Düsseldorf Das ultimative Buch über Jacques Tilly

Düsseldorf · "Satire, Kunst und Karneval" heißt ein bildstarkes Werk, in dem die wichtigsten Mottowagen aus dem Düsseldorfer Rosenmontagszug zu sehen und die Hintergründe zur Arbeit von Jacques Tilly zu lesen sind.

Düsseldorf: Das ultimative Buch über Jacques Tilly
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Bisweilen sind die Arbeiten aus der Düsseldorfer Wagenbauhalle Eintagsfliegen. Am Sonntag wird gedrahtet, kaschiert, gemalt und ge-tackert. Am Montag ist das Werk dann im Rosenmontagszug zu sehen, und am Dienstag rücken Jacques Tilly und sein Team schon als Abrisskommando an. Von der dreidimensionalen Satire bleibt in aller Regel nur die Erinnerung - bis jetzt zumindest.

Denn nun wird die Arbeit des Wagenbaumeisters mit einem Buch gleichermaßen geehrt und bewahrt. In "Satire, Kunst und Karneval" (Droste-Verlag) sind die 77 spektakulärsten Wagen abgebildet, dazu wird der Mensch Tilly in seinen vielen Facetten dargestellt, in den historischen Kontext gestellt sowie mit seinen liebsten literarischen und philosophischen Werken (von Mark Twain und Umberto Eco bis zu Epikur und Karl Popper) gezeigt. Die Texte im Buch stammen von Jens Prüss sowie den RP-Autoren Christian Herrendorf, Hans Onkelbach und Uwe-Jens Ruhnau.

Gleich zwei Kölner adeln Tilly im Buch. Der Comiczeichner Ralf König ("Der bewegte Mann") schreibt in seinem Vorwort: "Eine Stadt, also Düsseldorf, liebt ihren Künstler. Zu Recht! Jacques Tilly ist seit einiger Zeit weit über das Düsseldorfer Umfeld hinaus eine echte Nummer, ein alljährlicher Hingucker. Ich steh auf sein Werk."

Kabarettist Jürgen Becker kam für das Doppel-Interview, das im Buch zu finden ist, in die Wagenbauhalle und äußerte einen Wunsch, der zugleich ein großes Kompliment ist. "Wenn ich mal nicht mehr so viel zu tun habe, könnte ich mir gut vorstellen, hier auch zu arbeiten. Ich weiß nicht, ob ich dem Qualitätsmaßstab genügen würde, aber vielleicht könnte ich ja ein paar Zuarbeiten machen." Tilly antwortet: "Du müsstest einfach Deinen Alterssitz hierher verlegen - das mache ich auch." Im Mittelpunkt des Buches stehen die Figuren und Wagen. Sieben mal elf Motive sind im Laufe der Seiten zu sehen, unterteilt nach Lokal- , Bundes- und Weltpolitik. Es gibt ein Wiedersehen mit den früheren Oberbürgermeistern, die mal als Pharao (Erwin), mal als Buddha (Elbers) erscheinen, und Erinnerungen an den Tausendfüßler-Abriss oder den Feuerwehrstreit.

Unter den bundespolitischen Mottowagen sind die Skandalmotive aus den späten 80ern und frühen 90ern vertreten, als unter anderem ein nackter Helmut Kohl zu einer einstweiligen Verfügung und einer frechen Umgehung führte. Tilly bewies mit seinen Wagen immer wieder prophetische Fähigkeiten. 2002 zeigte er einen sehr bayerischen Edmund Stoiber, der auf einer scheinbar besiegten Angela Merkel thront. Drei Jahre später war sie Kanzlerin. 2012 zeigte Tilly sie auf einem Tandem, der zweite Fahrer ist ein Skelett. Ein Jahr später schaffte es die FDP nicht mehr in den Bundestag.

Bei den weltpolitischen Wagen bleibt zu hoffen, dass der Künstler nicht Recht behält. Allzu deutlich warnt er vor religiös motiviertem Terror, den Muskelspielen des Wladimir Putin und den Folgen der US-PAußenpolitik. So wie Tilly eine Weltlage in ein Motiv fassen kann, so kann er sein Schaffen auf einen Satz reduzieren: "Ein Satiriker, der geliebt werden will, macht seine Arbeit nicht richtig."

(RP)
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