Berlin: Die Einfahrt in den Ehrenhof des Kanzleramts war schlicht zu eng für den Riesen aus Düsseldorf. Beim Transporter musste erst Luft aus den Reifen gelassen werden.

Düsseldorf und die Weihnachtsbäume - eine echt nadelige Angelegenheit.

(RP)
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