Düsseldorf "Das Schlimmste ist das Abschiednehmen"

Düsseldorf · Sibylle Florin ist erst 24, hat aber schon bei einem Stamm in Afrika gelebt und leitet seit einem Jahr für das DRK Flüchtlingsunterkünfte.

 Sibylle Florin (24) leitet für das DRK die Flüchtlingsunterkünfte an der Borbecker Straße und am Vogelsanger Weg.

Sibylle Florin (24) leitet für das DRK die Flüchtlingsunterkünfte an der Borbecker Straße und am Vogelsanger Weg.

Foto: Bernd Schaller

Hochgewachsen, lange Beine, strahlendes Lächeln - Sibylle Florin könnte locker auf dem Laufsteg andere Models blass aussehen lassen. Doch sie steht in der Eingangshalle der ehemaligen Kartause-Hain-Grundschule in Unterrath, regelt, was nach dem Fehlalarm, den es kurz zuvor gegeben hat, zu tun ist, wo der Kinderwagen für die afrikanische Frau mit dem Baby zu finden ist und wer den Baum für die Weihnachtsfeier holt. Draußen wartet schon ein älteres syrisches Ehepaar. Ein Bewohner fängt sie ab und fragt nach juristischer Beratung, die regelmäßig angeboten wird. Florin spricht schnell, denkt schnell, organisiert schnell.

Tempo ist wichtig, denn die 24-Jährige leitet für das Deutsche Rote Kreuz (DRK) nicht nur diese Flüchtlingsunterkunft, in der bis zu 400 Menschen leben. Auch die Betreuung der neuen Unterkunft am Vogelsanger Weg mit 160 Menschen ist unter ihrer Regie. Und die 300 Plätze in der Sporthalle der Heinrich-Heine-Universität waren es ebenfalls. "Die Unterkunft mussten wir leider schließen, es war schön da", sagt Florin. Die grüne Umgebung, die tolle Stimmung im Team und unter den Bewohnern, das ehrenamtliche Engagement der Studenten haben sie besonders beeindruckt. "Als alle weggebracht wurden, gab es Tränen und Applaus."

Es war eine wichtige Wertschätzung der Arbeit von ihr und ihren Mitarbeitern - und sie weiß: "Das Abschiednehmen ist das Schlimmste." Bis zu acht Monate leben die Flüchtlinge in den kommunalen Unterkünften, bis sie verlegt werden oder eine Wohnung finden, da wächst einiges zusammen. Und man lernt viel: Dass Albaner und Afrikaner nicht so gut miteinander können, Afghanen und Syrer auch nicht immer, dass es iranische Christen unter Moslems schwer haben und alleinreisende Frauen am besten in der Nähe der Mitarbeiterbüros untergebracht werden. Das alles wird bei der Verteilung auf die mit jeweils zehn Betten bestückten Klassenzimmer berücksichtigt, um Konflikte zu vermeiden.

Dennoch ist es die Vielfalt der Kulturen, die sie reizt. Dass sie mal in der Flüchtlingsarbeit landen würde, war nicht Florins Plan. Soziales Engagement sehr wohl. Gleich nach dem Abitur ging die Düsseldorferin nach Kenia. Drei Monate lebte die damals 19-Jährige in einem Stamm mit Mädchen in einfachsten Verhältnissen, wurde mit Problemen wie Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung konfrontiert. Zurück in Deutschland begann sie das Studium Soziale Arbeit, wollte in die Entwicklungsarbeit, nach Indien. Dann begann sie ehrenamtlich beim DRK, "als freie Radikale", und wurde innerhalb kurzer Zeit zur Führungskraft.

"Jetzt habe ich die Welt bei mir und muss nicht reisen", sagt sie und lächelt. Die meisten dieser Menschen seien eine Bereicherung für Deutschland: "Sie bringen Potenzial mit, eine lockere Art, die uns Deutschen manchmal fehlt, Musik und Tanz, große Familien- und Freundeskreise." Nun gelte es, all diese Menschen sinnvoll zu integrieren. Sie wünschte, die Politik würde darauf stärker den Fokus richten.

Die Stunden, die sie arbeitet, zählt Florin längst nicht mehr. "Ich bin fast immer hier", sagt sie und zuckt mit den Schultern. Ihre Kollegen sind ihr Freundeskreis. "Diese Arbeit verbindet ungemein."

(dr)
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