Düsseldorf Bahn-Unfall: Bürger warnten schon lange

Düsseldorf · Bereits vor 30 Jahren rammte auf dem Bahnübergang in Eller ein Güterzug einen Linienbus. Und vor wenigen Monaten raste ein Zug bei geöffneten Schranken vorbei. Erst vor knapp zwei Wochen waren die Schranken erneuert worden.

Aufräumen nach Bahnunglück in Düsseldorf: Dezember 2012
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Aufräumen nach Bahnunglück in Düsseldorf: Dezember 2012

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Bis mindestens Anfang Januar bleibt der Bahnübergang Am Hackenbruch in Eller gesperrt. Dass nicht mehr täglich bis zu 200 Güterzüge auf der Köln-Ruhrgebiet-Strecke vorbeirattern, beschert den Anwohnern allerdings kein ruhiges Weihnachtsfest. Denn mit Hochdruck und schwerem Gerät arbeitet die Bahn AG an der Instandsetzung der Strecke.

Bei dem Zusammenprall zweier Güterzüge mit einem Linienbus war am Mittwochabend auch die Befestigung der Gleise schwer beschädigt worden. Nach Weihnachten soll der Bereich erneut werden, dann werde man sich den über 400 Metern abgerissener Oberleitung widmen, sagte Bahnsprecher Dirk Pohlmann. Danach erst wird die Schrankenanlage erneuert. Und das kann dauern, wie die Anwohner aus jüngster Erfahrung wissen.

Im Frühjahr hatte ein Bagger die Stromversorgung der alten Beschrankung zerstört. Ein dreiviertel Jahr lang war der Übergang per Hand gesichert worden, bevor erst knapp 14 Tage vor dem Unglück die neuen Schranken installiert wurden. Dass es während der Handbetriebszeit zu gefährlichen Situationen gekommen war, wollte Pohlmann gestern nicht kommentieren.

Joachim Wassermann fährt häufig mit dem Auto über den Bahnübergang — und das seit Monaten mit einem "ganz schlechten Gefühl". Denn im September war er gerade dort unterwegs, als "plötzlich ein Mann aus der kleinen Hütte lief, hektisch winkte und dann den Übergang sperrte — Sekunden später donnerte ein Güterzug vorbei", berichtet Wassermann. Als er im Radio von dem Unglück in Düsseldorf hörte, "wusste ich sofort, dass es um diesen Übergang geht. Ich hatte schon lange so etwas befürchtet". Und schon am 29. Juni hatten Anwohner fassungslos gesehen, wie ein Güterzug bei geöffneten Schranken über die Strecke fuhr. In der Nachbarschaft munkelte man, der Schrankenwärter sei eingeschlafen, erzählt Anwohner Wolfgang Schmitz. Danach sei der Übergang nicht mehr von einer Fremdfirma, sondern von Bahn-Mitarbeitern selbst betreut worden.

Seither mieden viele Anwohner den Übergang, "weil man da oft mindestens zehn Minuten stand, bevor ein Zug kam", sagt eine Nachbarin. Seit am 7. Dezember die neuen Schranken installiert wurden, sei das anders. "Jetzt sieht man die Züge schon kommen, wenn sich die Schranken gerade schließen."

Laut Bahnsprecher Pohlmann hat die Beschrankung mit dem Zugunglück nichts zu tun. Denn das war durch einen defekten Linienbus ausgelöst worden, der am Mittwochabend mitten auf dem Übergang liegenblieb. "Es gibt derzeit kein zugelassenes Warnsystem, dass bei einer solchen Blockade des Übergangs die Strecke automatisch sperren könnte", sagte Pohlmann.

Für die Anwohner ist das keine sehr beruhigende Erklärung. Franz Mikolas wohnt seit Jahrzehnten in unmittelbarer Nähe der Strecke. "Dass die Güterzüge hier mit Tempo 70 durch ein Wohngebiet fahren, finde ich sehr gefährlich. Zumal viele explosive Stoffe geladen haben." Auch einer der beiden am Mittwoch verunglückten Züge hatte Kesselwagen mit Butan und Propan dabei. Schon vor 30 Jahren war an der selben Stelle ein ähnlicher Unfall geschehen. Auch damals blieb ein defekter Bus auf den Schienen stehen, wurde von einem Güterzug erfasst und 50 Meter weit mitgeschleift. Und auch damals hatten sich die Insassen des Busses rechtzeitig in Sicherheit bringen können.

Warum der Gelenkbus am Mittwoch plötzlich stehenblieb, untersucht ein unabhängiger Sachverständiger im Auftrag der Polizei. "Wir gehen von einem Unfall aus, sehen derzeit keinen Hinweis auf strafbare Handlungen", sagte Polizeisprecherin Susanna Heusgen gestern.

(RP/jco/csi/felt/sap/rl)
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