Düsseldorf Caravan-Salon: Eine Zeitreise in die wilden 70er

Düsseldorf · Schlechtes Fahrverhalten, schwacher Wetterschutz und ein Eimer-Klo. Kaum zu glauben, dass dieses Fendt-Modell bei der Caravan ausgestellt wird. Aber täglich wollen viele Besucher den Oldtimer sehen - und in Erinnerungen schwelgen.

 Auch die Camping-Küche und der Polsterstuhl sind Original-70er-Jahre-Teile, mit denen Hajo Giesecke sein Kult-Gespann auf der Messe zeigt.

Auch die Camping-Küche und der Polsterstuhl sind Original-70er-Jahre-Teile, mit denen Hajo Giesecke sein Kult-Gespann auf der Messe zeigt.

Foto: Bernd Schaller

Das Auto ist der Knaller. Nicht nur weil es rot ist. Ein Mercedes 280 S aus der 116er Baureihe. 1976 hat er unvorstellbare 39 000 Mark gekostet, mit Stahlschiebedach und Automatik, und da war das Kassettenradio noch nicht mal drin. Hajo Giesecke hat den Wagen vor fünf Jahren gekauft und sogar noch eine Original-Kassettenbox aus jenen Tagen aufgetrieben, und natürlich Kassetten mit den Hits der 70er.

Dabei mag Giesecke die 70er nicht mal besonders. Die waren ihm zu bunt, sagt der 53-Jährige. Der das Auto übrigens auch nicht gekauft hat, weil er Oldtimer toll findet. Der Mercedes ist für ihn ein stilechtes Accessoire für das, wofür er wirklich brennt: alte Wohnwagen.

Zur Caravan hat Giesecke dem Benz einen gleichaltrigen Fendt "Große Fahrt" angehängt. Der Vize-Chef des Camping-Oldie-Clubs hätte auch sein 1984er Winnebago-Wohnmobil mitnehmen können. Oder die Suleika. Aber weil schon ein Kollege eine Suleika auf der Messe präsentiert, ist es der Fendt geworden, den man auf den Campingplätzen der Welt in den 70ern auch Nasenbär nannte.

Der Überbau über der Deichsel gab ihm nicht nur den Spitznamen, sondern auch eine kleine Stückzahl. Nach zwei Jahren gab Fendt die Produktion auf. Die Nase war nicht sehr beliebt, weil sich der Wind darunter fängt und der Hänger "einfach nicht schön hinterherläuft", sagt Giesecke. Ihm war das völlig egal, als er - 14 Jahre alt und aus einem campingfreien Elternhaus - von Bremen zum Caravan-Salon in Essen fuhr. "Das hat mich schon immer fasziniert - keine Ahnung wieso." Bei jenem Besuch war der Teenager von der Weltneuheit aus Bayern so fasziniert, dass er damals schon beschloss: So einen will ich auch.

Wurde aber erst mal nix. Stattdessen mit 15 Zelt und Mofa, drei Jahre später die Europareise nach dem Abi mit dem ersten VW-Bulli, und als der Rost die beiden trennte, baute Giesecke die Inneneinrichtung in den nächsten Bulli ein. Mit 21 dann kaufte er ein richtiges Wohnmobil. Was er aber als Architekturstudent nicht mehr unterhalten konnte. So kam er zu den Wohnwagen.

In jenen ersten Jahren hat er sich Luxus nicht leisten können. Später, als Wasserklosett und Dusche im Caravan durchaus drin gewesen wären, "da hab' ich das nicht mehr gebraucht." Das Chemie-Klo mit dem Eimer hat damals, als es noch das Allerneuste war, eh kein echter Camper benutzt. Was sollte er da mit Wasserspülung? Und so hat der "Fan des ursprünglichen Camping" sich eben auch die Wohnwagen für die Familie ausgesucht. Eine Zeit lang hatte er fünf - bloß gut, dass er in seinem Bremer Vorort eine Halle als Garage hat.

2007 entdeckte er dann endlich seinen Teenager-Traum in einem Inserat. Zehn Exemplare gibt es von den Nasen-Fendts noch. Vielleicht auch, weil unter der Nase die Fächer für Vorzelt und Gasflasche schlecht gegen Spritzwasser abgedichtet waren. "Der Wohnwagen kompostiert sich so gewissermaßen selbst", sagt Giesecke, der auch erst einmal ein paar weggefaulte Träger ersetzen musste. Sonst ist alles original: Die Heizungsrohre, die warme Luft unters Bett in der Nase transportieren, wo das ausziehbare Waschbecken und das Eimerklo versteckt sind. Der Klapptisch, der zum Kinderbett wird. Sogar das Klapprad und die Boccia-Kugeln sind aus der Zeit, in der Fendt die Große Fahrt baute.

Giesecke nimmt sie übrigens nicht nur zur Messe mit, sondern fährt auch damit in Urlaub. Ob er dann im Auto wirklich 70er Jahre Hits hört, bleibt sein Geheimnis.

(RP)
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