Düsseldorf Der Aufkleber-Wahn

Düsseldorf · Ein 75-jähriger Niederkasseler kämpft seit Jahren gegen illegale Plakat- und Stickerwerbung. Täglich geht er auf die Straße und entfernt Aufkleber. Er will anonym bleiben, aus Angst vor Anfeindungen.

 Sticker von Parteien, die als Giveaway verteilt wurden, sind zu finden.

Sticker von Parteien, die als Giveaway verteilt wurden, sind zu finden.

Foto: ICS

Am Belsenplatz kleben sie, die Ampel an der Duisburger Straße ist voll, Friedrichstraße, Nordstraße, Königsallee - überall sind sie zu sehen, die Sticker und Aufkleber, von Plattenbörsen und Parteien, von Privatpersonen, Künstlern und Fußballfans, Werbe-Kleber und solche, die witzig sein sollen. Es gibt Menschen, die stört das nicht. Andere aber ärgern sich darüber. Seit Jahren dokumentiert ein 75 Jahre alter Niederkasseler die illegal angebrachten Sticker, schickt Fotos an das Ordnungsamt, entfernt Aufkleber. Die Initiativgruppe contra Stadtverwahrlosung - kurz ICS - hat er gegründet, "es ist eine Ein-Mann-Aktion", sagt er. Der Mann will anonym bleiben, aus Angst vor Anfeindungen. "Hinter manchen Klebern stecken politisch Radikale, Ultras", sagt er.

Seit 40 Jahren wohnt der Rentner im Linksrheinischen, "ein großer Glücksfall", wie er findet. Den Verwahrlosungstendenzen wollte er etwas entgegensetzen. Früher waren es vor allem illegal angebrachte Plakate, die ihn störten. "Ich denke, das Ordnungsamt hat reagiert", sagt er. In Oberkassel gebe es nur noch selten illegale Werbeaktivitäten. "Anscheinend hat sich unter den schwarzen Schafen herumgesprochen, dass Plakatieren in Nieder- und Oberkassel vergeblich ist und nur Ärger einbringt", sagt der Mann.

 Auf einem Laternenmast vor dem Steigenberger kleben Sticker.

Auf einem Laternenmast vor dem Steigenberger kleben Sticker.

Foto: ICS

Mit den Stickern aber sei es schwieriger, denn ein Verursacher ist in den meisten Fällen nur selten zu ermitteln. Deswegen zieht der 75-Jährige los und entfernt die Kleber, in der Hoffnung, "dass ein notorischer Sticker-Kleber ins Grübeln geraten wird, wenn er nach spätestens zwei Tagen seine Sticker nicht mehr vorfindet". Seit einem guten Jahr hat der Mann stille Mitstreiter, "offenbar bin ich nicht der Einzige, den das stört", sagt er. Verschiedene Gruppen hat der Rentner schon angeschrieben, zum Beispiel die Jusos, die Jugendorganisation der Sozialdemokraten. "Was die Qualität der Sticker betrifft, wart ihr nicht zimperlich: dicke Folie mit aggressiver Klebeschicht", schreibt er in einer Mail an die Jusos. "Über die Langzeitwirkung eurer Sticker habt ihr euch erkennbar viele Gedanken gemacht: Die Hausbesitzer, an deren Regenfallrohre ihr in drei Metern Höhe den Sticker geklebt habt, werden bestimmt lange an euch und euer politisches Programm denken", schreibt der ICS-Mann weiter.

 Das Halteverbotsschild am Belsenplatz ist beklebt.

Das Halteverbotsschild am Belsenplatz ist beklebt.

Foto: ics

Thomas Peußer ist Vorsitzender der Jusos Düsseldorf, und er hat schnell reagiert auf die Anfrage unserer Zeitung, obwohl er aktuell sehr stark im Wahlkampf eingebunden ist. "Die Fremdverwendung derartiger Sticker, die, jedenfalls bei uns, als Giveaways an sämtlichen Ständen kostenfrei erhältlich sind, lässt sich defacto nicht kontrollieren." Das bestätigt Sebastian Veelken vom Ordnungsamt. "Es ist oft schwierig, für den konkreten Fall des Beklebens einen Täter festzustellen", sagt er. Dabei ist das Bekleben öffentlicher Einrichtungen verboten. So steht es in der Düsseldorfer Straßenordnung, und je nach Material und Anbringung ist es sogar eine Straftat. 35 Euro Bußgeld drohen beim ersten Vergehen, Wiederholungstäter zahlen mehr. "Wir müssen uns immer fragen, inwieweit wir denjenigen verantwortlich machen können, der hinter dem Sticker steckt", sagt Veelken.

Häufig seien solche Anzeigen nicht, dafür habe es in der letzten Zeit beim Ordnungsamt "recht umfangreiche Anzeigen gegeben", sagt Sebastian Veelken. Die Fälle, die bei der Behörde eingegangen sind, würden ordnungsgemäß geprüft. Vor allem stark publikumsfrequentierte Straßen seien betroffen, sagt Veelken.

Kauzig oder verschroben sei er nicht, sagt der Rentner, er verlangt einfach nur ein bisschen mehr Wertschätzung von seinen Mitmenschen für die Stadt, die Umwelt und das Eigentum anderer.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort