Serie "So wohnt Düsseldorf" Das älteste Wohnhaus Düsseldorfs

Düsseldorf · Das "Lewenhaus" in der Altstadt existierte bereits, als Düsseldorf im Jahr 1288 Stadtrechte bekam. Es war Teil der ersten Stadtmauer und Sitz des Landesherrn Graf Adolf von Berg.

 Die Eigentümer des Wohnhauses an der Liefergasse 9, Detlef und Thomas Frings. (v.l.)

Die Eigentümer des Wohnhauses an der Liefergasse 9, Detlef und Thomas Frings. (v.l.)

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Wenn es einen perfekten Ort gibt, um ein Zeitfenster in die Düsseldorfer Vergangenheit zu öffnen, dann genau hier: auf dem Lieferplätzchen in der Altstadt. Wo Düsseldorf vor exakt 727 Jahren bescheiden begann, reckt sich heute ein Gebäude mit einem rasanten Treppengiebel in den Himmel: Das Lieferhaus (oder "Lewenhaus") gilt als ältestes Wohnhaus der Stadt. Wie zum Beweis schmückt sich die Hauswand mit der Jahreszahl 1288, dem Jahr der Stadtgründung. Vermutlich ist das Haus aber noch viel älter. Oder auch wesentlich jünger - je nach Blickwinkel.

Winzig war die Stadt, als sie Stadt wurde: Gerade mal so groß wie sechs Fußballfelder. Im Kern dieses Örtchens an der Düsselmündung überragte eine kleine romanische Kirche, Vorgängerin von St. Lambertus, etwa 30 Häuser, von denen die meisten wohl eher bescheidene Hütten waren.

Die frühen Stadtbewohner waren vor allem Fischer, Schiffer und Fährleute, denn unterhalb der Kirche schmiegte sich ein Anlegeplatz ans Ufer, an dem Waren an Land gebracht und durch die Ratinger Straße, Lebensader der jungen Stadt, bis nach Ratingen transportiert wurden.

Geschützt wurde das Dorf an der Düssel von einer stabilen Steinmauer, die gerade mal 800 Meter lang war. Einer ihrer Ecktürme war das "Lewenhaus" am heutigen Lieferplätzchen. Wo heute in der Kneipe "Pinte" Altbier gezapft wird, war einst der Wohnsitz des Stadtgründers Graf Adolf von Berg. "In diesem Haus wurde die kleine Siedlung verwaltet, hier mussten die Bürger ihre Abgaben entrichten", so der Architekt Edmund Spohr, Spezialist für Festungsgeschichte.

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Foto: Hans-Juergen Bauer

Andererseits lockte der Graf durch besondere Privilegien zum Zuzug nach Düsseldorf, die sich in dem Satz bündeln lassen: "Stadtluft macht frei." Wenn es einem Leibeigenen gelang, sich "Jahr und Tag" unangefochten innerhalb der Stadtmauern aufzuhalten, wurde er ein vollberechtigter freier Bürger. Darüber hinaus gestattete der Graf den Bürgern jeden Montag einen Markttag im Schatten der Kirche, außerdem zwei Jahrmärkte in Frühjahr und Herbst - Amüsement im Mittelalter. Auch ein eigenes Gericht bekam die Stadt, für das die Bürger acht Schöffen auf Lebenszeit wählten.

So viel zur Vergangenheit. Zu spüren mag sie am Lieferplätzchen in der Altstadt noch immer sein. Zu sehen ist sie nicht. Denn das "Lewenhaus" von einst existiert nicht mehr. "Das Gebäude im neu-gotischen Stil, das dort heute steht, stammt aus dem Jahr 1881", so Edmund Spohr. Aber existieren tatsächlich gar keine Reste mehr aus seiner Gründerzeit? Das Stadtmuseum wollte wissen, ob da nicht vielleicht noch mittelalterliche Kellergewölbe zu finden sind und gab 2013, im Jahr des 725. Stadtjubiläums, eine wissenschaftliche Untersuchung in Auftrag. Das Ergebnis eines Kölner Uni-Instituts: Am Lieferplätzchen liegt tatsächlich Düsseldorfs Vergangenheit begraben: Die Analysen der Kernbohrung ergab, dass zwar kein Kellergewölbe, dafür aber Reste der Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert in der Erde schlummern. Spohr: "Alles wurde fotografiert und dokumentiert - und dann wieder zugeschüttet." Zunächst hatte man überlegt, dieses Stückchen Stadtgeschichte durch einen Glasboden sichtbar zu machen, die Idee aber dann aus Kostengründen verworfen.

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Heute gehört das Lieferhaus samt seiner Geschichte den Brüdern Detlef (60) und Thomas (54) Frings, die das Gebäude von ihrem Vater geerbt haben, der es einst von seiner Mutter erbte. Sie haben an diesem geschichtsträchtigen Ort ihre Kindheit verbracht. Thomas Frings ist heute Wirt der "Pinte" und lebt in der ersten Etage: "Das ist schon ein besonderes Gefühl." Weitere fünf Wohnungen sind vermietet, vor allem an Menschen, die in der Altstadt arbeiten.

Viele Geschichten über das Haus kursierten in der Familie, da wurde von unterirdischen Geheimgängen gemunkelt. "Bewiesen ist das alles nicht", meint sein Bruder Thomas. Verbrieft ist dagegen, dass ein alter Durchgang zur Lambertusgasse durch das Haus führte - als Beweis zeigen die Brüder ein noch sichtbares zugemauertes Tor. Verkaufen würden sie ihr "Lewenhaus", das den Krieg nahezu unbeschadet überstanden hat, niemals. Schon ihr Vater hatte das Angebot eines arabischen Scheichs abgelehnt, der angeblich sechs Millionen Mark auf den Tisch legen wollte. Da können die Brüder nur schmunzeln. Sie haben andere Pläne: Im Herbst wird die Hausfassade gründlich renoviert, der Denkmalschutz hat um einen dezenten Farbton gebeten. Die Jahreszahl 1288 wird ebenfalls aufgefrischt.

(RP)
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