Düsseldorf "Diabetes ist kein Schicksalsschlag"

Düsseldorf · Düsseldorfer Mediziner rät zu einer konsequenten Änderung des Lebensstils - jetzt hat er über sein 12-Wochen-Programm gegen die Zuckerkrankheit ein Buch veröffentlicht.

 Stephan Martin vom Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrum hat ein Buch über Diabetes geschrieben.

Stephan Martin vom Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrum hat ein Buch über Diabetes geschrieben.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Ihre Krankheitsgeschichte hat sie schon oft erzählt: Viele Jahre spritzte Marion Hauchler (56) jeden Tag Insulin. Diabetes hatte bereits ihr Herz stark geschädigt, sie war übergewichtig, kurzatmig, antriebslos. Heute sind ihre Blutzuckerwerte auch ohne Insulin im Normalbereich, sie bewegt sich viel, hat über 14 Kilo abgenommen und ist voller Lebensfreude. Geschafft hat sie das mit einer radikalen Änderung ihres Lebensstils und durch die Motivation des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums. Dessen Leiter, Professor Stephan Martin, hat seine Erkenntnisse nun in Buchform veröffentlicht: "Das neue Diabetes-Programm."

Darin geht Martin von der Überzeugung aus, dass Diabetes Typ II, der so genannte Alterszucker, vor allem eine Folge von fatalen Lebensgewohnheiten ist. In Kurzform: zu viel Gewicht, zu wenig Bewegung. "Außerdem wird in Deutschland viel zu schnell Insulin gespritzt, doppelt so häufig wie in Österreich oder Frankreich." Mit wissenschaftlichen Studien habe er nachgewiesen, dass allein eine Änderung der Essgewohnheiten in Kombination mit regelmäßiger Bewegung die Krankheit besiegen, zumindest aber die Medikamente reduzieren kann. Unter einer Voraussetzung: Die Patienten müssen bereit sein, selbst aktiv zu werden. "Vielen Menschen erscheint es aber einfacher zu sein, Medikamente zu nehmen als Gewohnheiten zu ändern", so Martin.

Mit seinem Buch transportiert er die Botschaft, "dass Diabetes kein Schicksalsschlag ist, den man hinnehmen muss." Gemeinsam mit der Biologin Kerstin Kempf, die im Gesundheitszentrum die wissenschaftlichen Studien koordiniert, will er dabei auch mit manchen Falschinformationen aufräumen: "Häufig wird Patienten immer noch von ihrem Arzt gesagt, sie sollten Fett reduzieren, um abzunehmen, dabei ist diese Erkenntnis längst überholt." Denn durch fettreduzierte, dafür aber kohlehydratreiche Ernährung mit Kartoffeln, Reis und Brot würden Patienten immer abhängiger von Medikamenten.

Als Gegengewicht haben die beiden Autoren ein 12-Wochen-Ernährungsprogramm entwickelt, in dem Kohlehydrate zunächst konsequent vom Speisenplan gestrichen und später dann in reduzierten Mengen wieder erlaubt werden. Rezepte zum gesunden Schlemmen werden gleich mitgeliefert. Und spätestens beim Garnelen-Mango-Curry oder beim Kreolischen Hühnertopf dürften etliche Leser ahnen: Verzicht klingt anders.

Gesunde Ernährung, so Stephan Martin, aber sei nur eine Säule im Kampf gegen die Krankheit. Dazu gehört auch: Selbstkontrolle der Zuckerwerte, regelmäßige Bewegung (die durch Schrittzähler dokumentiert wird) und Kontrolle und Motivation per Telemedizin. Dabei werden die Werte an das DITG, das Deutsche Institut für Telemedizin und Gesundheitsförderung in Düsseldorf gesendet, mit dem Stephan Martin kooperiert. Dieses Institut wertet die Patientendaten aus und übernimmt eine regelmäßige Betreuung per Telefon. Allerdings sei es ein zähes Ringen, Krankenkassen davon zu überzeugen, die Kosten der Telemedizin zu übernehmen. Pioniere sind nun die Axa, Privatkasse in Köln und die BKK Deutsche Bank in Düsseldorf, beide wollen die Wirkung des Programms für ihre Versicherten testen.

Marion Hauchler versichert, dass sie es ohne Unterstützung durch die Telemedizin wohl kaum geschafft hätte. "Heute weiß ich genau, was ich tun muss, um meine Blutzuckerwerte in Schach zu halten: abends keine Kohlehydrate essen und zwei Mal in der Woche zum Sport gehen." Als sie das letzte Mal ihr Herz untersuchen ließ, mit dem sie viele Jahre Probleme hatte, lautete die gute Nachricht: "Alles gut."

(RP)
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