Düsseldorf Der Reisholzer Hafen - Ausbau in zwei Stufen

Düsseldorf · Für Mittwoch lädt die Stadt zum Start der "Frühzeitigen Bürgerbeteiligung" zum Ausbau des Reisholzer Hafens ein. Deshalb beleuchten wir vorab die Sichtweisen auf das Projekt - die Wünsche der Industrie, die Forderungen der Bürgerinitiative Hafenalarm und die Hoffnungen der Künstler.

 Alles andere als Hochbetrieb herrscht derzeit am Reisholzer Hafen. In den 1960er Jahren standen hier zehn Krananlagen, ein Getreideheber und sieben Mineralölabgabeanlagen.

Alles andere als Hochbetrieb herrscht derzeit am Reisholzer Hafen. In den 1960er Jahren standen hier zehn Krananlagen, ein Getreideheber und sieben Mineralölabgabeanlagen.

Foto: Andreas Bretz

2010 war es, als "Stuttgart 21" Negativschlagzeilen machte. Bürger liefen Sturm gegen das Großprojekt, den Bahnhof von oben nach unten zu verlegen. An einem Abend im September lieferten sich Polizei und Demonstranten eine Straßenschlacht. Die Bilder gingen um die Welt und blieben haften - auch in Düsseldorf.

In der Landeshauptstadt arbeiten die Stadt, der Industriekreis Düsseldorf und die Industrie- und Handelskammer seit 2011 an Plänen, den Reisholzer Hafen auszubauen. Die 2001 entstandene Vision, daraus einen Yachthafen mit schicken Restaurants und einer exklusiven Wohnbebauung zu machen, war zu diesem Zeitpunkt schon wieder vom Tisch.

Der Industriekreis brachte in die Diskussion um den Reisholzer Hafen das Argument ein, dass viele Unternehmen, vor allem aus dem Stadt-Süden, einen ausreichend großen Warenumschlagplatz für ihre Zukunftssicherung benötigen. Mehrere Firmen aus dem Düsseldorfer Süden nutzen aktuell schon den Hafen: BASF bekommt per Schiff Palmkern- und Kokosöl geliefert, um es weiterzuverarbeiten (300.000 Tonnen jährlich), Demag (heute Terex) verschifft bis zu 60 Meter lange Bauteile von Hafen-Kränen in alle Welt, Komatsu nutzt ihn zum Abtransport seiner Bagger. Bislang wird die Verladung mit mobilen Kranen abgewickelt.

Eine Optimierung durch einen stationären Schwergutkran empfahlen Gutachter bereits 2012. Was es im Hafen nicht gibt, ist die Möglichkeit, entlang der ein Kilometer langen Kaimauer Container auf- oder abzuladen. Und genau der Bau des Container-Terminals ist Naturschützern und Anwohnern ein Dorn im Auge. Denn in den vergangenen Jahren verwandelte sich der Hafen zu einem Biotop - für Tiere und Pflanzen und für Künstler.

Dabei war der Hafen im vorigen Jahrhundert ein florierender Umschlagplatz mit vielen Arbeitsplätzen. 1906 gab es 33 Betriebe auf dem Gewerbegebiet der Industrieterrains Düsseldorf-Reisholz im Stadtsüden, die Produkte und Rohstoffe über Schienen und Rhein beförderten. 1924 wurde die Handelsgesellschaft "Rheinumschlag" gegründet. 1964 verfügte sie über zehn Krananlagen, einen Getreideheber und sieben Mineralölabgabeanlagen. Mit dem Aufstieg des Lkw als Transportmittel begann der Abstieg des Hafens - mit dem Resultat, dass die Gesellschaft "Rheinumschlag" 2003 in die Insolvenz ging. Inzwischen sind die Straßen so überlastet, dass Schienen und Wasserweg stärker genutzt werden sollen.

So etwas wie in Stuttgart soll hier nicht passieren, haben sich die Planer gedachtet und luden im März 2012 zu einem ersten Informationsabend ein, um frühzeitig mit der Vorstellung einer Projekt-Idee den Bürger-Dialog zu beginnen. Im Nachhinein keine gute Idee.

26. März 2012: Die Kantine der Firma Demag war gut besucht. Rainer Schäfer, damals wie heute Geschäftsführer der Neuss-Düsseldorfer Häfen, erklärte sichtlich überforderten Zuhörern seine Vision vom Reisholzer Hafen: ein modernes Logistikdrehkreuz mit Container-Terminal. In diesem Überschwang vergaß der Geschäftfsührer wohl, dass er mitnichten vor Managern saß, sondern vor Bürgern, die sich über ganz andere Themen Gedanken machten: die Zunahme von Verkehr, die Lärm- und Licht-Belastung durch einen 24-Stunden-Betrieb und dass sie bald vom Rhein abgeschnitten werden. Das war die Geburtsstunde der Bürgerinitiative Hafenalarm, die seitdem gegen etwas kämpft, das bislang niemand hat fassen können.

Das soll nun - über vier Jahre nach dem ersten Bürger-Dialog - anders werden. Am Mittwoch, 6. Juli, in der Aula der Joseph-Beuys-Gesamtschule, stellt die Stadt bei der "Frühzeitigen Bürgerbeteiligung" die weiterentwickelten Planungen vor. Statt einer Bebauung der brachliegenden 56 Hektar - etwa 56 Fußballfelder - sollen nur noch maximal 35 Hektar in einem Zwei-Stufen-Verfahren bebaut werden. Bei einem Minimalausbau entstünde ein neues Container-Terminal mit zwei Kränen und einem Umschlagsvolumen von 160.000 Containern pro Jahr. Dafür könnte das vorhandene Eisenbahngleis genutzt werden. Bei einem Maximalausbau verdoppelt sich die Größe des Terminals samt Gütermenge auf 320.000 Tonnen. Erst in dieser Ausbaustufe bekäme der Hafen neben zwei weiteren Kränen auch eventuell noch ein eigenes Bahnterminal.

Wovon abhängt, ob beide Ausbaustufen kommen und in welchem zeitlichen Rahmen sich das bewegen könnte, dazu konnte NDH-Geschäftsführer Rainer Schäfer bei der Präsentation der Pläne vor wenigen Wochen keine Angaben machen. Aber auch schon die Umsetzung der ersten Ausbaustufe sei "wirtschaftlich sinnvoll", führte der Hafenmanager aus. Die Höhe der Kosten wollte er nicht beziffern. Bei dem ersten Info-Abend 2012 stand eine Summe zwischen 150 bis 250 Millionen Euro im Raum.

Damit die Projektgesellschaft eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben kann, wurde sie mit 700.000 Euro ausgestattet. Woher das Geld für den Umbau kommt, steht noch in den Sternen. Man hofft auf Landeszuschüsse. Allerdings weichen die Ziele der rot-grünen Landesregierung von denen der Stadt in Kombination mit der NDH ab. Deren NRW-Hafenkonzept empfiehlt den Akteuren die "Intensivierung der Zusammenarbeit mit den Seehäfen wie etwa durch eine gemeinschaftliche Hafenentwicklung in Reisholz". In dem Konzept ist von Entwicklungspotenzialen die Rede, wenn der Reisholzer Hafen unter Beteiligung der Seehäfen Rotterdam und Antwerpen erweitert würde.

Doch von solchen Vorschlägen will man bei der Stadt nichts wissen. Und auch NDH-Geschäftsführer Rainer Schäfer sagt inzwischen, dass der Hafenausbau sich nach dem lokalen Bedarf richten soll. Wobei für ihn das Bergische Land dazu zählt. Das im Mai vorgelegte Verkehrsgutachten stützt diese Aussage: "Eine darüber hinaus gehende nationale Drehscheibenfunktion ist mit der begrenzten Eisenbahnkapazität und den verfügbaren Flächen nicht darstellbar."

Auch Grünen-Fraktionssprecher Norbert Czerwinski erteilt weiterführenden Ausbauplänen eine Absage: "Das Verkehrsgutachten zeigt, dass es bei einem moderaten Ausbau zu Verkehrsentlastungen in Wohngebieten kommen kann. Gleichzeitig wird aufgezeigt, dass Reisholz nicht als Hinterland-Hub für Rotterdam funktionieren kann." Die Grünen sehen die Projektgesellschaft am Zug, die den Bedarf der Firmen nun genau erheben müsse. "Die Untersuchung von 2012 reicht dafür nicht aus. Klar ist: Nur wenn der Ausbau wirklich von der heimischen Wirtschaft gebraucht wird, darf er realisiert werden", sagt Czerwinski: "Wir werden das weiter kritisch begleiten."

Zu den Kritikern gehört nach wie vor die Initiative Hafenalarm. Deren Mitglieder zweifeln die Schlüsse, die aus dem Verkehrsgutachten gezogen worden, an. Für morgen lädt Hafenalarm mit der Naturschutzorganisation BUND zur Pressekonferenz. "Wir werten das zeitlich und inhaltlich überholte ,Verkehrsgutachten' aus und stellen dar, wie sich ein Containerterminal auf die Anwohner, die Flora und Fauna in den Naturschutz- und FFH-Gebieten und die Verkehrssituation auswirken wird. Bei einer Verwirklichung dieser Pläne werden Mensch und Natur im Düsseldorfer Süden auf der Strecke bleiben."

(RP)
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