Düsseldorf Brunch ist der neue Stammtisch

Düsseldorf · Trotz aller Sozialen Netzwerke haben die Düsseldorfer eine andere Lieblingsform der Kontaktpflege: stundenlanges Frühstücken, das nahtlos ins Mittagessen übergeht. Brunch gibt es in Düsseldorf in allen Formen und Preisklassen von 15 bis weit über 50 Euro.

 Wer bruncht, hat Zeit: Unter zwei bis drei Stunden sind die Treffen (hier im Hausmann's) nicht angesetzt.

Wer bruncht, hat Zeit: Unter zwei bis drei Stunden sind die Treffen (hier im Hausmann's) nicht angesetzt.

Foto: Andreas Endermann

Wer mal in ein richtig mitleidiges Gesicht gucken möchte, der geht in ein Düsseldorfer Restaurant, das einen Brunch anbietet, und hat nicht reserviert. Mit ganz viel Glück gibt es noch einen Platz an einem Stehtisch oder auf dem alten Sofa, wenn man bereit ist, den Teller auf die Knie zu nehmen. Brunch ist ganz offensichtlich beliebt. Reservierungen bis zu zwei Wochen im Voraus empfehlen die, die es wissen müssen, weil sie es anbieten. Aber warum lässt der Düsseldorfer sein Frühstück so gerne nahtlos ins Mittagessen übergehen?

Der Weg zur Antwort führt über die Menschen. Grundsätzlich sind in Brunch-Restaurants vom Kleinkind bis zur Ur-Großmutter alle vertreten. Im Kern aber finden an den Tischen immer die zusammen, die auch innerlich verbunden sind. Man bruncht nicht mit seinen Kollegen oder Bekannten. Eher sind es die, die man früher zum Spielen rausgeholt, mit denen man dann durch die Altstadt gezogen ist und die man jetzt, wo die Kinder da sind, nicht mehr so häufig sieht. Wem Facebook und WhatsApp nicht reichen, um die ihm lieben Kontakte zu pflegen, der geht eben so frühstücken, dass er beim Mittagessen immer noch sitzt. Brunch ist der neue Stammtisch.

 Vor einigen Jahren stapelten die Bruncher die Teller noch auf ihren Armen, heute sind sie entspannter.

Vor einigen Jahren stapelten die Bruncher die Teller noch auf ihren Armen, heute sind sie entspannter.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Diese besondere Form des gemeinsamen Essens ist in Düsseldorf mit eigentümlichen Phänomenen verbunden: So gibt es hier offenbar das Gesetz, dass ein Brunch nur sonntags stattfinden kann. Es scheint nicht samstags und schon gar nicht unter der Woche denkbar zu sein, so lange zu essen. Wer bruncht, hat Zeit, also muss Sonntag sein.

Dann entwickeln Düsseldorfer an den Buffets dieser Stadt auch einige ungeahnte Vorlieben. Eine Zeit lang waren Schokobrunnen unverzichtbarer Bestandteil des Brunchs, inzwischen sind sie abgelöst von Crêpes-Ständen, an denen die Gäste alles, was irgendwie schmelzbar ist, als Füllung bestellen können. Auch setzt das Bedürfnis nach warmem Essen ungeahnt früh ein. Um elf, spätestens halb zwölf öffnen die Restaurants die Warmhalte-Schalen. Alkohol spielt auch eine nicht gänzlich nebensächliche Rolle, so ist das Sektchen ein sehr guter Freund des Brunchs, das Hausmann's in der Altstadt reicht auch Craft Beer zur Begrüßung. Schließlich ist der Braten ganz wichtig, er gehört trotz aller wöchentlichen Wechsel so unverrückbar ins Angebot wie der Termin. Ansonsten ist von Burger bis Smoothie alles auf den Buffets, was gerade angesagt ist oder zur Jahreszeit passt.

Dass vor allem Familien (und befreundete Familien) zusammenkommen, zeigt auch noch ein anderes Düsseldorfer Brunch-Phänomen: Kinderbetreuung. Das Eigelstein im Hafen hat damit vor elf Jahren angefangen, Betreuerin Mouna hat inzwischen Legendenstatus. Das Pega hat diesen Gedanken noch weiter entwickelt und lässt den Nachwuchs im Spielzimmer Plätzchen backen, Nudelteig ausrollen und bietet ihm eine eigene Karte.

Das ermöglicht den Eltern, in Ruhe den wichtigsten Satz eines Brunch-Besuches zu sprechen: "Ich glaub', ich geh noch mal."

(hdf)
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