Düsseldorf Bei Air Berlin wird ab sofort geduzt

Düsseldorf · Der neue Vorstandschef Stefan Pichler will eine neue Unternehmenskultur bei Air Berlin. Bei der Vorstellung am Flughafen gab es kritische Nachfragen.

 Stefan Pichler (rechts) bei seinem Antrittsbesuch in Düsseldorf

Stefan Pichler (rechts) bei seinem Antrittsbesuch in Düsseldorf

Foto: hans-Jürgen Bauer

Der neue Chef der Fluggesellschaft Air Berlin will das Unternehmen zurück in die Erfolgsspur bringen. Das dürfte die Absicht jeden Managers sein, der eine Firma in der Krise übernimmt - spannend ist die Frage, welche Methoden er dafür anwendet. Bei Stefan Pichler, der seit dem 1. Februar amtiert, kommen in dieser Hinsicht mehrere Dinge zusammen: Der 57-Jährige ist ein analytischer Kopf und weiß, welche strategischen Ziele er zu verfolgen hat. Nach Jahren mit viel Frust für die Belegschaft ist ihm zudem eins bewusst: Ohne die Mitarbeiter wird der Weg bis hin zu neuem Wachstum nicht gelingen. Um zu beweisen, dass er ein Miteinander auf Augenhöhe möchte, hat Pichler beim Antrittsbesuch vor der Düsseldorfer Belegschaft gestern ein klares Zeichen gesetzt: Bei Air Berlin wird ab sofort geduzt - und der Vorstandschef fängt damit an.

Das war ungewohnt, löst aber einigen die Zunge. Man traute sich was. Ein Co-Pilot fragte: "Ich bin seit sieben Jahren im Unternehmen und erlebte den vierten Chef. Sehe ich Sie in drei Jahren hier wieder?" Pichler sprach wohl den meisten aus der Seele, als er sagte, dass eine solche Vielzahl von Wechseln "sch..." sei, vor allem, weil sie das Unternehmen lähme und alle darauf warteten, was denn der nächste Neue wolle. Genauso stellt sich der Air-Berlin-Chef das Arbeiten nicht vor. Es sollen schnelle Entscheidungen fallen, es soll mehr mittelständischen Geist und Unternehmertum geben. Das fand ein Kollege, der für das Ideenmanagement zuständig ist, überfällig. Wenn Ideen gesammelt würden, die eine Millionenersparnis bringen könnten, und diese dann in der Berliner Zentrale abgebügelt würden, sei das nicht hilfreich.

Pichler resümierte weitere Beispiele dieser Art mit der Bemerkung, das Management habe bei der Belegschaft einiges gut zu machen. Während es in Berlin bei der Vorstellung keine Fragerunde gab, bedeutete das offene Visier auch, dass sich Pichler öffnete und mehr vom Prozess verriet, den er jetzt einleitet. Details gibt es erst im März auf der Internationalen Tourismus-Börse, aber klar ist: Pichler will als Erstes das Netz der Air Berlin überprüfen und dieses effizienter gestalten. Beim Verkauf, da ist der Manager sicher, lässt sich schon durch geschicktes Timing mehr Geld verdienen. Wenn man einige Sitzplätze für Schlüsselverkaufstage - etwa vor Feiertagen - zurückhalte, ließen sich höhere Erträge erwirtschaften.

Beim Vertrieb sieht Pichler ebenfalls Potenzial: Während der Ticketverkauf über Smartphones bei Air Berlin bei der Anteilsberechnung eine Null vor dem Komma habe, seien es bei der Jazeera Airways in Kuwait, für die er gearbeitet habe, 14 Prozent gewesen. Erst wenn all dies angepackt ist, will Pichler auch Synergien im Konzern suchen. Sind all diese Hausaufgaben gemacht, denkt der Vorstandschef an neues Wachstum.

Beim Betriebsrat und den Mitarbeitern kam die offene Art Pichlers an. "Wir müssen die Strukturprobleme im Unternehmen nachhaltig lösen", sagte Alfred Halbach (60), der seit 30 Jahren dabei ist. "Pilcher vermittelt den Eindruck, dass er das möchte." Roland Winterkorn (28) sprach von "Zahnrädern, die nicht ineinandergreifen". Man brauche jemanden, der schnell agiere und der Belegschaft Rückhalt gebe. Viele Erwartungen, die Pichler mitnahm.

(RP)
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