Stille Helfer - Eine Aktion von Rheinische Post und Provinzial Der Retter im Behördendschungel

Düsseldorf · Auf Flüchtlinge warten bei ihrer Ankunft zahlreiche Ämtergänge und Formulare. Verwaltungsexperte Uwe Marquardt unterstützt Zufluchtssuchende ehrenamtlich beim Ausfüllen von Schriftstücken und Terminen bei den Behörden.

Abdirashid Hussien aus Somalia (l.) und Uwe Marquardt gehen gemeinsam wichtige Formulare durch.

Abdirashid Hussien aus Somalia (l.) und Uwe Marquardt gehen gemeinsam wichtige Formulare durch.

Foto: Bernd Schaller

Gesundheitsamt, Schulamt, Arbeitsagentur - der deutsche Behördendschungel ist dicht, die Amtssprache auch für Muttersprachler oft schwer zu verstehen. Sehr viel größere Probleme haben da naturgemäß die, die gerade erst nach Deutschland gekommen sind und oft kein Wort Deutsch sprechen: Flüchtlinge. Und gerade sie stehen nach ihrer Ankunft vor einem Berg aus Formularen und Amtsterminen, den sie allein kaum bewältigen können.

Einer, der Abhilfe schafft, ist Uwe Marquardt. Ehrenamtlich unterstützt er Flüchtlinge bei Behördengängen und Amtsterminen, füllt Formulare und Anträge mit ihnen aus und unterrichtet Deutsch in einem Flüchtlingsheim. Schon von Berufswegen her ist Marquardt dafür prädestiniert: Der "studierte Bürokrat", wie der Rentner sich selbst bezeichnet, war 34 Jahre lang im Ministerium für Wissenschaft und Forschung in Nordrhein-Westfalen tätig. "Bei der Diskussion in der Öffentlichkeit haben die meisten nur die Bearbeitungszeiten der Asylanträge beim Bundesamt im Kopf. Dabei gibt es eine Vielzahl von Behörden und Ämtern, mit denen die Flüchtlinge konfrontiert werden", erklärt Marquardt.

Wer neu nach Deutschland einreist, bekommt zunächst einen Termin beim Ausländer- und beim Sozialamt. Und hier fangen die Probleme schon an: Anträge gibt es nur auf Deutsch, Englisch und Französisch, Dolmetscher müssen die Flüchtlinge auf kommunaler Ebene selbst mitbringen.

"Wir helfen uns meist damit, dass wir einen anderen Flüchtling mitnehmen, der Englisch spricht, und dann über drei Ecken übersetzen", schildert Marquardt. Zumindest eine arabische Übersetzung hat er mittlerweile im Repertoire - das Formular dann mit lateinischen Buchstaben korrekt auszufüllen, gelinge allerdings auch nicht jedem.

Nur eines von zahllosen alltäglichen Problemen, um die sich Uwe Marquardt und andere Ehrenamtliche kümmern. Ob die richtige Schulform für die schulpflichtigen Kinder zu finden oder das Tarifsystem der Rheinbahn zu durchschauen: Jeden Tag warten neue Herausforderungen.

Doch immerhin ein wenig scheint sich der Bürokratie-Dschungel in letzter Zeit zu lichten. "Bis vor Kurzem haben sich viele Mitarbeiter in den Ämtern noch geweigert, überhaupt auf Englisch zu kommunizieren, da die Amtssprache ausschließlich Deutsch ist. Das hat sich geändert", so Marquardt.

Denn wenn beim Wirtschaftsförderungsamt mit Investoren auf Englisch verhandelt werden kann, muss das Gleiche auch für Flüchtlinge gelten, findet er: "Unser Ziel ist es, das Klima in den Behörden insgesamt zu verbessern. Für die Flüchtlinge ist es beruhigend, wenn ein ,Sachverständiger' dabei ist - und für die Mitarbeiter in den Ämtern hilfreich, wenn sie sich auch an uns wenden können."

Bei vielen Flüchtlingen sei es außerdem nicht nur eine Sprach-, sondern auch eine Angstbarriere, die überwunden werden müsse. Denn dass Polizei und Behörden keine Bedrohung, sondern Freund und Helfer sind, sei in den wenigsten der Herkunftsländer selbstverständlich.

Das Zwischenresümee von Uwe Marquardt - realistisch: "Gerade viele Syrer haben einen hohen Bildungsstandard, sprechen sehr gut Englisch. Aber auch unter den Flüchtlingen gibt es mehr und weniger Engagierte, wie überall anders auch", sagt er. Zwischen den verschiedenen Gruppen herrschten im Übrigen eher Schweigen als offene Konflikte - eigentlich wenig überraschend bei Nationalitäten vom Balkan bis nach Somalia, die derzeit nicht selten gemeinsam untergebracht werden.

(RP)
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