Linke im Interview "Die Gewerbesteuer muss erhöht werden"

Düsseldorf · Angelika Kraft-Dlangamandla und Lutz Pfundner stehen an der Spitze der Düsseldorfer Linksfraktion - und sind durchaus froh, in der Opposition zu sein.

 Die Doppelspitze der vierköpfigen Linksfraktion: Angelika Kraft-Dlangamandla und Lutz Pfundner setzen im Stadtrat Inhalte vor Ideologie. Wenn ein CDU-Antrag für sie Sinn macht, stimmen die dem auch mal zu. Und mit der Ampel aus SPD, Grünen und FDP sind sie bei vielen Punkten uneins.

Die Doppelspitze der vierköpfigen Linksfraktion: Angelika Kraft-Dlangamandla und Lutz Pfundner setzen im Stadtrat Inhalte vor Ideologie. Wenn ein CDU-Antrag für sie Sinn macht, stimmen die dem auch mal zu. Und mit der Ampel aus SPD, Grünen und FDP sind sie bei vielen Punkten uneins.

Foto: Andreas Endermann

Frau Kraft-Dlangamandla, Herr Pfundner, wenn Sie auf den Platz von Oberbürgermeister Thomas Geisel im Ratssaal blicken: Wie zufrieden sind Sie mit seiner Sitzungsleitung?

Pfundner Ins Zeugnis würde ich schreiben: Er war bemüht, die Sitzung ordnungsgemäß zu leiten. Mit der Geschäftsordnung hat er manchmal Schwierigkeiten. Kraft-Dlangamandla Seine Sitzungsleitung ist oftmals nicht objektiv. Aber man kann bei ihm auch mal lachen. Pfundner Ja, lustig ist er schon.

Bedauern Sie, dass es 2014 nicht für eine Koalition von Rot-Rot-Grün gereicht hat?

Kraft-Dlangamandla Ein festes Bündnis hätten wir ohnehin nicht mitgemacht, weil man dann als kleinste Fraktion immer das Nachsehen hat.

Die FDP beweist aber als kleinster Partner in der Ampel mit SPD und Grünen das Gegenteil, schert oft aus.

Kraft-Dlangamandla Das ist aber nicht unser Anliegen. Wenn wir für oder gegen etwas sind, muss es inhaltlich berechtigt sein. Pfundner Mit SPD und Grünen sind wir uns bei vielem nicht einig.

Zum Beispiel?

Pfundner In der Wohnungspolitik. Wir fordern kommunalen Wohnungsbau, dass die Stadt investiert und dafür Kredite aufnimmt. Außerdem eine Zweckentfremdungssatzung, um gegen den hohen Leerstand anzugehen, und 50 Prozent öffentlich geförderten Wohnraum. Kraft-Dlangamandla Dazu brauchen wir auch alle städtischen Grundstücke und sind gegen den Verkauf städtischen Grunds.

Geförderte Wohnungen stehen nur niedrigen Einkommensgruppen zu. Was ist mit jenen, die knapp darüber liegen? Die holen Sie nicht ab.

Pfundner Aber natürlich, über die kommunalen Wohnungen. Vorbildlich ist da Wien, wo es 220.000 kommunale und 200.000 öffentlich geförderte Wohnungen gibt. Überträgt man das auf Düsseldorf, müssten es hier 70.000 kommunale und 65.000 geförderte sein. Davon sind wir weit entfernt. Und Wien ist keine sozialistische Großstadt.

Sind Sie inzwischen die wahren Sozialdemokraten?

Pfundner Wenn man es von August Bebel her betrachtet, vielleicht.

Mit der CDU stehen Sie im Rat oft auf einer Seite, auch bei der Ablehnung von Ampel-Anträgen. Wie passt das?

Kraft-Dlangamandla Übereinstimmungen gibt es erst, seit die CDU in der Opposition ist. Sie hat einige Positionen geändert, wir sind bei unserer geblieben. Wir beraten in der Fraktion aber natürlich auch die Anträge der CDU. Wenn dadurch etwas in unserem Sinne verbessert wird, stimmen wir dem selbstverständlich zu. Wir bewerten das inhaltlich und nicht ideologisch. Pfundner Umgekehrt ist das übrigens nicht so. Kraft-Dlangamandla Für einige in der CDU sind wir immer noch von der SED gesteuert.

Hadern Sie denn manchmal selbst mit der Nachfolge der DDR-Staatspartei SED?

Pfundner Ich war erst Mitglied der SPD, später bei den Grünen. Beide habe ich aus friedenspolitischen Gründen verlassen, aber ich war nie bei der DKP, weil ich deren zentralistische Organisation stets abgelehnt habe. Ähnlich sehe ich die SED. Kraft-Dlangamandla Ich war in der DKP, bin aber 1984 ausgetreten, weil es mir zu zentralistisch und autoritär war.

Die Schulbaufirma haben Sie nicht mitgetragen. Wollen Sie nicht, dass es beim Schulbau vorangeht?

Kraft-Dlangamandla Natürlich wollen wir das, aber die Stadt sollte das mit eigenen Leuten machen. Pfundner Das Problem ist, dass die Firma Bankkredite aufnimmt und die Stadt über an die Bank abgetretene Mietforderungen die Kredite abbezahlt. So kann sie es formal als schuldenfrei laufenlassen.

Ist Düsseldorf denn noch schuldenfrei?

Pfundner Nein, deswegen haben wir beantragt, die Schuldenfrei-Uhr am Rathaus abzuschalten. Die Stadt hat 137 Millionen Euro Kredite bei Banken, die Rücklagen sind aufgebraucht und so ist auch der Kernhaushalt nicht schuldenfrei.

Müsste die FDP also wie angekündigt die Ampel platzen lassen?

Pfundner Spätestens seit der Aufnahme neuer Bankkredite ja. Kraft-Dlangamandla Ich glaube nicht, dass sie das macht. Sie hängt doch an der Macht.

Fest steht aber, dass die Finanzlage angespannt ist. Was schlagen Sie vor?

Pfundner Die Finanzpolitik muss insgesamt umgebaut werden. Wir fordern seit Jahren, den Hebesatz der Gewerbesteuer um zehn Prozent von 440 auf 484 Punkte zu erhöhen.

Aber das schadet der Wirtschaft ...

Pfundner Nein. Bei einem Profit von 100.000 Euro jährlich bedeutet das für ein Unternehmen 128 Euro mehr im Monat und für die Stadt 90 Millionen Euro Mehreinnahmen im Jahr. Das ist als gesellschaftlicher Beitrag notwendig.

In der Region sind Kommunen mit Gewerbesteuersätzen von unter 300.

Pfundner Es gibt in der Region auch viele Städte mit weitaus höheren Sätzen, dennoch wandern die Unternehmen dort nicht ab. Die Gewerbesteuer ist nicht entscheidend.

Müsste Düsseldorf nicht mit 900 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen auskommen?

Kraft-Dlangamandla Die Frage ist doch, wofür das Geld ausgegeben wird. Die U81 zum Beispiel halten wir für unnötig. Andere Dinge wie Kitas, Schulen oder Wohnen sind hingegen unglaublich wichtig.

Und die Tour de France? Bei der Entscheidung zur Finanzierung haben Sie nicht dagegen gestimmt. Warum?

Pfundner Der Hauptgrund war, dass die Sache schon angelaufen war. Es hätte viel Geld gekostet, zu diesem Zeitpunkt auszusteigen. Deshalb haben wir uns enthalten. Kraft-Dlangamandla Wir hatten lange darüber diskutiert. Pfundner Zudem hatte die Stadt unsere Forderung erfüllt, die unseriösen Gewerbesteuereffekte bei den Einnahmen herauszunehmen.

Sie haben 69 Millionen Euro für Flüchtlings-Wohnmodule zugestimmt. Wären Wohnungen besser?

Kraft-Dlangamandla Natürlich. Wir sind gegen Massenunterkünfte. Vor allem, weil hier 14.000 Wohnungen leerstehen. Andererseits muss schnell gehandelt werden, um die Menschen unterzubringen.

Sorgt Sie, dass Rechtspopulisten bei der Klientel Ihrer Partei punkten könnten?

Pfundner Das Problem ist, dass Republikaner und AfD vorgeben, für die kleinen Leute da zu sein, ohne dass es stimmt. Deshalb ist es wichtig, die zu entlarven und eine klare Haltung zu behalten.

Machen Ereignisse wie Silvester in Köln oder die jüngsten Terroranschläge es schwerer, zu überzeugen?

Kraft-Dlangamandla Ja. Aber es lässt sich erklären. Bei Deutschen gibt es Straftäter, bei Geflüchteten gibt es die auch. Man darf grundsätzlich nie pauschal verurteilen.

Sahra Wagenknecht hat den Bundestagswahlkreis in Düsseldorf. Wie stehen Sie zu ihrer Aussage, die Flüchtlingsströme seien problematisch?

Kraft-Dlangamandla Ich finde sie in vielen Aussagen sehr gut, aber diese Pressemitteilung kritisiere ich sehr. Sie entspricht nicht unserer Haltung.

Wagenknechts Werte sind gestiegen. Hat Sie Recht, dass Merkels "Wir schaffen das" nicht so einfach ist?

Kraft-Dlangamandla Hat sie. Sie hätte es nur anders formulieren müssen. Wir nehmen die Menschen auf, geben ihnen Unterkunft und Essen. Das reicht aber nicht. Viele sind traumatisiert, brauchen entsprechende Hilfe. Ein Großteil wird dauerhaft bei uns bleiben, braucht Arbeit und eine Wohnung. Wir schaffen es dann, wenn wir mehr für die Menschen tun. Pfundner Probleme entstehen nicht durch Flüchtlinge, sondern durch falsche Politik.

DENISA RICHTERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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