Vor 25 Jahren in Elternzeit Der Düsseldorfer Papa-Club

Düsseldorf · Vor 25 Jahren waren Väter, die zu Hause blieben und sich um ihre Kinder kümmerten, echte Exoten. Vier Düsseldorfer taten es trotzdem – und haben erstaunliche Erfahrungen gemacht.

 Sie sind der Papa-Club: (v. l.) Ralf Hinke-Vieten, Michael Boss, Peter Barzel und Bernd Pohl.

Sie sind der Papa-Club: (v. l.) Ralf Hinke-Vieten, Michael Boss, Peter Barzel und Bernd Pohl.

Foto: Andreas Endermann

Vor 25 Jahren waren Väter, die zu Hause blieben und sich um ihre Kinder kümmerten, echte Exoten. Vier Düsseldorfer taten es trotzdem — und haben erstaunliche Erfahrungen gemacht.

Als Ralf Hinke zurück in den Beruf wollte, lernte er den Humor von Handwerkern kennen. "Ich hatte pausiert, um mich um die Kindererziehung zu kümmern", sagt der gelernte Drucker: "Beim Bewerbungsgespräch sagte der Chef dann: Sie wollen nicht noch mal schwanger werden, oder? Höhöhö."

So eine Geschichte kann wohl jeder hier am Tisch erzählen. Auch die anderen drei Männer, die im Sonnenschein in einem Innenhof in Düsseldorf sitzen, haben sich Ende der 1980er Jahre dafür entschieden, ihren Beruf vorübergehend aufzugeben, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Heute bleibt laut Statistischem Bundesamt jeder vierte Vater in NRW nach der Geburt des Kindes zumindest für einige Wochen zu Hause. Damals waren die vier echte Exoten. "Wann ist ein Mann ein Mann?", sang Herbert Grönemeyer — und diese Frage stellten sich auch die vier so manches Mal.

Mal waren es die Eltern, die Sorgen hatten, dass ihr Sohn die Karriere für das Kind opfert. Mal waren es die Blicke beim Kinderarzt, wenn sich die Tür öffnete und statt einer Mutter ein Mann mit Baby im Tragetuch hereinkam.

Vor 25 Jahren war es nicht selbstverständlich, dass Männer ihren Job an den Nagel hängen, um Windeln zu wechseln und Fläschchen zu geben. Wer sich doch dafür entschied, wurde oft schief angeguckt, musste sich erklären und fühlte sich doch gleichzeitig mit vielen Fragen allein. "Für mich war es ein Sprung ins kalte Wasser", sagt Hinke auch heute noch: "Man hatte ja von ganz vielen Sachen gar keine Ahnung."

Während junge Mütter überall schnell ins Gespräch kamen, blieb man als Mann ein Stück weit der Außenseiter, wenn man mit Kinderwagen am Spielplatz auftauchte. Umso schöner war es für Ralf Hinke, als er merkte, dass es andere Männer wie ihn gab. Noch heute erinnert er sich an den Moment, als er Teil des Papa-Clubs wurde: Bei einem Spaziergang mit seiner Tochter kam ihm ein anderer Vater mit Kinderwagen entgegen. Und dann hörte Hinke von dem Treffpunkt, wo sich Väter trafen, um gemeinsam ihren Nachwuchs zu betreuen.

"Ich wollte nicht, dass sich die Väter verstecken", sagt Bernd Pohl, der Gründer dieses Treffpunkts im Düsseldorfer Initiativhaus. Die Mütter hätten sich in Frauengruppen getroffen, warum sollte es so etwas nicht auch für Väter geben? "In der Rolle als aktiver Vater ist man erstmal Einzelkämpfer", sagt er. "Früher wurde man bemitleidet, wenn man mit Tragetuch durch die Straßen lief", sagt Pohl. Hinkel nickt: "Die Leute haben gedacht: Der arme Mann, hat der keinen Job?"

Die Motive, warum die Männer zu Hause blieben, waren ganz unterschiedlich: Bei dem einen verdiente die Frau einfach mehr. Bei anderen war es der Wunsch, der Partnerin noch den Abschluss der Ausbildung zu ermöglichen. Und wieder andere wollten mit den traditionellen Geschlechterrollen brechen.

Er habe sich lange mit der Rolle des Vaters auseinandergesetzt, sagt Pohl. Er selbst und seine Geschwister hätten einen Vater gehabt, der mit angepackt habe - "obwohl das Rollenbild in den 1950er und 1960er Jahren ja noch ein ganz anderes gewesen ist". Irgendwann beschloss der heute 65-Jährige: Mir reicht es nicht, abends mal eine Geschichte vorzulesen. "Ich wollte alles machen, was Frauen machen müssen, nicht nur die angenehmen Sachen."

Für Peter Barzel ging es auch darum, mehr Zeit mit dem Nachwuchs verbringen zu können. "Ich wollte keine Kinder, um sie dann wegzugeben." Er kennt beide Welten, beim ersten Kind ging der gelernte Ingenieur arbeiten und seine Frau blieb zu Hause, beim zweiten war es andersrum: "Meine Frau wollte ihr Referendariat machen. Meine Firma kannte aber weder Gleitzeit noch Teilzeit. Da habe ich gekündigt."

Heute gibt es Elternzeit, Elterngeld, Elterngeld Plus, vorübergehende Teilzeit, Job-Sharing oder Vertrauensarbeitszeit - die Möglichkeiten, Kind und Karriere unter einen Hut zu bekommen, sind noch nicht optimal, aber zumindest vielfältig. Früher war es nicht so leicht. Alle vier Väter mussten zeitweise aus dem Job aussteigen. Nicht jeder kehrte danach in seinen ursprünglichen Beruf zurück. Und auch beim Geld musste man Abstriche machen. Doch in den anderen Männern fanden sie Gleichgesinnte.

Im Schnitt kamen zwischen acht und zehn Väter zur Spielgruppe — auch Michael Boss gehörte dazu. "Natürlich hat es Spaß gemacht", sagt er über die Zeit mit Sohn Max: "Es war aber auch echt schwierig." Wenn das Kind geschrien habe und man nicht wusste, warum — das sei der größte Stress gewesen. "Durch den Kontakt zu den Männern habe ich gemerkt, dass ich nicht alleine in der Situation bin", sagt er: "Das hat vieles leichter gemacht."

Zusammen mit den Kindern haben sie gespielt, gesungen, gelesen — und die großen und kleinen Sorgen des Alltags miteinander geteilt, aber auf Männer-Art. Denn dass Väter anders erziehen als Mütter, davon sind die Papas bis heute überzeugt.

Bis heute seien ihnen die Kinder dankbar dafür, wie ihre Väter sie erzogen haben, sagt Hinke. Denn denen war wichtig, den Kleinen Freiräume zu geben. "Manchmal hat mich das ganz schön unter Druck gesetzt", erinnert sich Peter Barzel: "Mein Sohn Jakob war als kleines Kind immer sehr anhänglich." Die anderen Väter hätten ihm geraten, dass er ihn weniger behüten solle. Lass den Jungen mal machen, habe es geheißen. "Ich habe lieber auf mein Bauchgefühl gehört", sagt Barzel. Geschadet habe es Jakob nicht. Im Gegenteil: "Er ist später immer total selbstständig gewesen."

Das machte die Gruppe aus: Es ging nicht um Einigkeit, sondern um Austausch. Das fing bei der Frage nach Stoffwindeln oder Pampers an und ging bis ins Grundsätzliche.

Auch heute noch, 25 Jahre später, diskutieren die Männer leidenschaftlich, wenn es um die Frage geht, ob die Entscheidung, die sie damals getroffen haben, die richtige war. Keiner will die Zeit mit seinem Kind missen, alle empfanden sie als bereichernd. Und doch sagt Michael Boss: "Heute würde ich sagen: Die ersten Monate, wenn noch gestillt werden muss, ist es besser, wenn die Frau zu Hause bleibt." Ralf Hinke schüttelt ungläubig den Kopf: "Das war doch die beste Zeit überhaupt."

Die Zeit hat die Männer verändert. Bis heute. "Ich bin im Umgang mit Kindern viel lockerer als andere Männer, die so eine Zeit nicht hatten", sagt Boss. Auch in Gesprächen machten sich die anderen Lebensumstände bemerkbar. "Ich habe damals einen Mann getroffen, den ich aus dem beruflichen Umfeld kannte", sagt Peter Barzel: "Wir hatten nach fünf Minuten nichts mehr zu reden, weil unsere Lebenswelten so unterschiedlich waren."

Umgekehrt habe man auch erfahren, was Hausfrauen leisten. "Ich fand die Kindererziehung anstrengender als meinen Beruf, weil es keine Routine war", sagt Hinke. Auch Michael Boss sagt: "Ich war abends echt geschafft."

Sie sind stolz auf ihre Väter-Zeit, stolz, dass aus den Kindern etwas geworden ist und sie daran einen großen Anteil haben. Vor 25 Jahren waren sie Vorreiter für ein anderes Männerbild. Heute sind sie alte Freunde, die sich bei Treffen darüber austauschen, wie es dem Nachwuchs geht. "Vater sein", sagt Bernd Pohl, "heißt eben nicht nur, am Vatertag den Bollerwagen zu ziehen."

(frin)
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