Düsseldorf Der große Tag im Leben der Wahlhelfer

Düsseldorf · Der Wahlschein sieht bei allen gleich aus. Doch die Wahlhelfer geben jedem Kreuzchen eine eigene Geschichte mit auf den Weg.

 Dirk Rößler (32, l.), Sven Rößler (39) und ihre Mutter Karen Konrad (60) helfen im Wahllokal am Nordfriedhof.

Dirk Rößler (32, l.), Sven Rößler (39) und ihre Mutter Karen Konrad (60) helfen im Wahllokal am Nordfriedhof.

Foto: Anne Orthen

Bereits um halb acht steht Karen Konrad (60) gestern Morgen mit ihren zwei Söhnen vor dem Nordfriedhof. Die drei haben einen langen Tag vor sich - denn erst wenn alle Stimmen ausgezählt sind, können sie den Friedhof wieder verlassen. Nicht nur der Standort des Wahllokals in Derendorf ist etwas kurios. Es kommt auch nicht alle Tage vor, dass der Wahltag zu einem kleinen Familientreffen der ehrenamtlichen Helfer wird.

Denn neben Karen Konrads Söhnen gehören noch drei weitere Familienmitglieder zum Helferteam, und zwischen Listen, Wahlscheinen und Urnen wird dieses Jahr sogar noch Muttertag gefeiert. Der erste Wähler steht übrigens pünktlich um acht Uhr vor der Tür. Als der vierfach gefaltete Bogen in der Urne verschwindet, hat die Familie ihre Feuerprobe bestanden. Am Abend werden alle den Wahltag mit einem gemeinsamen Essen beschließen.

 Katrin Janus aus Hellerhof ist 20 Jahre alt und geht zum ersten Mal zur Wahl. Sie hat vorher mit Freunden den Wahl-O-Mat genutzt.

Katrin Janus aus Hellerhof ist 20 Jahre alt und geht zum ersten Mal zur Wahl. Sie hat vorher mit Freunden den Wahl-O-Mat genutzt.

Foto: Anne Orthen

Normalerweise sieht jeder Bürger an einem Tag nur ein Wahllokal von innen. Das wäre Justin Morschheuser (20) zu eintönig: Er holt ältere Menschen aus der ganzen Stadt von zuhause ab und fährt sie zur Urne. Sein Wahltaxi ist ein schwarzer Audi mit beigen Sitzen, viel Beinfreiheit und genug Platz, um auch Rollatoren jeder Größe zu transportieren. Selbst war er schon um 9 Uhr im Goethe-Gymnasium in Düsseltal wählen, am Mittag holt er in Garath Edelgard Schultz (88) ab, die ihr Leben lang keine Wahl verpasst hat und damit auch im Alter nicht anfangen möchte. Sie hätte zwar auch per Briefwahl ihre Stimme abgeben können - aber der Gang ins Wahllokal gehöre für sie einfach dazu, sagt sie. Von ihrem jungen Begleiter ist sie so begeistert, dass sie ihn zu einer kleinen Spritztour an den Rhein überreden will. Doch Justin hat noch einige Adressen auf seiner Liste, wo ihn eifrige Wähler erwarten.

Ebenfalls in Garath, auf dem Hof eines Weiterbildungskollegs, steht ein großer weißer Container. Darin befindet sich ein Wahllokal, das durch einen wenig schmeichelhaften Rekord bekanntgeworden ist. Bei der letzten Landtagswahl wurde hier mit 7,26 Prozent die niedrigste Wahlbeteiligung gemessen. Sebastian Kluckow (30), 200 Meter entfernt aufgewachsen, ist dieses Jahr hier Wahlvorsteher. Er spricht manche Wähler mit Namen an und wird auch seinen eigenen Stimmzettel in die Urne werfen, die er den Tag über bewachen muss. "Früher brachten uns die Parteien Kuchen oder Brötchen vorbei", sagt Kluckow. Heute würden sie abwechselnd Mittagspause machen und zum Imbiss gehen. Sein Wahllokal wird dieses Jahr wohl bei der Wahlbeteiligung besser abschneiden, um 12.45 Uhr liegt diese jedenfalls bei 28 Prozent.

 Justin Morschheuser bringt Edelgard Schultz (88) zum Wahllokal. Sie hat bisher keine Wahl verpasst.

Justin Morschheuser bringt Edelgard Schultz (88) zum Wahllokal. Sie hat bisher keine Wahl verpasst.

Foto: Anne Orthen

Nur wenige Kilometer entfernt in Hellerhof setzten die Wähler noch einen drauf. Das Wahllokal in der evangelischen Kirchengemeinde lag vor fünf Jahren mit einer Wahlbeteiligung von 63,25 Prozent stadtweit auf Platz eins. Hier wählt heute Katrin Janus (20) zum ersten Mal und trifft dabei auf eine erfahrene Wahlhelferin: Cornelia Pützer (50) ist seit mehr als 30 Jahren ehrenamtlich im Einsatz und kennt die Abläufe im Schlaf. Unablässig kommen neue Wähler in den schlichten Raum, auf der Straße bilden sich kleine Menschenströme, die zur Wahlurne streben.

 Sebastian Kluckow wirft seinen Stimmzettel in die Urne im Wahllokal in Garath, wo diesmal die Wahlbeteiligung höher liegt als bei der Landtagswahl 2012.

Sebastian Kluckow wirft seinen Stimmzettel in die Urne im Wahllokal in Garath, wo diesmal die Wahlbeteiligung höher liegt als bei der Landtagswahl 2012.

Foto: Anne Orthen

Pützer bringt nichts aus der Ruhe, auch beim 300. Mal klingt ihr "Bitte falten Sie den Zettel zweimal, sonst passt er nicht in die Urne" noch freundlich. Um 18 Uhr wird sie die Tür symbolisch schließen. Gemäß dem Protokoll werden dann die Worte "Damit ist die Wahlhandlung beendet" gesprochen. Die Auszählung kann beginnen.

(RP)
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