Winrich Meiszies "Das Geld wird nicht transparent verteilt"

Düsseldorf · Der vielleicht letzte Direktor des Theatermuseums über immer eiligere Besucher - und seine Kritik an der aktuellen Kulturpolitik.

 Winrich Meiszies ist seit dem Jahr 2000 Direktor des Düsseldorfer Theatermuseums. Im nächsten Sommer geht er in den Ruhestand.

Winrich Meiszies ist seit dem Jahr 2000 Direktor des Düsseldorfer Theatermuseums. Im nächsten Sommer geht er in den Ruhestand.

Foto: Andreas Bretz

Herr Meiszies, Sie gehen im kommenden Sommer in den Ruhestand. Wie man von Kulturpolitikern hört, könnten Sie der letzte Direktor des Theatermuseums gewesen sein. Es wird überlegt, dass der Leiter des Filmmuseums diese Aufgabe mit übernehmen wird. Was sagen Sie zu diesen Plänen?

Winrich Meiszies Als ich das aus der Presse erfahren habe, war es schon ein Schlag in die Magengrube. Da klingt zwischen den Zeilen durch, was Sie da machen, da reicht auch die Hälfte: Mein Nachfolger macht das quasi mit links. Das ist schon das Gegenteil von Wertschätzung. Ich finde, man muss auch bedenken, dass ich als Chef des Theatermuseums nicht nur reine Leitungsaufgaben übernehme, sondern auch wissenschaftlich arbeite und Ausstellungen kuratiere - deshalb bin ich vor mehr als 30 Jahren ans Museum gekommen. Mit mir geht also auch jemand verloren, der inhaltlich arbeitet. Und da sind im Museum nicht viele da.

Wie viel Personal hat denn das Theatermuseum überhaupt?

Meiszies Wir sind das kleinste städtische Museum und haben laut Plan siebeneinhalb Stellen. Neben mir sind nur der Sammlungsleiter Michael Matzigkeit und die Pädagogin und Theaterwissenschaftlerin Anne Blankenberg an der inhaltlichen Arbeit beteiligt. Da wäre es schon herb, wenn eine Stelle verloren geht - wobei ich eine Museumsreform generell sehr unterstütze.

Sie meinen die Pläne zu einer Neustrukturierung der Museumslandschaft.

Meiszies Ja. Ich fand es gut, als die Museen am Anfang - noch unter der schwarz-gelben Ratsmehrheit - aufgefordert wurden, ihre Ideen einzubringen. Es ist wichtig, dass nicht nur über uns geredet wird, sondern auch mit uns. Ich habe mir dazu deshalb auch viele Gedanken gemacht und fand es gut, dass es anfangs eine große Arbeitsgruppe gab. Es ist schade, dass diese Kultur der Beteiligung verloren gegangen scheint und es nur noch einen kleinen Arbeitskreis mit nur einem Museumsvertreter gibt.

Welche Chancen sehen Sie denn in einer Neuorganisation der Museen?

Meiszies Entscheidend ist, dass man vor allem über spannende inhaltliche Konzepte für die gemeinsame Aufstellung der Museen nachdenkt. Es gibt bislang erstaunlich wenig Zusammenarbeit zwischen den Museen. Manchmal stolpert man durch Zufall darüber, dass andere an ähnlichen Themen arbeiten. Eines meiner spannendsten Erlebnisse war, als wir mal gemeinsam mit dem Hetjens-Museum für Keramik eine Ausstellung über griechisches Theater gemacht haben. Da habe ich unglaublich viel Neues gelernt.

Solche Kooperationen würden Sie stärken?

Meiszies Ja. Mit dem Filmmuseum zum Beispiel, das uns sicher inhaltlich am nächsten steht, könnte man gemeinsame Wechselausstellungen entwickeln, aber auch eine gemeinsame Dauerausstellung. Das führt sogar zu der Frage, ob ein gemeinsames Gebäude nicht wünschenswert wäre. Dieser Reformprozess bietet viele Chancen. Eine Museumsreform könnte uns aber auch helfen, strukturelle Unterschiede zu verringern und wichtige Aufgaben besser zu erfüllen.

Was meinen Sie?

Meiszies Wir haben zum Beispiel im Theatermuseum keinen Mitarbeiter mit einer professionellen Ausbildung in Marketing. Das gilt auch für andere Spezialmuseen. Eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit ist deshalb kaum möglich. Es wäre sinnvoll, dafür eine gemeinsame Abteilung zu gründen, die für alle arbeitet. Wir brauchen viel mehr Gelegenheit und Strukturen, uns untereinander auszutauschen und abzustimmen - inhaltlich und organisatorisch, über Themen genauso wie über Geld. Dann könnte man sich absprechen: Ihr macht in diesem Jahr eine große Ausstellung, wir sind im nächsten Jahr dran.

Warum reden die Museen denn nicht schon jetzt mehr miteinander?

Meiszies Wir setzen uns natürlich gelegentlich zusammen. Man muss aber sehen, dass wir auch Konkurrenten sind. Die Kriterien, nach denen Gelder und Stellen verteilt werden, sind nicht transparent. Vieles ist historisch gewachsen, und wer mehr hat als andere, sagt das natürlich nicht laut. Ich habe auch den Eindruck, dass oft nicht inhaltlich entschieden wird. Wer in der Lage ist, den größten politischen Druck zu erzeugen, der gewinnt.

Oberbürgermeister Thomas Geisel hat eine Diskussion über die "kulturelle Identität" der Stadt ausgelöst und die Frage gestellt, ob ein Goethe-Museum zu Düsseldorf passt. Wie sehen Sie das?

Meiszies Ich finde es gefährlich, weil die kulturelle Identität einer Stadt allein schon durch eine solche Diskussion beschädigt wird. Die Museumslandschaft ist über eine lange Zeit gewachsen, und man muss das im Detail betrachten. Man hat sich damals etwas dabei gedacht, als das Theatermuseum als erstes Museum nach dem Krieg im Jahr 1947 gegründet wurde, und auch, als die Stadt die Goethe-Sammlung der Kippenbergs übernommen hat. Wir neigen gerne dazu, es uns einfach zu machen und in Schubladen zu denken. Vielfalt verwirrt nur und ist lästig.

Welche Gefahr sehen Sie in der aktuellen Diskussion?

Meiszies Kultur ist eine gewachsene Netzstruktur, in die nicht beliebig eingegriffen werden kann und die nicht künstlich erzeugt oder abgeschafft werden kann. Sonst wirkt sie künstlich und wird innen und außen auch so wahrgenommen. Hier besteht genau die Chance der Museumsreform: Wie können wir Einrichtungen, die auf den ersten, schnellen oder oberflächlichen Blick nicht zur städtischen Identität beizutragen scheinen, so weit aufrüsten, dass sie mit dazu gehören und auch so wahrgenommen werden?

Sie arbeiten seit Jahrzehnten am Theatermuseum. Haben sich die Ansprüche der Besucher im Laufe der Zeit verändert?

Meiszies Wenn man mit Besuchern spricht, die aus einer Ausstellung kommen, ist das Erlebnis immer noch dasselbe. Viele sagen: Das ist ja toll, das haben wir gar nicht gewusst. Aber die Erwartungen an ein Museum sind anders geworden.

Was meinen Sie?

Meiszies Die Besucher erwarten mehr mediale Repräsentation. Ein Szenenfoto reicht nicht mehr, sondern es sollte ein Video-Clip sein. Wir spüren auch, dass sich das Freizeitverhalten verändert hat. Es gibt einen gesellschaftlichen Trend zu schnellem Konsum, dem das Museum entgegensteht, so dass man hier doppelt lernen kann: eine andere gesellschaftliche Haltung und Verständnis für uns, unsere Kultur und unsere Entwicklung.

Wie äußert sich das?

Meiszies Wir verzeichnen weniger Einzelbesucher, deshalb werden Besuchergruppen immer wichtiger. Ich habe den Eindruck, dass weniger Menschen bereit sind, sich Zeit und Ruhe für einen Museumsbesuch zu nehmen, und viele, die kommen, wollen den Event, die Sensation, schnell durch eine Ausstellung von Highlight zu Highlight stürmen. Damit müssen wir Museen umgehen - und zeigen, dass die Erkenntnisse, die wir vermitteln, wertvoll und brauchbar sind.

Was planen Sie eigentlich für Ihre letzte Ausstellung?

Meiszies Wir können ja gerade noch nicht für das kommende Jahr planen, weil wir noch nicht wissen, wann das Dach saniert wird. Ich würde gern eine Ausstellung unter dem Motto "Hinter den Kulissen" realisieren mit Grafiken von Honoré Daumier und Theaterfotografien von Udo Remmes, der wunderbare Bilder an Düsseldorfer Bühnen gemacht hat. Wenn unser Ausstellungsbetrieb im Frühjahr wegen der Dachsanierung geschlossen sein sollte, halten wir den Spielbetrieb auf der Studiobühne aufrecht und suchen andere Standorte in der Stadt, um unser Thema zu den Menschen tragen zu können.

ARNE LIEB FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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